Schubin, Ossip: Vollmondzauber. In: Engelhorns Allgemeine Romanbibliothek (Fünfzehnter Jahrgang. Band 18). 2. Bd. Stuttgart, 1899.die sie von Emma trennten, fuhr sie fort: "Die Liebe braucht sie!" Damit stellte die weise Frau den Räucherkessel weg, was anzeigte, daß sie die Sitzung für beendigt hielt. Emma erhob sich. "Noch eine Frage," bat sie, an die Wahrsagerin herantretend: "Ist es überhaupt ratsam für meine Schwester, zu heiraten? Könnte sie einen Mann glücklich machen?" Die Wahrsagerin maß sie mit einem spöttischen Blick von oben bis unten, dann die Marchesina duzend, wie sie jede Bauernmagd duzte: "Ma che ti fa!" rief sie heiser, "und wenn er stirbt, sie wird leben!" Daran dachte Emma an diesem kalten Junitag, während Gina sterbend in ihren Kissen lag und die Bäume draußen wie im Spätherbst fröstelten. Sie trat an das Bett der Schwester. "Sorella mia, wie geht's?" Die Leidende bewegte nur leise stöhnend den Kopf. "Hast du einen Wunsch, Ginetta, sorella mia?" Die kalte, gemessene Emma beugte sich über die Schwester und streichelte ihr volles Haar. "Mach das Fenster auf," stöhnte Gina. Emma that's. "Die Luft riecht feucht und modrig," murmelte Gina, dann setzte sie hinzu: "Wie ein offenes Grab!" "Ach, Gina, Ginetta, wer wird an so traurige Dinge denken!" die sie von Emma trennten, fuhr sie fort: „Die Liebe braucht sie!“ Damit stellte die weise Frau den Räucherkessel weg, was anzeigte, daß sie die Sitzung für beendigt hielt. Emma erhob sich. „Noch eine Frage,“ bat sie, an die Wahrsagerin herantretend: „Ist es überhaupt ratsam für meine Schwester, zu heiraten? Könnte sie einen Mann glücklich machen?“ Die Wahrsagerin maß sie mit einem spöttischen Blick von oben bis unten, dann die Marchesina duzend, wie sie jede Bauernmagd duzte: „Ma che ti fa!“ rief sie heiser, „und wenn er stirbt, sie wird leben!“ Daran dachte Emma an diesem kalten Junitag, während Gina sterbend in ihren Kissen lag und die Bäume draußen wie im Spätherbst fröstelten. Sie trat an das Bett der Schwester. „Sorella mia, wie geht’s?“ Die Leidende bewegte nur leise stöhnend den Kopf. „Hast du einen Wunsch, Ginetta, sorella mia?“ Die kalte, gemessene Emma beugte sich über die Schwester und streichelte ihr volles Haar. „Mach das Fenster auf,“ stöhnte Gina. Emma that’s. „Die Luft riecht feucht und modrig,“ murmelte Gina, dann setzte sie hinzu: „Wie ein offenes Grab!“ „Ach, Gina, Ginetta, wer wird an so traurige Dinge denken!“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0038" n="38"/> die sie von Emma trennten, fuhr sie fort: „Die Liebe braucht sie!“ Damit stellte die weise Frau den Räucherkessel weg, was anzeigte, daß sie die Sitzung für beendigt hielt.</p> <p>Emma erhob sich. „Noch eine Frage,“ bat sie, an die Wahrsagerin herantretend: „Ist es überhaupt ratsam für meine Schwester, zu heiraten? Könnte sie einen Mann glücklich machen?“</p> <p>Die Wahrsagerin maß sie mit einem spöttischen Blick von oben bis unten, dann die Marchesina duzend, wie sie jede Bauernmagd duzte: „<hi rendition="#aq">Ma che ti fa!</hi>“ rief sie heiser, „und wenn er stirbt, sie wird leben!“</p> <p>Daran dachte Emma an diesem kalten Junitag, während Gina sterbend in ihren Kissen lag und die Bäume draußen wie im Spätherbst fröstelten.</p> <p>Sie trat an das Bett der Schwester.</p> <p>„<hi rendition="#aq">Sorella mia</hi>, wie geht’s?“</p> <p>Die Leidende bewegte nur leise stöhnend den Kopf.</p> <p>„Hast du einen Wunsch, Ginetta, <hi rendition="#aq">sorella mia</hi>?“ Die kalte, gemessene Emma beugte sich über die Schwester und streichelte ihr volles Haar.</p> <p>„Mach das Fenster auf,“ stöhnte Gina.</p> <p>Emma that’s.</p> <p>„Die Luft riecht feucht und modrig,“ murmelte Gina, dann setzte sie hinzu: „Wie ein offenes Grab!“</p> <p>„Ach, Gina, Ginetta, wer wird an so traurige Dinge denken!“</p> </div> </body> </text> </TEI> [38/0038]
die sie von Emma trennten, fuhr sie fort: „Die Liebe braucht sie!“ Damit stellte die weise Frau den Räucherkessel weg, was anzeigte, daß sie die Sitzung für beendigt hielt.
Emma erhob sich. „Noch eine Frage,“ bat sie, an die Wahrsagerin herantretend: „Ist es überhaupt ratsam für meine Schwester, zu heiraten? Könnte sie einen Mann glücklich machen?“
Die Wahrsagerin maß sie mit einem spöttischen Blick von oben bis unten, dann die Marchesina duzend, wie sie jede Bauernmagd duzte: „Ma che ti fa!“ rief sie heiser, „und wenn er stirbt, sie wird leben!“
Daran dachte Emma an diesem kalten Junitag, während Gina sterbend in ihren Kissen lag und die Bäume draußen wie im Spätherbst fröstelten.
Sie trat an das Bett der Schwester.
„Sorella mia, wie geht’s?“
Die Leidende bewegte nur leise stöhnend den Kopf.
„Hast du einen Wunsch, Ginetta, sorella mia?“ Die kalte, gemessene Emma beugte sich über die Schwester und streichelte ihr volles Haar.
„Mach das Fenster auf,“ stöhnte Gina.
Emma that’s.
„Die Luft riecht feucht und modrig,“ murmelte Gina, dann setzte sie hinzu: „Wie ein offenes Grab!“
„Ach, Gina, Ginetta, wer wird an so traurige Dinge denken!“
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |