Schücking, Levin: Die Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 169–291. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.bornslust, diesem Herde ihrer Plane, ihrer Truppenwerbungen, ihrer kriegerischen Berathungen, führte sie durch eine wunderbar schöne Landschaft, denn jenes Lustschloß, erbaut von einem Kirchenfürsten aus dem Hause Schönborn, liegt unfern der Stelle, wo die Flüsse Mosel und Rhein sich vermählen, d. h. in einer Gegend, welche zu den schönsten in der Welt gerechnet wird. Unsere Emigranten jedoch schienen für solche Dinge kein Auge mehr zu haben. Der einzige Gegenstand ihres Gesprächs war Leonore. Sie ist das hübscheste Geschöpf, das ich seit lange gesehen habe, sagte Karl von Artois. Ich bin nie weniger versucht gewesen, Ihnen zu widersprechen, Hoheit! versetzte der junge Conde. Haben Sie diesen reizenden Schwung der Nasenflügel bemerkt? Diese Feinheit der Knöchel, diese vollkommen schön gebildeten Finger? Sie hat merkwürdig viel Race. Aber sie ist kalt. Machen Sie sich auf keine leichte Eroberung gefaßt. Pah -- zu einer schweren habe ich keine Zeit! Es ist fürchterlich langweilig auf Euerm Schönbornslust -- sobald ich kann, reise ich ab. Unterdeß -- Ich verstehe, Hoheit! Unterdeß will das Herz seine kleine Beschäftigung. Ich wünsche Ihnen alles Glück -- mais nous verrons! Sie sagen das so sarkastisch, Conde! Wollen Sie mir einen Streich spielen? bornslust, diesem Herde ihrer Plane, ihrer Truppenwerbungen, ihrer kriegerischen Berathungen, führte sie durch eine wunderbar schöne Landschaft, denn jenes Lustschloß, erbaut von einem Kirchenfürsten aus dem Hause Schönborn, liegt unfern der Stelle, wo die Flüsse Mosel und Rhein sich vermählen, d. h. in einer Gegend, welche zu den schönsten in der Welt gerechnet wird. Unsere Emigranten jedoch schienen für solche Dinge kein Auge mehr zu haben. Der einzige Gegenstand ihres Gesprächs war Leonore. Sie ist das hübscheste Geschöpf, das ich seit lange gesehen habe, sagte Karl von Artois. Ich bin nie weniger versucht gewesen, Ihnen zu widersprechen, Hoheit! versetzte der junge Condé. Haben Sie diesen reizenden Schwung der Nasenflügel bemerkt? Diese Feinheit der Knöchel, diese vollkommen schön gebildeten Finger? Sie hat merkwürdig viel Race. Aber sie ist kalt. Machen Sie sich auf keine leichte Eroberung gefaßt. Pah — zu einer schweren habe ich keine Zeit! Es ist fürchterlich langweilig auf Euerm Schönbornslust — sobald ich kann, reise ich ab. Unterdeß — Ich verstehe, Hoheit! Unterdeß will das Herz seine kleine Beschäftigung. Ich wünsche Ihnen alles Glück — mais nous verrons! Sie sagen das so sarkastisch, Condé! Wollen Sie mir einen Streich spielen? <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="5"> <p><pb facs="#f0071"/> bornslust, diesem Herde ihrer Plane, ihrer Truppenwerbungen, ihrer kriegerischen Berathungen, führte sie durch eine wunderbar schöne Landschaft, denn jenes Lustschloß, erbaut von einem Kirchenfürsten aus dem Hause Schönborn, liegt unfern der Stelle, wo die Flüsse Mosel und Rhein sich vermählen, d. h. in einer Gegend, welche zu den schönsten in der Welt gerechnet wird. Unsere Emigranten jedoch schienen für solche Dinge kein Auge mehr zu haben.</p><lb/> <p>Der einzige Gegenstand ihres Gesprächs war Leonore.</p><lb/> <p>Sie ist das hübscheste Geschöpf, das ich seit lange gesehen habe, sagte Karl von Artois.</p><lb/> <p>Ich bin nie weniger versucht gewesen, Ihnen zu widersprechen, Hoheit! versetzte der junge Condé.</p><lb/> <p>Haben Sie diesen reizenden Schwung der Nasenflügel bemerkt? Diese Feinheit der Knöchel, diese vollkommen schön gebildeten Finger?</p><lb/> <p>Sie hat merkwürdig viel Race. Aber sie ist kalt. Machen Sie sich auf keine leichte Eroberung gefaßt.</p><lb/> <p>Pah — zu einer schweren habe ich keine Zeit! Es ist fürchterlich langweilig auf Euerm Schönbornslust — sobald ich kann, reise ich ab. Unterdeß —</p><lb/> <p>Ich verstehe, Hoheit! Unterdeß will das Herz seine kleine Beschäftigung. Ich wünsche Ihnen alles Glück — mais nous verrons!</p><lb/> <p>Sie sagen das so sarkastisch, Condé! Wollen Sie mir einen Streich spielen?</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0071]
bornslust, diesem Herde ihrer Plane, ihrer Truppenwerbungen, ihrer kriegerischen Berathungen, führte sie durch eine wunderbar schöne Landschaft, denn jenes Lustschloß, erbaut von einem Kirchenfürsten aus dem Hause Schönborn, liegt unfern der Stelle, wo die Flüsse Mosel und Rhein sich vermählen, d. h. in einer Gegend, welche zu den schönsten in der Welt gerechnet wird. Unsere Emigranten jedoch schienen für solche Dinge kein Auge mehr zu haben.
Der einzige Gegenstand ihres Gesprächs war Leonore.
Sie ist das hübscheste Geschöpf, das ich seit lange gesehen habe, sagte Karl von Artois.
Ich bin nie weniger versucht gewesen, Ihnen zu widersprechen, Hoheit! versetzte der junge Condé.
Haben Sie diesen reizenden Schwung der Nasenflügel bemerkt? Diese Feinheit der Knöchel, diese vollkommen schön gebildeten Finger?
Sie hat merkwürdig viel Race. Aber sie ist kalt. Machen Sie sich auf keine leichte Eroberung gefaßt.
Pah — zu einer schweren habe ich keine Zeit! Es ist fürchterlich langweilig auf Euerm Schönbornslust — sobald ich kann, reise ich ab. Unterdeß —
Ich verstehe, Hoheit! Unterdeß will das Herz seine kleine Beschäftigung. Ich wünsche Ihnen alles Glück — mais nous verrons!
Sie sagen das so sarkastisch, Condé! Wollen Sie mir einen Streich spielen?
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-16T11:53:40Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-16T11:53:40Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |