zeigt sich ihre pedantische und beschränkte Er- ziehung besonders, und man hat nicht nö- thig, es etwa dem eifersüchtigen Auge eines Gemahls, oder der mißgünstigen Wachsamkeit eines "Cavaliere servente" beyzumessen, wenn eine veronesische Dame einem Fremden in der Unterhaltung nicht lange Stich hält, sondern ihm mit einer gewissen Unruhe und Aengstlichkeit zuhört und antwortet, und nur immer bedacht ist, mehrere Zuhörerinnen und Zuhörer anzurufen und herbey zu ziehen.
Einen Reitz, den besonders in Deutschland die Gesellschaften großer Städte gewähren, daß man zugleich eine blühende Jugend um sich her sieht, die auch ihrerseits sich zu ver- gnügen beschäftigt ist, vermißt man hier ganz. Nur verheurathete Damen erscheinen in Ge- sellschaften, und unverheurathete junge Män- ner werden erst gesellschaftsfähig, wenn sie großjährig und ämterfähig sind. Daher eine auffallende Ungleichheit in der Zahl der Wei- ber und Männer, und wiederum in der Zahl
zeigt ſich ihre pedantiſche und beſchraͤnkte Er- ziehung beſonders, und man hat nicht noͤ- thig, es etwa dem eiferſuͤchtigen Auge eines Gemahls, oder der mißguͤnſtigen Wachſamkeit eines „Cavaliere servente“ beyzumeſſen, wenn eine veroneſiſche Dame einem Fremden in der Unterhaltung nicht lange Stich haͤlt, ſondern ihm mit einer gewiſſen Unruhe und Aengſtlichkeit zuhoͤrt und antwortet, und nur immer bedacht iſt, mehrere Zuhoͤrerinnen und Zuhoͤrer anzurufen und herbey zu ziehen.
Einen Reitz, den beſonders in Deutſchland die Geſellſchaften großer Staͤdte gewaͤhren, daß man zugleich eine bluͤhende Jugend um ſich her ſieht, die auch ihrerſeits ſich zu ver- gnuͤgen beſchaͤftigt iſt, vermißt man hier ganz. Nur verheurathete Damen erſcheinen in Ge- ſellſchaften, und unverheurathete junge Maͤn- ner werden erſt geſellſchaftsfaͤhig, wenn ſie großjaͤhrig und aͤmterfaͤhig ſind. Daher eine auffallende Ungleichheit in der Zahl der Wei- ber und Maͤnner, und wiederum in der Zahl
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zeigt ſich ihre pedantiſche und beſchraͤnkte Er-
ziehung beſonders, und man hat nicht noͤ-
thig, es etwa dem eiferſuͤchtigen Auge eines
Gemahls, oder der mißguͤnſtigen Wachſamkeit
eines „Cavaliere servente“ beyzumeſſen,
wenn eine veroneſiſche Dame einem Fremden
in der Unterhaltung nicht lange Stich haͤlt,
ſondern ihm mit einer gewiſſen Unruhe und
Aengſtlichkeit zuhoͤrt und antwortet, und nur
immer bedacht iſt, mehrere Zuhoͤrerinnen und
Zuhoͤrer anzurufen und herbey zu ziehen.
Einen Reitz, den beſonders in Deutſchland
die Geſellſchaften großer Staͤdte gewaͤhren,
daß man zugleich eine bluͤhende Jugend um
ſich her ſieht, die auch ihrerſeits ſich zu ver-
gnuͤgen beſchaͤftigt iſt, vermißt man hier ganz.
Nur verheurathete Damen erſcheinen in Ge-
ſellſchaften, und unverheurathete junge Maͤn-
ner werden erſt geſellſchaftsfaͤhig, wenn ſie
großjaͤhrig und aͤmterfaͤhig ſind. Daher eine
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Neue Reise durch Italien" ist auch erschiene… [mehr]
Die "Neue Reise durch Italien" ist auch erschienen als 7. Heft der "Reise eines Livländers von Riga nach Warschau, durch Südpreußen, über Breslau [...] nach Bozen in Tyrol".
Schulz, Friedrich: Neue Reise durch Italien. Bd. 1, H. 1. Berlin, 1797, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_italien_1797/188>, abgerufen am 17.06.2024.
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