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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, [H. 3]. Berlin, 1795.

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wurde er, anstatt des ordentlichen Reichsta-
ges, an diesem Reichstage selbst, den 7ten
Oktober 1788, in einen Konföderations-Reichs-
tag verwandelt, weil die Mehrheit an demsel-
ben glaubte, daß sich keiner ihrer Entwürfe,
an einem Reichstage, der nach der im Jahre
1768 vorgeschriebenen Form eingerichtet sey,
würde zur Ausführung bringen lassen.

Außer den Ursachen der Selbstsucht, des
Hochmuths, der Herrschbegier und der Ein-
mischung fremder Mächte, welche die erwähn-
ten Gattungen von Reichstagen so stürmisch
und doch so ohnmächtig machen, sind noch zwey
andre da, die nicht minder kräftig eben dieß
bewirken: es sind Unwissenheit und Leichtsinn.

Die Gesetze schreiben bloß vor, daß ein
Edelmann, der zum Reichsboten erwählt wer-
den soll, ein eingeborner, besitzlicher Edelmann,
nicht, daß er zugleich ein unterrichteter, fleißi-
ger, der Gesetze und Gewohnheiten des Reichs
kundiger Mann sey. Daher kommt es, daß
zwey Drittel der Reichsboten fast ganz roh

wurde er, anſtatt des ordentlichen Reichsta-
ges, an dieſem Reichstage ſelbſt, den 7ten
Oktober 1788, in einen Konfoͤderations-Reichs-
tag verwandelt, weil die Mehrheit an demſel-
ben glaubte, daß ſich keiner ihrer Entwuͤrfe,
an einem Reichstage, der nach der im Jahre
1768 vorgeſchriebenen Form eingerichtet ſey,
wuͤrde zur Ausfuͤhrung bringen laſſen.

Außer den Urſachen der Selbſtſucht, des
Hochmuths, der Herrſchbegier und der Ein-
miſchung fremder Maͤchte, welche die erwaͤhn-
ten Gattungen von Reichstagen ſo ſtuͤrmiſch
und doch ſo ohnmaͤchtig machen, ſind noch zwey
andre da, die nicht minder kraͤftig eben dieß
bewirken: es ſind Unwiſſenheit und Leichtſinn.

Die Geſetze ſchreiben bloß vor, daß ein
Edelmann, der zum Reichsboten erwaͤhlt wer-
den ſoll, ein eingeborner, beſitzlicher Edelmann,
nicht, daß er zugleich ein unterrichteter, fleißi-
ger, der Geſetze und Gewohnheiten des Reichs
kundiger Mann ſey. Daher kommt es, daß
zwey Drittel der Reichsboten faſt ganz roh

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[154/0164] wurde er, anſtatt des ordentlichen Reichsta- ges, an dieſem Reichstage ſelbſt, den 7ten Oktober 1788, in einen Konfoͤderations-Reichs- tag verwandelt, weil die Mehrheit an demſel- ben glaubte, daß ſich keiner ihrer Entwuͤrfe, an einem Reichstage, der nach der im Jahre 1768 vorgeſchriebenen Form eingerichtet ſey, wuͤrde zur Ausfuͤhrung bringen laſſen. Außer den Urſachen der Selbſtſucht, des Hochmuths, der Herrſchbegier und der Ein- miſchung fremder Maͤchte, welche die erwaͤhn- ten Gattungen von Reichstagen ſo ſtuͤrmiſch und doch ſo ohnmaͤchtig machen, ſind noch zwey andre da, die nicht minder kraͤftig eben dieß bewirken: es ſind Unwiſſenheit und Leichtſinn. Die Geſetze ſchreiben bloß vor, daß ein Edelmann, der zum Reichsboten erwaͤhlt wer- den ſoll, ein eingeborner, beſitzlicher Edelmann, nicht, daß er zugleich ein unterrichteter, fleißi- ger, der Geſetze und Gewohnheiten des Reichs kundiger Mann ſey. Daher kommt es, daß zwey Drittel der Reichsboten faſt ganz roh

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, [H. 3]. Berlin, 1795, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0201_1795/164>, abgerufen am 24.11.2024.