Solche Beweise von Treue geben indessen der Unterhaltende und die Unterhaltene selten. Jener behandelt diese als ein Eigenthum ohne freyen Willen, und sie behandelt ihn als einen Herrn, dem sie zwar Dank schuldig ist, und der gewisse Gefälligkeiten von ihr verlangen kann, dem sie aber ihr Jch nicht verkauft ha- ben will. Wenn er Anhänglichkeit für sie fühlt, so ist es bey den Anwandlungen des Naturtriebes oder der Eifersucht, bey dem Ge- nusse, den ihr Besitz seiner Eitelkeit verschaft, oder bey dem Gedanken an das, was sie ihm kostet; übrigens glaubt er sich ihrentwegen nicht binden zu müssen; und sie, ihm nur in so fern ergeben, als er ihre Bedürfnisse, ihre Launen, und ihr Begehr befriedigt, als er sie schätzt und ihr ausschließend Beweise seiner Neigung darbringt, glaubt, sobald sie diese Dinge vermißt, ihm auch keinen Dank weiter schuldig zu seyn. Aus diesem Verhältnisse fließt das Benehmen beyder gegen einander. Eins traut dem andern nie. Er giebt, um
Solche Beweiſe von Treue geben indeſſen der Unterhaltende und die Unterhaltene ſelten. Jener behandelt dieſe als ein Eigenthum ohne freyen Willen, und ſie behandelt ihn als einen Herrn, dem ſie zwar Dank ſchuldig iſt, und der gewiſſe Gefaͤlligkeiten von ihr verlangen kann, dem ſie aber ihr Jch nicht verkauft ha- ben will. Wenn er Anhaͤnglichkeit fuͤr ſie fuͤhlt, ſo iſt es bey den Anwandlungen des Naturtriebes oder der Eiferſucht, bey dem Ge- nuſſe, den ihr Beſitz ſeiner Eitelkeit verſchaft, oder bey dem Gedanken an das, was ſie ihm koſtet; uͤbrigens glaubt er ſich ihrentwegen nicht binden zu muͤſſen; und ſie, ihm nur in ſo fern ergeben, als er ihre Beduͤrfniſſe, ihre Launen, und ihr Begehr befriedigt, als er ſie ſchaͤtzt und ihr ausſchließend Beweiſe ſeiner Neigung darbringt, glaubt, ſobald ſie dieſe Dinge vermißt, ihm auch keinen Dank weiter ſchuldig zu ſeyn. Aus dieſem Verhaͤltniſſe fließt das Benehmen beyder gegen einander. Eins traut dem andern nie. Er giebt, um
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Solche Beweiſe von Treue geben indeſſen
der Unterhaltende und die Unterhaltene ſelten.
Jener behandelt dieſe als ein Eigenthum ohne
freyen Willen, und ſie behandelt ihn als einen
Herrn, dem ſie zwar Dank ſchuldig iſt, und
der gewiſſe Gefaͤlligkeiten von ihr verlangen
kann, dem ſie aber ihr Jch nicht verkauft ha-
ben will. Wenn er Anhaͤnglichkeit fuͤr ſie
fuͤhlt, ſo iſt es bey den Anwandlungen des
Naturtriebes oder der Eiferſucht, bey dem Ge-
nuſſe, den ihr Beſitz ſeiner Eitelkeit verſchaft,
oder bey dem Gedanken an das, was ſie ihm
koſtet; uͤbrigens glaubt er ſich ihrentwegen nicht
binden zu muͤſſen; und ſie, ihm nur in ſo
fern ergeben, als er ihre Beduͤrfniſſe, ihre
Launen, und ihr Begehr befriedigt, als er ſie
ſchaͤtzt und ihr ausſchließend Beweiſe ſeiner
Neigung darbringt, glaubt, ſobald ſie dieſe
Dinge vermißt, ihm auch keinen Dank weiter
ſchuldig zu ſeyn. Aus dieſem Verhaͤltniſſe
fließt das Benehmen beyder gegen einander.
Eins traut dem andern nie. Er giebt, um
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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, [H. 3]. Berlin, 1795, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0201_1795/67>, abgerufen am 16.02.2025.
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