Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, H. 4. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

kam, hat noch hölzerne Häuser; die Stadt
selbst ist von Steinen, aber im alten Geschmack
erbauet. Das gothische Rathhaus füllt fast
den ganzen Markt, und hat, wie das eben so
gothische Schloß, nichts Merkwürdiges; man
müßte es denn an letzterem für eine Merkwür-
digkeit halten, daß einer der Höfe mit einer
gewaltigen Gallerie von Hirschgeweihen ver-
ziert ist, als Beweis von der Liebhaberey des
alten Kunstkenners, der sie hieher lieferte. Der
Schloßgarten ist klein und ziemlich unansehn-
lich, aber die Aussicht von oben herab ist la-
chend und mannichfaltig.

Von Oels bis Breslau (4 M.) bleibt
der Weg wie auf der vorigen Station. Bres-
lau selbst zeigt sich auch schon, wenn man die
Hälfte des Weges zurück gelegt hat. Schon
hier sieht man, daß man in keine neumodische
Stadt zu gelangen im Begriff ist: ihre Thür-
me sind von der ältesten Form, und die spitzi-
gen, schmalen, hoch herauslaufenden Dächer
scheinen von gleichem Alter zu seyn. Man

kam, hat noch hoͤlzerne Haͤuſer; die Stadt
ſelbſt iſt von Steinen, aber im alten Geſchmack
erbauet. Das gothiſche Rathhaus fuͤllt faſt
den ganzen Markt, und hat, wie das eben ſo
gothiſche Schloß, nichts Merkwuͤrdiges; man
muͤßte es denn an letzterem fuͤr eine Merkwuͤr-
digkeit halten, daß einer der Hoͤfe mit einer
gewaltigen Gallerie von Hirſchgeweihen ver-
ziert iſt, als Beweis von der Liebhaberey des
alten Kunſtkenners, der ſie hieher lieferte. Der
Schloßgarten iſt klein und ziemlich unanſehn-
lich, aber die Ausſicht von oben herab iſt la-
chend und mannichfaltig.

Von Oels bis Breslau (4 M.) bleibt
der Weg wie auf der vorigen Station. Bres-
lau ſelbſt zeigt ſich auch ſchon, wenn man die
Haͤlfte des Weges zuruͤck gelegt hat. Schon
hier ſieht man, daß man in keine neumodiſche
Stadt zu gelangen im Begriff iſt: ihre Thuͤr-
me ſind von der aͤlteſten Form, und die ſpitzi-
gen, ſchmalen, hoch herauslaufenden Daͤcher
ſcheinen von gleichem Alter zu ſeyn. Man

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0226" n="216"/>
kam, hat noch ho&#x0364;lzerne Ha&#x0364;u&#x017F;er; die Stadt<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t i&#x017F;t von Steinen, aber im alten Ge&#x017F;chmack<lb/>
erbauet. Das gothi&#x017F;che Rathhaus fu&#x0364;llt fa&#x017F;t<lb/>
den ganzen Markt, und hat, wie das eben &#x017F;o<lb/>
gothi&#x017F;che Schloß, nichts Merkwu&#x0364;rdiges; man<lb/>
mu&#x0364;ßte es denn an letzterem fu&#x0364;r eine Merkwu&#x0364;r-<lb/>
digkeit halten, daß einer der Ho&#x0364;fe mit einer<lb/>
gewaltigen Gallerie von Hir&#x017F;chgeweihen ver-<lb/>
ziert i&#x017F;t, als Beweis von der Liebhaberey des<lb/>
alten Kun&#x017F;tkenners, der &#x017F;ie hieher lieferte. Der<lb/>
Schloßgarten i&#x017F;t klein und ziemlich unan&#x017F;ehn-<lb/>
lich, aber die Aus&#x017F;icht von oben herab i&#x017F;t la-<lb/>
chend und mannichfaltig.</p><lb/>
        <p>Von <hi rendition="#g">Oels</hi> bis <hi rendition="#g">Breslau</hi> (4 M.) bleibt<lb/>
der Weg wie auf der vorigen Station. Bres-<lb/>
lau &#x017F;elb&#x017F;t zeigt &#x017F;ich auch &#x017F;chon, wenn man die<lb/>
Ha&#x0364;lfte des Weges zuru&#x0364;ck gelegt hat. Schon<lb/>
hier &#x017F;ieht man, daß man in keine neumodi&#x017F;che<lb/>
Stadt zu gelangen im Begriff i&#x017F;t: ihre Thu&#x0364;r-<lb/>
me &#x017F;ind von der a&#x0364;lte&#x017F;ten Form, und die &#x017F;pitzi-<lb/>
gen, &#x017F;chmalen, hoch herauslaufenden Da&#x0364;cher<lb/>
&#x017F;cheinen von gleichem Alter zu &#x017F;eyn. Man<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[216/0226] kam, hat noch hoͤlzerne Haͤuſer; die Stadt ſelbſt iſt von Steinen, aber im alten Geſchmack erbauet. Das gothiſche Rathhaus fuͤllt faſt den ganzen Markt, und hat, wie das eben ſo gothiſche Schloß, nichts Merkwuͤrdiges; man muͤßte es denn an letzterem fuͤr eine Merkwuͤr- digkeit halten, daß einer der Hoͤfe mit einer gewaltigen Gallerie von Hirſchgeweihen ver- ziert iſt, als Beweis von der Liebhaberey des alten Kunſtkenners, der ſie hieher lieferte. Der Schloßgarten iſt klein und ziemlich unanſehn- lich, aber die Ausſicht von oben herab iſt la- chend und mannichfaltig. Von Oels bis Breslau (4 M.) bleibt der Weg wie auf der vorigen Station. Bres- lau ſelbſt zeigt ſich auch ſchon, wenn man die Haͤlfte des Weges zuruͤck gelegt hat. Schon hier ſieht man, daß man in keine neumodiſche Stadt zu gelangen im Begriff iſt: ihre Thuͤr- me ſind von der aͤlteſten Form, und die ſpitzi- gen, ſchmalen, hoch herauslaufenden Daͤcher ſcheinen von gleichem Alter zu ſeyn. Man

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0202_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0202_1795/226
Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, H. 4. Berlin, 1795, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0202_1795/226>, abgerufen am 22.12.2024.