Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, H. 4. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

steht; die verschiedenen Gesandten der aus-
wärtigen Höfe bedienten sich ebenfalls der
Presse, aber der Namenlosigkeit, um die all-
gemeine Meinung und auch den Reichstag da-
hin zu leiten, wohin ihr verschiedenes, oft ent-
gegengesetztes, oft verändertes, Jnteresse ver-
langte; mit einem Worte: die allgemeine Reg-
samkeit ergoß sich in Blättern, Bogen und
Büchern und spannte die Aufmerksamkeit der
Polen, von oben herab, bis zum Bauer (aber
nicht mit ihm) hinunter, und es war viel-
leicht der erste Fall, vielleicht auch der letzte
in der polnischen Geschichte, daß in den Wa-
gen, auf den Straßen und hinter den Bierkrü-
gen und Brantweinsgläsern gelesen und von
politischen Dingen gesprochen wurde.

Solch eine allgemeine Theilnehmung war
die Zeit her in Polen unerhört gewesen. Da
der Adel, wenn er vordem in seinen Stellver-
tretern versammlet war, nur immer selbst, für
sich selbst und durch sich selbst, berathschlagte,
beschloß und ausübte: so war dem Reste des

ſteht; die verſchiedenen Geſandten der aus-
waͤrtigen Hoͤfe bedienten ſich ebenfalls der
Preſſe, aber der Namenloſigkeit, um die all-
gemeine Meinung und auch den Reichstag da-
hin zu leiten, wohin ihr verſchiedenes, oft ent-
gegengeſetztes, oft veraͤndertes, Jntereſſe ver-
langte; mit einem Worte: die allgemeine Reg-
ſamkeit ergoß ſich in Blaͤttern, Bogen und
Buͤchern und ſpannte die Aufmerkſamkeit der
Polen, von oben herab, bis zum Bauer (aber
nicht mit ihm) hinunter, und es war viel-
leicht der erſte Fall, vielleicht auch der letzte
in der polniſchen Geſchichte, daß in den Wa-
gen, auf den Straßen und hinter den Bierkruͤ-
gen und Brantweinsglaͤſern geleſen und von
politiſchen Dingen geſprochen wurde.

Solch eine allgemeine Theilnehmung war
die Zeit her in Polen unerhoͤrt geweſen. Da
der Adel, wenn er vordem in ſeinen Stellver-
tretern verſammlet war, nur immer ſelbſt, fuͤr
ſich ſelbſt und durch ſich ſelbſt, berathſchlagte,
beſchloß und ausuͤbte: ſo war dem Reſte des

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0041" n="31"/>
&#x017F;teht; die ver&#x017F;chiedenen Ge&#x017F;andten der aus-<lb/>
wa&#x0364;rtigen Ho&#x0364;fe bedienten &#x017F;ich ebenfalls der<lb/>
Pre&#x017F;&#x017F;e, aber der Namenlo&#x017F;igkeit, um die all-<lb/>
gemeine Meinung und auch den Reichstag da-<lb/>
hin zu leiten, wohin ihr ver&#x017F;chiedenes, oft ent-<lb/>
gegenge&#x017F;etztes, oft vera&#x0364;ndertes, Jntere&#x017F;&#x017F;e ver-<lb/>
langte; mit einem Worte: die allgemeine Reg-<lb/>
&#x017F;amkeit ergoß &#x017F;ich in Bla&#x0364;ttern, Bogen und<lb/>
Bu&#x0364;chern und &#x017F;pannte die Aufmerk&#x017F;amkeit der<lb/>
Polen, von oben herab, bis <hi rendition="#g">zum</hi> Bauer (aber<lb/>
nicht <hi rendition="#g">mit</hi> ihm) hinunter, und es war viel-<lb/>
leicht der er&#x017F;te Fall, vielleicht auch der letzte<lb/>
in der polni&#x017F;chen Ge&#x017F;chichte, daß in den Wa-<lb/>
gen, auf den Straßen und hinter den Bierkru&#x0364;-<lb/>
gen und Brantweinsgla&#x0364;&#x017F;ern gele&#x017F;en und von<lb/>
politi&#x017F;chen Dingen ge&#x017F;prochen wurde.</p><lb/>
        <p>Solch eine allgemeine Theilnehmung war<lb/>
die Zeit her in Polen unerho&#x0364;rt gewe&#x017F;en. Da<lb/>
der Adel, wenn er vordem in &#x017F;einen Stellver-<lb/>
tretern ver&#x017F;ammlet war, nur immer &#x017F;elb&#x017F;t, fu&#x0364;r<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t und durch &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t, berath&#x017F;chlagte,<lb/>
be&#x017F;chloß und ausu&#x0364;bte: &#x017F;o war dem Re&#x017F;te des<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[31/0041] ſteht; die verſchiedenen Geſandten der aus- waͤrtigen Hoͤfe bedienten ſich ebenfalls der Preſſe, aber der Namenloſigkeit, um die all- gemeine Meinung und auch den Reichstag da- hin zu leiten, wohin ihr verſchiedenes, oft ent- gegengeſetztes, oft veraͤndertes, Jntereſſe ver- langte; mit einem Worte: die allgemeine Reg- ſamkeit ergoß ſich in Blaͤttern, Bogen und Buͤchern und ſpannte die Aufmerkſamkeit der Polen, von oben herab, bis zum Bauer (aber nicht mit ihm) hinunter, und es war viel- leicht der erſte Fall, vielleicht auch der letzte in der polniſchen Geſchichte, daß in den Wa- gen, auf den Straßen und hinter den Bierkruͤ- gen und Brantweinsglaͤſern geleſen und von politiſchen Dingen geſprochen wurde. Solch eine allgemeine Theilnehmung war die Zeit her in Polen unerhoͤrt geweſen. Da der Adel, wenn er vordem in ſeinen Stellver- tretern verſammlet war, nur immer ſelbſt, fuͤr ſich ſelbſt und durch ſich ſelbſt, berathſchlagte, beſchloß und ausuͤbte: ſo war dem Reſte des

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0202_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0202_1795/41
Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, H. 4. Berlin, 1795, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0202_1795/41>, abgerufen am 22.12.2024.