herum treiben. Das sinnliche Bedürfniß der anständigern Klassen wird meist von den Putz- Näther- Wäscher- und Sticker Mädchen be- friedigt, zu welchen sich auch häufig diejenigen gesellen, denen es verboten ist, mit den Gojim zuzuhalten. Die erstern zeigen sich hier durch- gängig in einem Anzuge, dem man es wohl an- sieht, daß sie ihn nicht der Nadel noch der Seife danken, und dessen einzelne Theile, Haarputz und Schuhe mit eingeschlossen, so geordnet und geformt sind, daß sie zugleich für Schilder gel- ten können, die den Kenner nicht irren lassen. Die Oerter und die Zeit, die sie zu ihren Aus- flügen wählen, z. B. der Zwinger gegen Abend, die Schloßgasse um die Zeit des Zapfenstreiches, der Neumarkt um die Zeit der Wachparade, die öffentlichen Garten zur Zeit der Koncerte und Erleuchtungen, die Brücke bey Mondenschein u. s. w. alles dies sind Merkzeichen ihrer Ge- schäfte, die, da man sie unter freyem Himmel durch ein Wort, einen Blick, eine Frage einlei- tet, keiner eigends dazu eingerichteten Börsen,
herum treiben. Das ſinnliche Beduͤrfniß der anſtaͤndigern Klaſſen wird meiſt von den Putz- Naͤther- Waͤſcher- und Sticker Maͤdchen be- friedigt, zu welchen ſich auch haͤufig diejenigen geſellen, denen es verboten iſt, mit den Gojim zuzuhalten. Die erſtern zeigen ſich hier durch- gaͤngig in einem Anzuge, dem man es wohl an- ſieht, daß ſie ihn nicht der Nadel noch der Seife danken, und deſſen einzelne Theile, Haarputz und Schuhe mit eingeſchloſſen, ſo geordnet und geformt ſind, daß ſie zugleich fuͤr Schilder gel- ten koͤnnen, die den Kenner nicht irren laſſen. Die Oerter und die Zeit, die ſie zu ihren Aus- fluͤgen waͤhlen, z. B. der Zwinger gegen Abend, die Schloßgaſſe um die Zeit des Zapfenſtreiches, der Neumarkt um die Zeit der Wachparade, die oͤffentlichen Garten zur Zeit der Koncerte und Erleuchtungen, die Bruͤcke bey Mondenſchein u. ſ. w. alles dies ſind Merkzeichen ihrer Ge- ſchaͤfte, die, da man ſie unter freyem Himmel durch ein Wort, einen Blick, eine Frage einlei- tet, keiner eigends dazu eingerichteten Boͤrſen,
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herum treiben. Das ſinnliche Beduͤrfniß der
anſtaͤndigern Klaſſen wird meiſt von den Putz-
Naͤther- Waͤſcher- und Sticker Maͤdchen be-
friedigt, zu welchen ſich auch haͤufig diejenigen
geſellen, denen es verboten iſt, mit den Gojim
zuzuhalten. Die erſtern zeigen ſich hier durch-
gaͤngig in einem Anzuge, dem man es wohl an-
ſieht, daß ſie ihn nicht der Nadel noch der Seife
danken, und deſſen einzelne Theile, Haarputz
und Schuhe mit eingeſchloſſen, ſo geordnet und
geformt ſind, daß ſie zugleich fuͤr Schilder gel-
ten koͤnnen, die den Kenner nicht irren laſſen.
Die Oerter und die Zeit, die ſie zu ihren Aus-
fluͤgen waͤhlen, z. B. der Zwinger gegen Abend,
die Schloßgaſſe um die Zeit des Zapfenſtreiches,
der Neumarkt um die Zeit der Wachparade, die
oͤffentlichen Garten zur Zeit der Koncerte und
Erleuchtungen, die Bruͤcke bey Mondenſchein
u. ſ. w. alles dies ſind Merkzeichen ihrer Ge-
ſchaͤfte, die, da man ſie unter freyem Himmel
durch ein Wort, einen Blick, eine Frage einlei-
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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise03_1795/31>, abgerufen am 21.11.2024.
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