zu der steigenden Theure. Die freywilligen Beyträge zu den Kriegskosten, worin die treuen Wiener musterhaft gewetteifert haben, und die darauf folgende Kriegssteuer, die, bey den Be- amten, das Viertel ihrer Besoldungen wegnahm, schmälerte ihrerseits die Einkünfte -- kein Wun- der also, wenn sich die Ehen seit dieser Zeit, besonders unter den Staatsbeamten, vermin- derten, die ohnehin in jedem Lande, wenn sie ehrlich seyn wollen, am schlechtesten bedacht, und doch, nach dem eingeführten Ton, einen gewissen Anstand in ihren Umgebungen zu be- obachten gezwungen sind. Sonach kann ein junger Mann, der bloß von seinem Amte le- ben muß, kaum ans Heirathen denken, weil es unmöglich ist, eine Familie auf einem nur leidlich anständigen Fuße, unter funfzehn hun- dert bis drey tausend Gulden zu erhalten. Ich kenne hier manches wohlhabende Haus, dessen wohlgezogene, hübsche, unbescholtene und ge- bildete Töchter deshalb in Gefahr sind, unver- sorgt zu bleiben. Alle übrige Ursachen, die in
zu der ſteigenden Theure. Die freywilligen Beytraͤge zu den Kriegskoſten, worin die treuen Wiener muſterhaft gewetteifert haben, und die darauf folgende Kriegsſteuer, die, bey den Be- amten, das Viertel ihrer Beſoldungen wegnahm, ſchmaͤlerte ihrerſeits die Einkuͤnfte — kein Wun- der alſo, wenn ſich die Ehen ſeit dieſer Zeit, beſonders unter den Staatsbeamten, vermin- derten, die ohnehin in jedem Lande, wenn ſie ehrlich ſeyn wollen, am ſchlechteſten bedacht, und doch, nach dem eingefuͤhrten Ton, einen gewiſſen Anſtand in ihren Umgebungen zu be- obachten gezwungen ſind. Sonach kann ein junger Mann, der bloß von ſeinem Amte le- ben muß, kaum ans Heirathen denken, weil es unmoͤglich iſt, eine Familie auf einem nur leidlich anſtaͤndigen Fuße, unter funfzehn hun- dert bis drey tauſend Gulden zu erhalten. Ich kenne hier manches wohlhabende Haus, deſſen wohlgezogene, huͤbſche, unbeſcholtene und ge- bildete Toͤchter deshalb in Gefahr ſind, unver- ſorgt zu bleiben. Alle uͤbrige Urſachen, die in
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zu der ſteigenden Theure. Die freywilligen
Beytraͤge zu den Kriegskoſten, worin die treuen
Wiener muſterhaft gewetteifert haben, und die
darauf folgende Kriegsſteuer, die, bey den Be-
amten, das Viertel ihrer Beſoldungen wegnahm,
ſchmaͤlerte ihrerſeits die Einkuͤnfte — kein Wun-
der alſo, wenn ſich die Ehen ſeit dieſer Zeit,
beſonders unter den Staatsbeamten, vermin-
derten, die ohnehin in jedem Lande, wenn ſie
ehrlich ſeyn wollen, am ſchlechteſten bedacht,
und doch, nach dem eingefuͤhrten Ton, einen
gewiſſen Anſtand in ihren Umgebungen zu be-
obachten gezwungen ſind. Sonach kann ein
junger Mann, der bloß von ſeinem Amte le-
ben muß, kaum ans Heirathen denken, weil
es unmoͤglich iſt, eine Familie auf einem nur
leidlich anſtaͤndigen Fuße, unter funfzehn hun-
dert bis drey tauſend Gulden zu erhalten. Ich
kenne hier manches wohlhabende Haus, deſſen
wohlgezogene, huͤbſche, unbeſcholtene und ge-
bildete Toͤchter deshalb in Gefahr ſind, unver-
ſorgt zu bleiben. Alle uͤbrige Urſachen, die in
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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise03_1795/441>, abgerufen am 23.11.2024.
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