Wein- oder Bierkeller, wie sonst; aber er leg nichts mehr zurück, und giebt seinen Töchtern keine Ausstattungen von zehn, funfzehn und zwanzig tausend Gulden mehr. Die höhern, reichlich besoldeten Staatsbeamten, die übrig hatten, haben so eben genug; die eben genug hatten, haben zu wenig, und müssen mit Pflicht und Gewissen wuchern. Die großen Häuser, die sonst die Einkünfte von ihren Gü- tern nicht halb verzehrten, brauchen sie ganz, brauchen oft noch weit mehr, machen Schulden, zerstücken ihre Güter, fallen Wucherern in die Hände und sagen Krida an. Majoratsherren häufen, wenn sie einen geitzigen, oder auch einen wirthschaftlichen Vater oder Vormund haben, während ihrer Minderjährigkeit, Schulden auf Schulden, und bekommen für die Millionen, die sie beym Antritt ihrer Güter zahlen müs- sen, oft nur Hunderttausende. Als der jetzige Fürst N. E**, kurz vor dem Tode seines Vaters, wegen dritthalb Millionen Schulden zum Verschwender erklärt wurde, fand es sich,
Wein- oder Bierkeller, wie ſonſt; aber er leg nichts mehr zuruͤck, und giebt ſeinen Toͤchtern keine Ausſtattungen von zehn, funfzehn und zwanzig tauſend Gulden mehr. Die hoͤhern, reichlich beſoldeten Staatsbeamten, die uͤbrig hatten, haben ſo eben genug; die eben genug hatten, haben zu wenig, und muͤſſen mit Pflicht und Gewiſſen wuchern. Die großen Haͤuſer, die ſonſt die Einkuͤnfte von ihren Guͤ- tern nicht halb verzehrten, brauchen ſie ganz, brauchen oft noch weit mehr, machen Schulden, zerſtuͤcken ihre Guͤter, fallen Wucherern in die Haͤnde und ſagen Krida an. Majoratsherren haͤufen, wenn ſie einen geitzigen, oder auch einen wirthſchaftlichen Vater oder Vormund haben, waͤhrend ihrer Minderjaͤhrigkeit, Schulden auf Schulden, und bekommen fuͤr die Millionen, die ſie beym Antritt ihrer Guͤter zahlen muͤſ- ſen, oft nur Hunderttauſende. Als der jetzige Fuͤrſt N. E**, kurz vor dem Tode ſeines Vaters, wegen dritthalb Millionen Schulden zum Verſchwender erklaͤrt wurde, fand es ſich,
<TEI><text><body><div><floatingText><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0446"n="174"/>
Wein- oder Bierkeller, wie ſonſt; aber er leg<lb/>
nichts mehr zuruͤck, und giebt ſeinen Toͤchtern<lb/>
keine Ausſtattungen von zehn, funfzehn und<lb/>
zwanzig tauſend Gulden mehr. Die hoͤhern,<lb/>
reichlich beſoldeten Staatsbeamten, die uͤbrig<lb/>
hatten, haben ſo eben genug; die eben genug<lb/>
hatten, haben zu wenig, und muͤſſen mit<lb/>
Pflicht und Gewiſſen wuchern. Die großen<lb/>
Haͤuſer, die ſonſt die Einkuͤnfte von ihren Guͤ-<lb/>
tern nicht halb verzehrten, brauchen ſie ganz,<lb/>
brauchen oft noch weit mehr, machen Schulden,<lb/>
zerſtuͤcken ihre Guͤter, fallen Wucherern in die<lb/>
Haͤnde und ſagen <hirendition="#g">Krida</hi> an. Majoratsherren<lb/>
haͤufen, wenn ſie einen geitzigen, oder auch einen<lb/>
wirthſchaftlichen Vater oder Vormund haben,<lb/>
waͤhrend ihrer Minderjaͤhrigkeit, Schulden auf<lb/>
Schulden, und bekommen fuͤr die Millionen,<lb/>
die ſie beym Antritt ihrer Guͤter zahlen muͤſ-<lb/>ſen, oft nur Hunderttauſende. Als der jetzige<lb/>
Fuͤrſt N. E**, kurz vor dem Tode ſeines<lb/>
Vaters, wegen dritthalb Millionen Schulden<lb/>
zum Verſchwender erklaͤrt wurde, fand es ſich,<lb/></p></div></body></floatingText></div></body></text></TEI>
[174/0446]
Wein- oder Bierkeller, wie ſonſt; aber er leg
nichts mehr zuruͤck, und giebt ſeinen Toͤchtern
keine Ausſtattungen von zehn, funfzehn und
zwanzig tauſend Gulden mehr. Die hoͤhern,
reichlich beſoldeten Staatsbeamten, die uͤbrig
hatten, haben ſo eben genug; die eben genug
hatten, haben zu wenig, und muͤſſen mit
Pflicht und Gewiſſen wuchern. Die großen
Haͤuſer, die ſonſt die Einkuͤnfte von ihren Guͤ-
tern nicht halb verzehrten, brauchen ſie ganz,
brauchen oft noch weit mehr, machen Schulden,
zerſtuͤcken ihre Guͤter, fallen Wucherern in die
Haͤnde und ſagen Krida an. Majoratsherren
haͤufen, wenn ſie einen geitzigen, oder auch einen
wirthſchaftlichen Vater oder Vormund haben,
waͤhrend ihrer Minderjaͤhrigkeit, Schulden auf
Schulden, und bekommen fuͤr die Millionen,
die ſie beym Antritt ihrer Guͤter zahlen muͤſ-
ſen, oft nur Hunderttauſende. Als der jetzige
Fuͤrſt N. E**, kurz vor dem Tode ſeines
Vaters, wegen dritthalb Millionen Schulden
zum Verſchwender erklaͤrt wurde, fand es ſich,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise03_1795/446>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.