und schließe damit den Umriß ihres Wohnor- tes, ihrer Sitten, ihrer Lebensart und ihres Charakters.
Oben habe ich beyläufig bemerkt, daß die Verschiedenheit der Stände, wegen der Gleich- heit in der Kleidung, im öffentlichen gesellschaft- lichen Verkehr nicht mehr so auffallend ist; im Privatverkehr aber wird sie, besonders von den höhern Ständen, immer noch sorgfältig genug beobachtet. In ihre Zirkel kömmt nie- mand, den nicht Rang und Geburt dazu be- rechtigen, und die Häuser sind immer noch selten genug, die hierin bey verdienstvollen Ge- lehrten und Künstlern eine Ausnahme machen. Man erinnere sich hier der vorhin erwähnten Art, wie die Großen an den Vergnügungen im Prater Theil nehmen.
Aber jener Mittelstand, dessen ich oben ge- dacht habe, hat seinen Kreis im gesellschaftli- chen Leben sehr erweitert. Wer einen Frack trägt, der ihm das beschrieene "Herr von" zusichert, lebt ohne Anstoß in diesem Kreise;
und ſchließe damit den Umriß ihres Wohnor- tes, ihrer Sitten, ihrer Lebensart und ihres Charakters.
Oben habe ich beylaͤufig bemerkt, daß die Verſchiedenheit der Staͤnde, wegen der Gleich- heit in der Kleidung, im oͤffentlichen geſellſchaft- lichen Verkehr nicht mehr ſo auffallend iſt; im Privatverkehr aber wird ſie, beſonders von den hoͤhern Staͤnden, immer noch ſorgfaͤltig genug beobachtet. In ihre Zirkel koͤmmt nie- mand, den nicht Rang und Geburt dazu be- rechtigen, und die Haͤuſer ſind immer noch ſelten genug, die hierin bey verdienſtvollen Ge- lehrten und Kuͤnſtlern eine Ausnahme machen. Man erinnere ſich hier der vorhin erwaͤhnten Art, wie die Großen an den Vergnuͤgungen im Prater Theil nehmen.
Aber jener Mittelſtand, deſſen ich oben ge- dacht habe, hat ſeinen Kreis im geſellſchaftli- chen Leben ſehr erweitert. Wer einen Frack traͤgt, der ihm das beſchrieene „Herr von“ zuſichert, lebt ohne Anſtoß in dieſem Kreiſe;
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[230/0502]
und ſchließe damit den Umriß ihres Wohnor-
tes, ihrer Sitten, ihrer Lebensart und ihres
Charakters.
Oben habe ich beylaͤufig bemerkt, daß die
Verſchiedenheit der Staͤnde, wegen der Gleich-
heit in der Kleidung, im oͤffentlichen geſellſchaft-
lichen Verkehr nicht mehr ſo auffallend iſt;
im Privatverkehr aber wird ſie, beſonders von
den hoͤhern Staͤnden, immer noch ſorgfaͤltig
genug beobachtet. In ihre Zirkel koͤmmt nie-
mand, den nicht Rang und Geburt dazu be-
rechtigen, und die Haͤuſer ſind immer noch
ſelten genug, die hierin bey verdienſtvollen Ge-
lehrten und Kuͤnſtlern eine Ausnahme machen.
Man erinnere ſich hier der vorhin erwaͤhnten
Art, wie die Großen an den Vergnuͤgungen
im Prater Theil nehmen.
Aber jener Mittelſtand, deſſen ich oben ge-
dacht habe, hat ſeinen Kreis im geſellſchaftli-
chen Leben ſehr erweitert. Wer einen Frack
traͤgt, der ihm das beſchrieene „Herr von“
zuſichert, lebt ohne Anſtoß in dieſem Kreiſe;
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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise03_1795/502>, abgerufen am 22.11.2024.
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