Städtchen vor Alters beträchtlicher war. In- wendig ist es eng, unsauber und still. Die Häuser sind zwar von Stein, aber unansehn- lich, mit kleinen klosterartigen Fenstern, und abscheulich vernachläßigten schwarzen Schindel- dächern versehen.
Von Lienz aus fuhr ich gerade zwischen die vorhin erwähnten rauhen Alpen hinein, und fand die Drau abermals mir entgegenkommend. Zur Rechten sind die Berge niedriger, größe- stentheils angebauet und hier und da mit gan- zen Reihen von Bauerhäusern besetzt, während man auf der linken Seite nichts, als Stein- ströme und herabgeschossene, ungeheure Kalk- wacken, erblickt, die den Strom eindämmen zu wollen scheinen. Der Weg, der durch diese doppelte Burgreihe führt, ist ganz eben und fest wie eine Diele. Er läuft an dem linken Ufer der Drau oft sehr nahe hin, kein Ge- länder schließt ihn ein, und er drohet stellen- weise, in den Strom hinabzuschießen, wäh- rend dieser sich an den Felsenstücken, die in
Staͤdtchen vor Alters betraͤchtlicher war. In- wendig iſt es eng, unſauber und ſtill. Die Haͤuſer ſind zwar von Stein, aber unanſehn- lich, mit kleinen kloſterartigen Fenſtern, und abſcheulich vernachlaͤßigten ſchwarzen Schindel- daͤchern verſehen.
Von Lienz aus fuhr ich gerade zwiſchen die vorhin erwaͤhnten rauhen Alpen hinein, und fand die Drau abermals mir entgegenkommend. Zur Rechten ſind die Berge niedriger, groͤße- ſtentheils angebauet und hier und da mit gan- zen Reihen von Bauerhaͤuſern beſetzt, waͤhrend man auf der linken Seite nichts, als Stein- ſtroͤme und herabgeſchoſſene, ungeheure Kalk- wacken, erblickt, die den Strom eindaͤmmen zu wollen ſcheinen. Der Weg, der durch dieſe doppelte Burgreihe fuͤhrt, iſt ganz eben und feſt wie eine Diele. Er laͤuft an dem linken Ufer der Drau oft ſehr nahe hin, kein Ge- laͤnder ſchließt ihn ein, und er drohet ſtellen- weiſe, in den Strom hinabzuſchießen, waͤh- rend dieſer ſich an den Felſenſtuͤcken, die in
<TEI><text><body><div><floatingText><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0554"n="282"/>
Staͤdtchen vor Alters betraͤchtlicher war. In-<lb/>
wendig iſt es eng, unſauber und ſtill. Die<lb/>
Haͤuſer ſind zwar von Stein, aber unanſehn-<lb/>
lich, mit kleinen kloſterartigen Fenſtern, und<lb/>
abſcheulich vernachlaͤßigten ſchwarzen Schindel-<lb/>
daͤchern verſehen.</p><lb/><p>Von Lienz aus fuhr ich gerade zwiſchen die<lb/>
vorhin erwaͤhnten rauhen Alpen hinein, und<lb/>
fand die Drau abermals mir entgegenkommend.<lb/>
Zur Rechten ſind die Berge niedriger, groͤße-<lb/>ſtentheils angebauet und hier und da mit gan-<lb/>
zen Reihen von Bauerhaͤuſern beſetzt, waͤhrend<lb/>
man auf der linken Seite nichts, als Stein-<lb/>ſtroͤme und herabgeſchoſſene, ungeheure Kalk-<lb/>
wacken, erblickt, die den Strom eindaͤmmen<lb/>
zu wollen ſcheinen. Der Weg, der durch dieſe<lb/>
doppelte Burgreihe fuͤhrt, iſt ganz eben und<lb/>
feſt wie eine Diele. Er laͤuft an dem linken<lb/>
Ufer der Drau oft ſehr nahe hin, kein Ge-<lb/>
laͤnder ſchließt ihn ein, und er drohet ſtellen-<lb/>
weiſe, in den Strom hinabzuſchießen, waͤh-<lb/>
rend dieſer ſich an den Felſenſtuͤcken, die in<lb/></p></div></body></floatingText></div></body></text></TEI>
[282/0554]
Staͤdtchen vor Alters betraͤchtlicher war. In-
wendig iſt es eng, unſauber und ſtill. Die
Haͤuſer ſind zwar von Stein, aber unanſehn-
lich, mit kleinen kloſterartigen Fenſtern, und
abſcheulich vernachlaͤßigten ſchwarzen Schindel-
daͤchern verſehen.
Von Lienz aus fuhr ich gerade zwiſchen die
vorhin erwaͤhnten rauhen Alpen hinein, und
fand die Drau abermals mir entgegenkommend.
Zur Rechten ſind die Berge niedriger, groͤße-
ſtentheils angebauet und hier und da mit gan-
zen Reihen von Bauerhaͤuſern beſetzt, waͤhrend
man auf der linken Seite nichts, als Stein-
ſtroͤme und herabgeſchoſſene, ungeheure Kalk-
wacken, erblickt, die den Strom eindaͤmmen
zu wollen ſcheinen. Der Weg, der durch dieſe
doppelte Burgreihe fuͤhrt, iſt ganz eben und
feſt wie eine Diele. Er laͤuft an dem linken
Ufer der Drau oft ſehr nahe hin, kein Ge-
laͤnder ſchließt ihn ein, und er drohet ſtellen-
weiſe, in den Strom hinabzuſchießen, waͤh-
rend dieſer ſich an den Felſenſtuͤcken, die in
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise03_1795/554>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.