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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795.

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welches der hiesige Brunnen nicht wirkt, be-
fallen würde. Die Brunnenärzte haben, in
der Behandlung solcher Krankheiten, die hier
nicht gewöhnlich vorkommen, geringe Erfah-
rung, und benehmen sich dabey -- sehr furcht-
sam wenigstens. Auch pflegen sie aus Politik
(was in diesem Falle ein Glück ist) solchen
Kranken zur Entfernung zu rathen, damit sie
nicht etwa in Karlsbad sterben und dessen
Quellen einen übeln Ruf zuziehen mögen.

Da die Genossen unseres Zeitalters, männ-
lichen und weiblichen Geschlechts, Jüngere
wie Aeltere, vorzüglich am Stillesitzen, an der
Anstrengung und Schonung des Kopfes, an
den Arbeiten der Phantasie, des Stickrahms,
der Eitelkeit, oder mithin auch am Schnüren
und an engen Beinkleidern, ferner an Romanen-
und Zeitungsleserey, am Büchermachen, am
Trinken schlechter und schwerer Weine, an
der Naschsucht, an der platonischen oder nicht
platonischen Liebe, und an der Mode- und
Genußjägerey leiden: so kann man, nach den

welches der hieſige Brunnen nicht wirkt, be-
fallen wuͤrde. Die Brunnenaͤrzte haben, in
der Behandlung ſolcher Krankheiten, die hier
nicht gewoͤhnlich vorkommen, geringe Erfah-
rung, und benehmen ſich dabey — ſehr furcht-
ſam wenigſtens. Auch pflegen ſie aus Politik
(was in dieſem Falle ein Gluͤck iſt) ſolchen
Kranken zur Entfernung zu rathen, damit ſie
nicht etwa in Karlsbad ſterben und deſſen
Quellen einen uͤbeln Ruf zuziehen moͤgen.

Da die Genoſſen unſeres Zeitalters, maͤnn-
lichen und weiblichen Geſchlechts, Juͤngere
wie Aeltere, vorzuͤglich am Stilleſitzen, an der
Anſtrengung und Schonung des Kopfes, an
den Arbeiten der Phantaſie, des Stickrahms,
der Eitelkeit, oder mithin auch am Schnuͤren
und an engen Beinkleidern, ferner an Romanen-
und Zeitungsleſerey, am Buͤchermachen, am
Trinken ſchlechter und ſchwerer Weine, an
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Genußjaͤgerey leiden: ſo kann man, nach den

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[74/0082] welches der hieſige Brunnen nicht wirkt, be- fallen wuͤrde. Die Brunnenaͤrzte haben, in der Behandlung ſolcher Krankheiten, die hier nicht gewoͤhnlich vorkommen, geringe Erfah- rung, und benehmen ſich dabey — ſehr furcht- ſam wenigſtens. Auch pflegen ſie aus Politik (was in dieſem Falle ein Gluͤck iſt) ſolchen Kranken zur Entfernung zu rathen, damit ſie nicht etwa in Karlsbad ſterben und deſſen Quellen einen uͤbeln Ruf zuziehen moͤgen. Da die Genoſſen unſeres Zeitalters, maͤnn- lichen und weiblichen Geſchlechts, Juͤngere wie Aeltere, vorzuͤglich am Stilleſitzen, an der Anſtrengung und Schonung des Kopfes, an den Arbeiten der Phantaſie, des Stickrahms, der Eitelkeit, oder mithin auch am Schnuͤren und an engen Beinkleidern, ferner an Romanen- und Zeitungsleſerey, am Buͤchermachen, am Trinken ſchlechter und ſchwerer Weine, an der Naſchſucht, an der platoniſchen oder nicht platoniſchen Liebe, und an der Mode- und Genußjaͤgerey leiden: ſo kann man, nach den

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise03_1795/82>, abgerufen am 21.11.2024.