Schulze, Wilhelm: Gedächtnisrede auf Heinrich Zimmer. Berlin, 1911.
<TEI> <text> <body> <div> <pb facs="#f0019" n="19"/> <p><lb/> Gedächtnisrede auf Heinrich Zimmer. 17</p> <p><lb/> katholischer Weltpolitik wirksam beleuchtet (Preußische Jahrbücher Bd.<lb/> 92/93, 1898. 99, 1900. Randglossen eines Keltisten zum Schulstreik in<lb/> Posen-Westpreußen und zur Ostmarkenfrage 1907).<lb/> Früh hatte er begriffen, daß auch das philologische Verständnis alt-<lb/> und mittelirischer Literaturdenkmäler ohne persönliche Vertrautheit mit<lb/> der Geschichte des irischen Christentums, seiner Theologie und kirch-<lb/> lichen Institutionen nicht wohl zu erreichen sei, und daraus in seiner reso-<lb/> luten, die eigene Arbeit allen Forderungen des neuen Stoffes schnell an-<lb/> passenden Art sofort die praktischen Konsequenzen gezogen durch die Aus-<lb/> dehnung seiner Studien auf kirchenhistorisches Gebiet (Keltische Studien<lb/> 1,7. 24. Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung 32, 187. Sitzungs-<lb/> berichte der Berliner Akademie 1909, 399). Wie vortrefflich er die unver-<lb/> drossen betriebene Lektüre der Acta Sanctorum für alle Seiten seiner viel-<lb/> seitigen Forschung zu nützen verstand, lernt man vielleicht am besten<lb/> aus der eingehenden Besprechung, die er in den Göttingischen Gelehrten<lb/> Anzeigen 1891, 153 einer unzulänglichen Ausgabe lateinischer Heiligenleben<lb/> irischen Ursprungs gewidmet hat. Die Gestalt des heiligen Patrick, dessen<lb/> von wuchernder Legendenbildung umsponnenes Bild die geschichtlichen<lb/> Anfänge des irischen Christentums mehr zu verdunkeln als aufzuhellen<lb/> scheint, hat Zimmers Arbeit zu wiederholten Malen intensiv beschäftigt<lb/> (Zeitschrift für Deutsches Altertum 35, 55. Nennius vindicatus 146. 208).<lb/> Eine kritische Prüfung der Überlieferung führte ihn zu dem die traditio-<lb/> nelle Auffassung umstürzenden Ergebnis, daß die den Heiligen mit der<lb/> Gloriole des Irenapostels schmückende Legende aus unbeabsichtigter Kon-<lb/> fusion und bewußter Fälschung -— im Interesse des erzbischöflichen Stuhles<lb/> von Armagh und zur Beglaubigung seiner Ansprüche auf den Primat Ir-<lb/> lands — entstanden sei. An lebhaftem Widerspruch gegen diese kühne These<lb/> hat es freilich nicht gefehlt. Doch als die Redaktion der ‘Realenzyklopädie<lb/> für protestantische Theologie’ eine knappe historische Darstellung der ‘Kel-<lb/> tischen Kirche in Britannien und Irland’ brauchte, fiel die Aufgabe ganz<lb/> von selbst an Zimmer, der schon für den 2. Band die keltischen Bibel-<lb/> übersetzungen behandelt hatte, nicht an einen zünftigen Kirchenhistoriker<lb/> (Bd. 10, 204 dritter Auflage). Die Ausführung der im Frühjahr 1899 über-<lb/> nommenen Arbeit veranlaßte ihn zur Wiederaufnahme älterer Studien über<lb/> den Pelagiuskommentar zu den Paulinischen Briefen und seine Schicksale<lb/> in Irland, deren Anfänge bis in die Zeit der Vorbereitung der Glossae<lb/> Phil.-hist. Klasse. 1911. Gedächtnisr. I. 3</p> </div> </body> </text> </TEI> [19/0019]
Gedächtnisrede auf Heinrich Zimmer. 17
katholischer Weltpolitik wirksam beleuchtet (Preußische Jahrbücher Bd.
92/93, 1898. 99, 1900. Randglossen eines Keltisten zum Schulstreik in
Posen-Westpreußen und zur Ostmarkenfrage 1907).
Früh hatte er begriffen, daß auch das philologische Verständnis alt-
und mittelirischer Literaturdenkmäler ohne persönliche Vertrautheit mit
der Geschichte des irischen Christentums, seiner Theologie und kirch-
lichen Institutionen nicht wohl zu erreichen sei, und daraus in seiner reso-
luten, die eigene Arbeit allen Forderungen des neuen Stoffes schnell an-
passenden Art sofort die praktischen Konsequenzen gezogen durch die Aus-
dehnung seiner Studien auf kirchenhistorisches Gebiet (Keltische Studien
1,7. 24. Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung 32, 187. Sitzungs-
berichte der Berliner Akademie 1909, 399). Wie vortrefflich er die unver-
drossen betriebene Lektüre der Acta Sanctorum für alle Seiten seiner viel-
seitigen Forschung zu nützen verstand, lernt man vielleicht am besten
aus der eingehenden Besprechung, die er in den Göttingischen Gelehrten
Anzeigen 1891, 153 einer unzulänglichen Ausgabe lateinischer Heiligenleben
irischen Ursprungs gewidmet hat. Die Gestalt des heiligen Patrick, dessen
von wuchernder Legendenbildung umsponnenes Bild die geschichtlichen
Anfänge des irischen Christentums mehr zu verdunkeln als aufzuhellen
scheint, hat Zimmers Arbeit zu wiederholten Malen intensiv beschäftigt
(Zeitschrift für Deutsches Altertum 35, 55. Nennius vindicatus 146. 208).
Eine kritische Prüfung der Überlieferung führte ihn zu dem die traditio-
nelle Auffassung umstürzenden Ergebnis, daß die den Heiligen mit der
Gloriole des Irenapostels schmückende Legende aus unbeabsichtigter Kon-
fusion und bewußter Fälschung -— im Interesse des erzbischöflichen Stuhles
von Armagh und zur Beglaubigung seiner Ansprüche auf den Primat Ir-
lands — entstanden sei. An lebhaftem Widerspruch gegen diese kühne These
hat es freilich nicht gefehlt. Doch als die Redaktion der ‘Realenzyklopädie
für protestantische Theologie’ eine knappe historische Darstellung der ‘Kel-
tischen Kirche in Britannien und Irland’ brauchte, fiel die Aufgabe ganz
von selbst an Zimmer, der schon für den 2. Band die keltischen Bibel-
übersetzungen behandelt hatte, nicht an einen zünftigen Kirchenhistoriker
(Bd. 10, 204 dritter Auflage). Die Ausführung der im Frühjahr 1899 über-
nommenen Arbeit veranlaßte ihn zur Wiederaufnahme älterer Studien über
den Pelagiuskommentar zu den Paulinischen Briefen und seine Schicksale
in Irland, deren Anfänge bis in die Zeit der Vorbereitung der Glossae
Phil.-hist. Klasse. 1911. Gedächtnisr. I. 3
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