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Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

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Lucidor.
ich gönne dir alles gutes/ allein du bist noch zu jung/ du bist noch nit
capabel und geschickt zu reisen. Die junge Mauß aber habe ihrer al-
ten Mutter so lange angelegen/ und sie mit freundlichen Worten da-
hin beweget/ daß sie endlich darein gewilliget. Habe ihr demnach al-
lerhand gute Lehren gegeben/ wie sie sich in der Welt verhalten solle/
und hab ihr damit Glück auff den Weg gewünschet. Als nun die junge
Mauß sich auff die Reise begeben sey sie den ersten Abend kommen in
eines vornehmen Edelmannes Küche. Der Koch aber sey ein unacht-
samer Kärl gewesen/ habe sie bald dieses bald jenes fressen lassen. Es
sey aber in der Küchen gewesen ein Hahn und eine Katze. Der Hahn
habe die Flügel geschwenget/ und hefftig angefangen zu schreyen.
Darüber sey das junge Mäußlein erschrocken/ daß ihr das Hertz im
Leibe gezittert/ und gebebet habe. Und als sie in dieser Angst gewesen/
und vermeynet/ jetzo werde sie der Hahn aufffressen/ und mit Haut
und Haar verschlingen/ da habe sie die Katze angesehen/ welche geses-
sen/ und mit ihren Pfoten das Maul gestrichen/ sich geputzet/ und mit
der Zungen umb sich gelecket habe/ als wann alles umb ihr Maul her
lauter Canarien Zucker sey. Da habe das junge Mäußlein oft gedacht/
sie wolle sich zu diesem lieblichen und holdseligen Thierlein gesellen/
und bey ihm Freundschafft/ Hülff und assistentz wider den Tyranni-
schen Hahn suchen. Allein sie habe sich erinnert der vielfältigen Leh-
ren/ welche ihr ihre Mutter/ die alte Mauß gegeben hatte/ als sie ab-
schied von ihr genommen/ und habe sich demnach in ein Loch verkro-
chen/ biß der Koch zu Bette gangen/ und alles in der Küchen still wor-
den sey. Da sey sie wider zurucke gelauffen zu ihrer Mutter/ und habe
erzehlet/ wie es ihr in der ersten Herberge ergangen/ habe gewaltig
geklaget über den bösen Hahn/ wie grosse Gefahr sie bey demselbigen
außgestanden/ wie er den Hals auffgesperret/ und sie jetzt verschlingen
wollen. Und sie könne wol von grossem Glück sagen/ daß sie seinem
auffgesperreten rachen entrunnen sey Allein sie könne nicht gnug-
sam rühmen/ die grosse Höfligkeit und Bescheidenheit des edlen
Kätzleins/ dsey da gesessen/ hab nit eine böse mine gemacht/ sondern
habe sich so freundlich angestellet/ daß ihr gantzes Hertz im Leibe ge-
gen sie entzündet worden sey/ und habe immer gedacht: O du liebes
Schwesterlein/ wie glückselig wolt ich mich achten/ wenn ich mit dir
durch die Welt wandern dürffte: Wir beyde wolten zusammen hal-
ten/ und wann uns ein solcher Tyrannischer Hahn begegnete/ wolten
wir mit einander Leib und Leben wagen/ und ihm mit gesampter Hand
und Kräfften widerstehen. Es solte uns ein Hahn begegnen/ ich mey-
ne wir wolten ihm Füsse machen/ wann ich nur mit dir/ O alleredle-
stes und liebreiches Kätzlein/ in Freundschafft stünde! Die alte Mauß
habe diese thörichte Rede ihrer unerfahrnen Tochter angehöret/ und
gesaget: Meine liebe Tochter/ ich höre dz du meine Lehre/ die ich dir bey

deinem
T ij

Lucidor.
ich goͤnne dir alles gutes/ allein du biſt noch zu jung/ du biſt noch nit
capabel und geſchickt zu reiſen. Die junge Mauß aber habe ihrer al-
ten Mutter ſo lange angelegen/ und ſie mit freundlichen Worten da-
hin beweget/ daß ſie endlich darein gewilliget. Habe ihr demnach al-
lerhand gute Lehren gegeben/ wie ſie ſich in der Welt verhalten ſolle/
und hab ihr damit Gluͤck auff den Weg gewuͤnſchet. Als nun die junge
Mauß ſich auff die Reiſe begeben ſey ſie den erſten Abend kommen in
eines vornehmen Edelmannes Kuͤche. Der Koch aber ſey ein unacht-
ſamer Kaͤrl geweſen/ habe ſie bald dieſes bald jenes freſſen laſſen. Es
ſey aber in der Kuͤchen geweſen ein Hahn und eine Katze. Der Hahn
habe die Fluͤgel geſchwenget/ und hefftig angefangen zu ſchreyen.
Daruͤber ſey das junge Maͤußlein erſchrocken/ daß ihr das Hertz im
Leibe gezittert/ und gebebet habe. Und als ſie in dieſer Angſt geweſen/
und vermeynet/ jetzo werde ſie der Hahn aufffreſſen/ und mit Haut
und Haar verſchlingen/ da habe ſie die Katze angeſehen/ welche geſeſ-
ſen/ und mit ihren Pfoten das Maul geſtrichen/ ſich geputzet/ und mit
der Zungen umb ſich gelecket habe/ als wann alles umb ihr Maul her
lauter Canarien Zucker ſey. Da habe das junge Maͤußlein oft gedacht/
ſie wolle ſich zu dieſem lieblichen und holdſeligen Thierlein geſellen/
und bey ihm Freundſchafft/ Huͤlff und aſſiſtentz wider den Tyranni-
ſchen Hahn ſuchen. Allein ſie habe ſich erinnert der vielfaͤltigen Leh-
ren/ welche ihr ihre Mutter/ die alte Mauß gegeben hatte/ als ſie ab-
ſchied von ihr genommen/ und habe ſich demnach in ein Loch verkro-
chen/ biß der Koch zu Bette gangen/ und alles in der Kuͤchen ſtill wor-
den ſey. Da ſey ſie wider zurucke gelauffen zu ihrer Mutter/ und habe
erzehlet/ wie es ihr in der erſten Herberge ergangen/ habe gewaltig
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außgeſtanden/ wie er den Hals auffgeſperꝛet/ und ſie jetzt verſchlingen
wollen. Und ſie koͤnne wol von groſſem Gluͤck ſagen/ daß ſie ſeinem
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ſam ruͤhmen/ die groſſe Hoͤfligkeit und Beſcheidenheit des edlen
Kaͤtzleins/ dſey da geſeſſen/ hab nit eine boͤſe mine gemacht/ ſondern
habe ſich ſo freundlich angeſtellet/ daß ihr gantzes Hertz im Leibe ge-
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Schweſterlein/ wie gluͤckſelig wolt ich mich achten/ wenn ich mit dir
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ten/ und wann uns ein ſolcher Tyranniſcher Hahn begegnete/ wolten
wir mit einander Leib und Leben wagen/ und ihm mit geſampter Hand
und Kraͤfften widerſtehen. Es ſolte uns ein Hahn begegnen/ ich mey-
ne wir wolten ihm Fuͤſſe machen/ wann ich nur mit dir/ O alleredle-
ſtes und liebreiches Kaͤtzlein/ in Freundſchafft ſtuͤnde! Die alte Mauß
habe dieſe thoͤrichte Rede ihrer unerfahrnen Tochter angehoͤret/ und
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deinem
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[291/0333] Lucidor. ich goͤnne dir alles gutes/ allein du biſt noch zu jung/ du biſt noch nit capabel und geſchickt zu reiſen. Die junge Mauß aber habe ihrer al- ten Mutter ſo lange angelegen/ und ſie mit freundlichen Worten da- hin beweget/ daß ſie endlich darein gewilliget. Habe ihr demnach al- lerhand gute Lehren gegeben/ wie ſie ſich in der Welt verhalten ſolle/ und hab ihr damit Gluͤck auff den Weg gewuͤnſchet. Als nun die junge Mauß ſich auff die Reiſe begeben ſey ſie den erſten Abend kommen in eines vornehmen Edelmannes Kuͤche. Der Koch aber ſey ein unacht- ſamer Kaͤrl geweſen/ habe ſie bald dieſes bald jenes freſſen laſſen. Es ſey aber in der Kuͤchen geweſen ein Hahn und eine Katze. Der Hahn habe die Fluͤgel geſchwenget/ und hefftig angefangen zu ſchreyen. Daruͤber ſey das junge Maͤußlein erſchrocken/ daß ihr das Hertz im Leibe gezittert/ und gebebet habe. Und als ſie in dieſer Angſt geweſen/ und vermeynet/ jetzo werde ſie der Hahn aufffreſſen/ und mit Haut und Haar verſchlingen/ da habe ſie die Katze angeſehen/ welche geſeſ- ſen/ und mit ihren Pfoten das Maul geſtrichen/ ſich geputzet/ und mit der Zungen umb ſich gelecket habe/ als wann alles umb ihr Maul her lauter Canarien Zucker ſey. Da habe das junge Maͤußlein oft gedacht/ ſie wolle ſich zu dieſem lieblichen und holdſeligen Thierlein geſellen/ und bey ihm Freundſchafft/ Huͤlff und aſſiſtentz wider den Tyranni- ſchen Hahn ſuchen. Allein ſie habe ſich erinnert der vielfaͤltigen Leh- ren/ welche ihr ihre Mutter/ die alte Mauß gegeben hatte/ als ſie ab- ſchied von ihr genommen/ und habe ſich demnach in ein Loch verkro- chen/ biß der Koch zu Bette gangen/ und alles in der Kuͤchen ſtill wor- den ſey. Da ſey ſie wider zurucke gelauffen zu ihrer Mutter/ und habe erzehlet/ wie es ihr in der erſten Herberge ergangen/ habe gewaltig geklaget uͤber den boͤſen Hahn/ wie groſſe Gefahr ſie bey demſelbigen außgeſtanden/ wie er den Hals auffgeſperꝛet/ und ſie jetzt verſchlingen wollen. Und ſie koͤnne wol von groſſem Gluͤck ſagen/ daß ſie ſeinem auffgeſperꝛeten rachen entrunnen ſey Allein ſie koͤnne nicht gnug- ſam ruͤhmen/ die groſſe Hoͤfligkeit und Beſcheidenheit des edlen Kaͤtzleins/ dſey da geſeſſen/ hab nit eine boͤſe mine gemacht/ ſondern habe ſich ſo freundlich angeſtellet/ daß ihr gantzes Hertz im Leibe ge- gen ſie entzuͤndet worden ſey/ und habe immer gedacht: O du liebes Schweſterlein/ wie gluͤckſelig wolt ich mich achten/ wenn ich mit dir durch die Welt wandern duͤrffte: Wir beyde wolten zuſammen hal- ten/ und wann uns ein ſolcher Tyranniſcher Hahn begegnete/ wolten wir mit einander Leib und Leben wagen/ und ihm mit geſampter Hand und Kraͤfften widerſtehen. Es ſolte uns ein Hahn begegnen/ ich mey- ne wir wolten ihm Fuͤſſe machen/ wann ich nur mit dir/ O alleredle- ſtes und liebreiches Kaͤtzlein/ in Freundſchafft ſtuͤnde! Die alte Mauß habe dieſe thoͤrichte Rede ihrer unerfahrnen Tochter angehoͤret/ und geſaget: Meine liebe Tochter/ ich hoͤre dz du meine Lehre/ die ich dir bey deinem T ij

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Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/333>, abgerufen am 22.11.2024.