Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].Der rachgierige wesen/ da sey er gefragt worden was ihm doch beliebe zu essen? Ob erLust hab zu einem Grammetsvogel/ oder zu einem Bißlein von einem gebratenen Hasen? Oder zu einem Essen Gründeln oder Forellen! Da hab er geantwortet Nein/ sondern er hab kürtzlich einen Hauffen gottloser Procuratoren gesehen auff der Cantzeley/ die haben so ar- tig liegen und die Leut betriegen können/ wann er eine Pastete hätte von Procurator Zungen/ so wolt er sich recht damit erquicken. Zwar Rechts-Proceß auff Cantzleyen/ Rahthäusern und vor zugefüg-
Der rachgierige weſen/ da ſey er gefragt worden was ihm doch beliebe zu eſſen? Ob erLuſt hab zu einem Grammetsvogel/ oder zu einem Bißlein von einem gebratenen Haſen? Oder zu einem Eſſen Gruͤndeln oder Forellen! Da hab er geantwortet Nein/ ſondern er hab kuͤrtzlich einen Hauffen gottloſer Procuratoren geſehen auff der Cantzeley/ die haben ſo ar- tig liegen und die Leut betriegen koͤnnen/ wann er eine Paſtete haͤtte von Procurator Zungen/ ſo wolt er ſich recht damit erquicken. Zwar Rechts-Proceß auff Cantzleyen/ Rahthaͤuſern und vor zugefuͤg-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0348" n="306"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Der rachgierige</hi></fw><lb/> weſen/ da ſey er gefragt worden was ihm doch beliebe zu eſſen? Ob er<lb/> Luſt hab zu einem Grammetsvogel/ oder zu einem Bißlein von einem<lb/> gebratenen Haſen? Oder zu einem Eſſen Gruͤndeln oder Forellen!<lb/> Da hab er geantwortet Nein/ ſondern er hab kuͤrtzlich einen Hauffen<lb/> gottloſer <hi rendition="#aq">Procuratoren</hi> geſehen auff der Cantzeley/ die haben ſo ar-<lb/> tig liegen und die Leut betriegen koͤnnen/ wann er eine Paſtete haͤtte<lb/> von <hi rendition="#aq">Procurator</hi> Zungen/ ſo wolt er ſich recht damit erquicken.</p><lb/> <p>Zwar Rechts-<hi rendition="#aq">Proceß</hi> auff Cantzleyen/ Rahthaͤuſern und vor<lb/> andern Richter-Stuͤlen fuͤhren/ iſt von Gott nicht verboten. Chri-<lb/> ſtus ſelbſt/ als er vor dem geiſtlichen Gericht ſtund/ und eine Ohrfeige<lb/> bekam/ da hielt Er nicht den andern Backen alsbald auch dar/ und<lb/> ſagte/ gib mir noch eine. Sondern Er verantwortet ſich/ und ſagte/<lb/> hab ich uͤbel geredet/ ſo beweiſe es/ daß es boͤſe ſey; Hab ich aber recht<lb/> geredet/ was ſchlaͤgſt du mich? Joh. 18. Paulus goͤnnete den Juden al-<lb/> les gutes/ er hatte ſie hertzlich lieb/ er wuͤnſchet verbannet zu ſeyn von<lb/> Chriſto fuͤr ſeine Bruͤder/ die ſeine Gefreundte waren nach dem<lb/> Fleiſch/ Rom. 9/ 3. Gleichwol als er von ihnẽ verſolget und faͤlſchlich<lb/> verklaget wurde/ brauchte er ſich ordentlicher Rathsmittel. Da er ſol-<lb/> te geſtaͤupt und gegeiſſelt werden/ berieff er ſich auff ſeine <hi rendition="#aq">Privilegia,</hi><lb/> die er als ein Roͤmiſcher Buͤrger hatte/ Act. 22. Da er vor dem Land-<lb/> pfleger Feſto ſtund/ und die Juden von Jeruſalem viel und ſchwere<lb/> Klagen wider ihn vorbrachten/ welche ſie nicht kunten beweiſen/ da<lb/><hi rendition="#aq">appellirte</hi> er an den Kaͤyſer/ Act. 25. Aber liebſter <hi rendition="#aq">Lucidor,</hi> was<lb/> gehet nicht offt fuͤr Rachgier unter dem Schein deß Rechtens fuͤr?<lb/> Jch erinnere mich jetzo/ daß Abraham und Loth in eine <hi rendition="#aq">differentz</hi> ge-<lb/> rathen ſeyen/ da ſagte Abraham/ laß nicht Zanck ſeyn zwiſchen mir und<lb/> dir/ zwiſchen meinen und deinen Hirten. Denn wir ſind Gebruͤder.<lb/> Wilſtu zur Rechten/ ſo will ich zur Lincken/ wilſtu zur Lincken/ ſo will<lb/> ich zur Rechten. Sehet/ da gab der Alte dem Jungen nach. Ein groſſer<lb/> Lehrer wiche ſeinem Schuͤler. Abraham hatte den Loth ins Land ge-<lb/> bracht/ und haͤtte ihm befehlen koͤnnen/ wo er ſich hinſetzen ſolle. Allein<lb/> er ließ ihm die Wahl und ſagte: Wilſtu zur Rechten/ ſo will ich zur<lb/> Lincken. Und an dieſem ſanfftmuͤtigen und friedfertigen Abraham<lb/> machte Gott wahr/ was Chriſtus ſaget/ Matth. 5. Selig ſind die<lb/> Sanfftmuͤtigen/ denn ſie werden das Erdreich beſitzen. Seine Nach-<lb/> kommen bekamen das gantze Land Canaan/ und waren geſegnete Leu-<lb/> te/ da hergegen Loths Nachkommen ungluͤckſelige und verfluchte Leu-<lb/> te. Jch habe juͤngſt einen von eurer Parthey gehoͤrt/ der ſagte/ die<lb/> Pfaffen machen ein ſolch groß Weſen/ daß man ſich mit ſeinem Nech-<lb/> ſten vertragen ſolle. Allein ich ſehe gleichwol wenig Heiligen/ die<lb/> eine groſſe <hi rendition="#aq">Profeſſion</hi> von Vergebung und Verzeihung der ihnen<lb/> <fw place="bottom" type="catch">zugefuͤg-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [306/0348]
Der rachgierige
weſen/ da ſey er gefragt worden was ihm doch beliebe zu eſſen? Ob er
Luſt hab zu einem Grammetsvogel/ oder zu einem Bißlein von einem
gebratenen Haſen? Oder zu einem Eſſen Gruͤndeln oder Forellen!
Da hab er geantwortet Nein/ ſondern er hab kuͤrtzlich einen Hauffen
gottloſer Procuratoren geſehen auff der Cantzeley/ die haben ſo ar-
tig liegen und die Leut betriegen koͤnnen/ wann er eine Paſtete haͤtte
von Procurator Zungen/ ſo wolt er ſich recht damit erquicken.
Zwar Rechts-Proceß auff Cantzleyen/ Rahthaͤuſern und vor
andern Richter-Stuͤlen fuͤhren/ iſt von Gott nicht verboten. Chri-
ſtus ſelbſt/ als er vor dem geiſtlichen Gericht ſtund/ und eine Ohrfeige
bekam/ da hielt Er nicht den andern Backen alsbald auch dar/ und
ſagte/ gib mir noch eine. Sondern Er verantwortet ſich/ und ſagte/
hab ich uͤbel geredet/ ſo beweiſe es/ daß es boͤſe ſey; Hab ich aber recht
geredet/ was ſchlaͤgſt du mich? Joh. 18. Paulus goͤnnete den Juden al-
les gutes/ er hatte ſie hertzlich lieb/ er wuͤnſchet verbannet zu ſeyn von
Chriſto fuͤr ſeine Bruͤder/ die ſeine Gefreundte waren nach dem
Fleiſch/ Rom. 9/ 3. Gleichwol als er von ihnẽ verſolget und faͤlſchlich
verklaget wurde/ brauchte er ſich ordentlicher Rathsmittel. Da er ſol-
te geſtaͤupt und gegeiſſelt werden/ berieff er ſich auff ſeine Privilegia,
die er als ein Roͤmiſcher Buͤrger hatte/ Act. 22. Da er vor dem Land-
pfleger Feſto ſtund/ und die Juden von Jeruſalem viel und ſchwere
Klagen wider ihn vorbrachten/ welche ſie nicht kunten beweiſen/ da
appellirte er an den Kaͤyſer/ Act. 25. Aber liebſter Lucidor, was
gehet nicht offt fuͤr Rachgier unter dem Schein deß Rechtens fuͤr?
Jch erinnere mich jetzo/ daß Abraham und Loth in eine differentz ge-
rathen ſeyen/ da ſagte Abraham/ laß nicht Zanck ſeyn zwiſchen mir und
dir/ zwiſchen meinen und deinen Hirten. Denn wir ſind Gebruͤder.
Wilſtu zur Rechten/ ſo will ich zur Lincken/ wilſtu zur Lincken/ ſo will
ich zur Rechten. Sehet/ da gab der Alte dem Jungen nach. Ein groſſer
Lehrer wiche ſeinem Schuͤler. Abraham hatte den Loth ins Land ge-
bracht/ und haͤtte ihm befehlen koͤnnen/ wo er ſich hinſetzen ſolle. Allein
er ließ ihm die Wahl und ſagte: Wilſtu zur Rechten/ ſo will ich zur
Lincken. Und an dieſem ſanfftmuͤtigen und friedfertigen Abraham
machte Gott wahr/ was Chriſtus ſaget/ Matth. 5. Selig ſind die
Sanfftmuͤtigen/ denn ſie werden das Erdreich beſitzen. Seine Nach-
kommen bekamen das gantze Land Canaan/ und waren geſegnete Leu-
te/ da hergegen Loths Nachkommen ungluͤckſelige und verfluchte Leu-
te. Jch habe juͤngſt einen von eurer Parthey gehoͤrt/ der ſagte/ die
Pfaffen machen ein ſolch groß Weſen/ daß man ſich mit ſeinem Nech-
ſten vertragen ſolle. Allein ich ſehe gleichwol wenig Heiligen/ die
eine groſſe Profeſſion von Vergebung und Verzeihung der ihnen
zugefuͤg-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |