Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].Der rachgierige tziget haben. Und wer auß rachgierigem Hertzen also betet/ der hörewas David in eben diesem Psalm v. 7. sagt: Sein Gebet müsse Sün- de seyn. Jch höre auch/ es thue euch sonderlich wehe/ daß euch dieser Sachen halben viel Dings nachgeredet werde/ darin ihr unschuldig seyd/ und eben deßwegen wollet ihr/ daß die Sache via Juris geschlich- tet werde/ damit jederman euer Unschuld sehe/ in den Dingen/ die euch fälschlich seyn nachgeredet worden. Allein/ was fraget ihr nach ande- rer Leute plaudern/ wann ihr unschuldig seyd? Wann ich allen den Leuten/ welche mir hinter dem Rücken fälschlich nachreden/ wolte das Maul stopffen/ wo wolte ich Dreck oder Heu genug hernehmen? Kon- te auch die Unschuld Johannem den Täuffer und den Sohn Gottes selbst beschützen für den Lästerungen böser Leut? Wer war Johannes der Täuffer? Er war ein heiliger Mann: Er war der Vorläuffer und Wegbereiter deß Messiä; Er war ein Kleinod der Welt; Er war ein Prophet deß Jüdischen Landes/ ja mehr als ein Prophet; Er war ein treuer und eiferiger Bußprediger; Er war ein Engel deß HErrn; Er war der ander Elias; Er war in Mutterleib voll deß H. Geistes; Das Stadt- und Landvolck von Jerusalem/ auß Judäa und den Grentzen deß Jordans/ lieff häuffig zu ihm/ und ließ sich von ihm un- terweisen und tauffen; Er war in grossem Ansehen zu Jerusalem/ am Hofe Herodis und anderswo/ bey den Hohenpriestern/ Phariseern und Schrifftgelehrten/ bey den Zöllnern und Soldaten; Christus selbst ließ sich von ihm tauffen/ und waren viel die mehr von ihm hiel- ten als von Christo; Er führete ein eingezogen Leben; Er blieb für sich/ und machte sich ausserhalb seinem Ampt und Beruff mit nie- mand gemein; Er lebete sehr sparsam; Er stillete seinen Hunger mit Heuschrecken/ und wild Honig; Er leschete seinen Durst mit Wasser auß dem Jordan; Christus selbst gab ihm das Zeugnus/ daß kein grösser von Weibern geboren sey als er. Gleichwol wurde ihm von etzlichen nachgesagt/ er habe den Teuffel/ das ist/ er sey ein Zauberer und Hexenmeister. Christus aber war noch grösser als Johannes. Der gieng mit allerhand Leuten freundlich umb/ er aß und tranck nicht al- lein mit den falschen heuchlerischen Phariseern/ sondern auch mit den Zöllnern und andern beschreyten Sündern/ und suchte allerley occa- sion sie zu bessern. Allein da must er hören/ daß man ihm nachsagte/ er sey ein Fresser und Weinsäuffer/ der Zöllner und Sünder Gesell. Wolt ihr es besser haben als die zwey allervornehmste Männer/ die jemals auff Erden gangen haben? Es ist ein grosser Ruhm/ wann ein Mensch also lebet/ daß auch andere gezwungen werden ihn zu loben. Aber das ist auch eine grosse Kleinmütigkeit/ wann einer sich einbil- det/ er müsse nothwendig von andern Leuten gelobet werden. Gleich- wie der Mond/ der sein Liecht von der Sonnen entlehnet/ allezeit einer Verän-
Der rachgierige tziget haben. Und wer auß rachgierigem Hertzen alſo betet/ der hoͤrewas David in eben dieſem Pſalm v. 7. ſagt: Sein Gebet muͤſſe Suͤn- de ſeyn. Jch hoͤre auch/ es thue euch ſonderlich wehe/ daß euch dieſer Sachen halben viel Dings nachgeredet werde/ darin ihr unſchuldig ſeyd/ und eben deßwegen wollet ihr/ daß die Sache via Juris geſchlich- tet werde/ damit jederman euer Unſchuld ſehe/ in den Dingen/ die euch faͤlſchlich ſeyn nachgeredet worden. Allein/ was fraget ihr nach ande- rer Leute plaudern/ wann ihr unſchuldig ſeyd? Wann ich allen den Leuten/ welche mir hinter dem Ruͤcken faͤlſchlich nachreden/ wolte das Maul ſtopffen/ wo wolte ich Dreck oder Heu genug hernehmen? Kon- te auch die Unſchuld Johannem den Taͤuffer und den Sohn Gottes ſelbſt beſchuͤtzen fuͤr den Laͤſterungen boͤſer Leut? Wer war Johannes der Taͤuffer? Er war ein heiliger Mann: Er war der Vorlaͤuffer und Wegbereiter deß Meſſiaͤ; Er war ein Kleinod der Welt; Er war ein Prophet deß Juͤdiſchen Landes/ ja mehr als ein Prophet; Er war ein treuer und eiferiger Bußprediger; Er war ein Engel deß HErrn; Er war der ander Elias; Er war in Mutterleib voll deß H. Geiſtes; Das Stadt- und Landvolck von Jeruſalem/ auß Judaͤa und den Grentzen deß Jordans/ lieff haͤuffig zu ihm/ und ließ ſich von ihm un- terweiſen und tauffen; Er war in groſſem Anſehen zu Jeruſalem/ am Hofe Herodis und anderswo/ bey den Hohenprieſtern/ Phariſeern und Schrifftgelehrten/ bey den Zoͤllnern und Soldaten; Chriſtus ſelbſt ließ ſich von ihm tauffen/ und waren viel die mehr von ihm hiel- ten als von Chriſto; Er fuͤhrete ein eingezogen Leben; Er blieb fuͤr ſich/ und machte ſich auſſerhalb ſeinem Ampt und Beruff mit nie- mand gemein; Er lebete ſehr ſparſam; Er ſtillete ſeinen Hunger mit Heuſchrecken/ und wild Honig; Er leſchete ſeinen Durſt mit Waſſer auß dem Jordan; Chriſtus ſelbſt gab ihm das Zeugnus/ daß kein groͤſſer von Weibern geboren ſey als er. Gleichwol wurde ihm von etzlichen nachgeſagt/ er habe den Teuffel/ das iſt/ er ſey ein Zauberer und Hexenmeiſter. Chriſtus aber war noch groͤſſer als Johannes. Der gieng mit allerhand Leuten freundlich umb/ er aß und tranck nicht al- lein mit den falſchen heuchleriſchen Phariſeern/ ſondern auch mit den Zoͤllnern und andern beſchreyten Suͤndern/ und ſuchte allerley occa- ſion ſie zu beſſern. Allein da muſt er hoͤren/ daß man ihm nachſagte/ er ſey ein Freſſer und Weinſaͤuffer/ der Zoͤllner und Suͤnder Geſell. Wolt ihr es beſſer haben als die zwey allervornehmſte Maͤnner/ die jemals auff Erden gangen haben? Es iſt ein groſſer Ruhm/ wann ein Menſch alſo lebet/ daß auch andere gezwungen werden ihn zu loben. Aber das iſt auch eine groſſe Kleinmuͤtigkeit/ wann einer ſich einbil- det/ er muͤſſe nothwendig von andern Leuten gelobet werden. Gleich- wie der Mond/ der ſein Liecht von der Sonnen entlehnet/ allezeit einer Veraͤn-
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Der rachgierige
tziget haben. Und wer auß rachgierigem Hertzen alſo betet/ der hoͤre
was David in eben dieſem Pſalm v. 7. ſagt: Sein Gebet muͤſſe Suͤn-
de ſeyn. Jch hoͤre auch/ es thue euch ſonderlich wehe/ daß euch dieſer
Sachen halben viel Dings nachgeredet werde/ darin ihr unſchuldig
ſeyd/ und eben deßwegen wollet ihr/ daß die Sache via Juris geſchlich-
tet werde/ damit jederman euer Unſchuld ſehe/ in den Dingen/ die euch
faͤlſchlich ſeyn nachgeredet worden. Allein/ was fraget ihr nach ande-
rer Leute plaudern/ wann ihr unſchuldig ſeyd? Wann ich allen den
Leuten/ welche mir hinter dem Ruͤcken faͤlſchlich nachreden/ wolte das
Maul ſtopffen/ wo wolte ich Dreck oder Heu genug hernehmen? Kon-
te auch die Unſchuld Johannem den Taͤuffer und den Sohn Gottes
ſelbſt beſchuͤtzen fuͤr den Laͤſterungen boͤſer Leut? Wer war Johannes
der Taͤuffer? Er war ein heiliger Mann: Er war der Vorlaͤuffer und
Wegbereiter deß Meſſiaͤ; Er war ein Kleinod der Welt; Er war ein
Prophet deß Juͤdiſchen Landes/ ja mehr als ein Prophet; Er war ein
treuer und eiferiger Bußprediger; Er war ein Engel deß HErrn;
Er war der ander Elias; Er war in Mutterleib voll deß H. Geiſtes;
Das Stadt- und Landvolck von Jeruſalem/ auß Judaͤa und den
Grentzen deß Jordans/ lieff haͤuffig zu ihm/ und ließ ſich von ihm un-
terweiſen und tauffen; Er war in groſſem Anſehen zu Jeruſalem/ am
Hofe Herodis und anderswo/ bey den Hohenprieſtern/ Phariſeern
und Schrifftgelehrten/ bey den Zoͤllnern und Soldaten; Chriſtus
ſelbſt ließ ſich von ihm tauffen/ und waren viel die mehr von ihm hiel-
ten als von Chriſto; Er fuͤhrete ein eingezogen Leben; Er blieb fuͤr
ſich/ und machte ſich auſſerhalb ſeinem Ampt und Beruff mit nie-
mand gemein; Er lebete ſehr ſparſam; Er ſtillete ſeinen Hunger mit
Heuſchrecken/ und wild Honig; Er leſchete ſeinen Durſt mit Waſſer
auß dem Jordan; Chriſtus ſelbſt gab ihm das Zeugnus/ daß kein
groͤſſer von Weibern geboren ſey als er. Gleichwol wurde ihm von
etzlichen nachgeſagt/ er habe den Teuffel/ das iſt/ er ſey ein Zauberer
und Hexenmeiſter. Chriſtus aber war noch groͤſſer als Johannes. Der
gieng mit allerhand Leuten freundlich umb/ er aß und tranck nicht al-
lein mit den falſchen heuchleriſchen Phariſeern/ ſondern auch mit den
Zoͤllnern und andern beſchreyten Suͤndern/ und ſuchte allerley occa-
ſion ſie zu beſſern. Allein da muſt er hoͤren/ daß man ihm nachſagte/ er
ſey ein Freſſer und Weinſaͤuffer/ der Zoͤllner und Suͤnder Geſell.
Wolt ihr es beſſer haben als die zwey allervornehmſte Maͤnner/ die
jemals auff Erden gangen haben? Es iſt ein groſſer Ruhm/ wann ein
Menſch alſo lebet/ daß auch andere gezwungen werden ihn zu loben.
Aber das iſt auch eine groſſe Kleinmuͤtigkeit/ wann einer ſich einbil-
det/ er muͤſſe nothwendig von andern Leuten gelobet werden. Gleich-
wie der Mond/ der ſein Liecht von der Sonnen entlehnet/ allezeit einer
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