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Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

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Von der Einbildung.
Distel verwandeln solle/ damit ihr endlich den groben Eseln zur Spei-
se werdet. Noch andere Schwüre und Wünsche thät er auß dem
Amadis und der Arcadia, und wo er sie zusammen suchen konte/ hin-
zu. Konte ich mich des Lachens länger nit enthalten/ denn ich mein-
te/ es solte mir die Blase bersten/ da er es hörte/ verlohr er sich/ daß
ich nicht weiß/ wo er mit Jungfer Ketten hinkommen.

Da ich nun mich also allein zu sein befande/ examinirte und
betrachtete ich genau die grosse Thorheit der Jugend/ die dafür hält/
daß alle Zierde der teutschen Sprache bestehe in den Löffelbüchern.
Und hierüber erwachte ich/ und sahe daß dieses alles ein vergeblicher
Traum/ Phantasten und Einbildunge wären/ doch sehe ich/ daß die
Opiniones noch an allen Orten herrscheten.

Die Leute halten den Zipphusium (der Wäschen für seine
gröste Kunst hält/ und dem Stillschweigen eine grosse Straffe) für
einen beredten Mann; gerade als wenn der Acker/ der nichts als Un-
kraut trägt für fruchtbar zu halten seye: Hingegen wird das Still-
schweigen und wenig Reden für eine Faul- und Trägheit geachtet/
aber die werden von der Opinion betrogen.

Frater Johannes ligt offters im Bette/ und recitiret sein Pa-
ter noster,
da er doch vor Schlaffen kaum die Augen nicht kan auff-
thun/ bildet ihme doch ein/ sein Gebet seye gar lieb und angenehm bey
Gott/ wird aber von der Opinion betrogen/ denn wer da betet als be-
tet er nicht/ den erhöret auch Gott/ als erhöret er ihn nicht

Mancher Student/ gehet den Tag durch spatziren/ des Nach-
tes brennet er Licht/ daß man meynen solle/ er seye so embsig in seinem
Studiren/ fallitur opinione. Es beschriebe einer den Schlaff/ daß
er wäre ein Bruder des Todes/ der thäte nichts als schlaffen/ damit er
sich allezeit des Todes erinnerte/ ja er gieng offt mit verschlossenen
Augen für den Spiegel zu sehen/ wie des schlaffenden Bildnüß Ge-
stalt ware/ ward von der Opinion betrogen. Werden nicht auch die
von der Opinion betrogen/ die/ damit sie sich für den Leuten groß machen
und sehen lassen/ mit anderer Leute Gütern prangen/ da bey ihnen doch
nichts als bittere Armuth regieret: Streichen ihre Eltern und Vor-
fahren herauß/ rühmen sich/ daß diese von den Trojanern ihren
Ursprung genommen/ oder gar vor der Sündfluth si diis placet
hinter sich kratzen die Hüner/ gelebet haben.

Was thut die Opinion heutig es Tages bey den mehrern Theil der
Leute/ es wil alles Edel seyn. Zwar ist es zu Dantzig nichts neues
und würde einer übel anlauffen/ wenn er nicht einen jeden

Schiff-
M m iiij

Von der Einbildung.
Diſtel verwandeln ſolle/ damit ihr endlich den groben Eſeln zur Spei-
ſe werdet. Noch andere Schwuͤre und Wuͤnſche thaͤt er auß dem
Amadis und der Arcadia, und wo er ſie zuſammen ſuchen konte/ hin-
zu. Konte ich mich des Lachens laͤnger nit enthalten/ denn ich mein-
te/ es ſolte mir die Blaſe berſten/ da er es hoͤrte/ verlohr er ſich/ daß
ich nicht weiß/ wo er mit Jungfer Ketten hinkommen.

Da ich nun mich alſo allein zu ſein befande/ examinirte und
betrachtete ich genau die groſſe Thorheit der Jugend/ die dafuͤr haͤlt/
daß alle Zierde der teutſchen Sprache beſtehe in den Loͤffelbuͤchern.
Und hieruͤber erwachte ich/ und ſahe daß dieſes alles ein vergeblicher
Traum/ Phantaſten und Einbildunge waͤren/ doch ſehe ich/ daß die
Opiniones noch an allen Orten herꝛſcheten.

Die Leute halten den Zipphuſium (der Waͤſchen fuͤr ſeine
groͤſte Kunſt haͤlt/ und dem Stillſchweigen eine groſſe Straffe) fuͤr
einen beredten Mann; gerade als wenn der Acker/ der nichts als Un-
kraut traͤgt fuͤr fruchtbar zu halten ſeye: Hingegen wird das Still-
ſchweigen und wenig Reden fuͤr eine Faul- und Traͤgheit geachtet/
aber die werden von der Opinion betrogen.

Frater Johannes ligt offters im Bette/ und recitiret ſein Pa-
ter noſter,
da er doch vor Schlaffen kaum die Augen nicht kan auff-
thun/ bildet ihme doch ein/ ſein Gebet ſeye gar lieb und angenehm bey
Gott/ wird aber von der Opinion betrogen/ denn wer da betet als be-
tet er nicht/ den erhoͤret auch Gott/ als erhoͤret er ihn nicht

Mancher Student/ gehet den Tag durch ſpatziren/ des Nach-
tes brennet er Licht/ daß man meynen ſolle/ er ſeye ſo embſig in ſeinem
Studiren/ fallitur opinione. Es beſchriebe einer den Schlaff/ daß
er waͤre ein Bruder des Todes/ der thaͤte nichts als ſchlaffen/ damit er
ſich allezeit des Todes erinnerte/ ja er gieng offt mit verſchloſſenen
Augen fuͤr den Spiegel zu ſehen/ wie des ſchlaffenden Bildnuͤß Ge-
ſtalt ware/ ward von der Opinion betrogen. Werden nicht auch die
von der Opinion betrogen/ die/ damit ſie ſich fuͤr den Leutẽ groß machẽ
uñ ſehen laſſen/ mit anderer Leute Guͤtern prangen/ da bey ihnen doch
nichts als bittere Armuth regieret: Streichen ihre Eltern und Vor-
fahren herauß/ ruͤhmen ſich/ daß dieſe von den Trojanern ihren
Urſprung genommen/ oder gar vor der Suͤndfluth ſi diis placet
hinter ſich kratzen die Huͤner/ gelebet haben.

Was thut die Opinion heutig es Tages bey den mehrern Theil der
Leute/ es wil alles Edel ſeyn. Zwar iſt es zu Dantzig nichts neues
und wuͤrde einer uͤbel anlauffen/ wenn er nicht einen jeden

Schiff-
M m iiij
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[551/0593] Von der Einbildung. Diſtel verwandeln ſolle/ damit ihr endlich den groben Eſeln zur Spei- ſe werdet. Noch andere Schwuͤre und Wuͤnſche thaͤt er auß dem Amadis und der Arcadia, und wo er ſie zuſammen ſuchen konte/ hin- zu. Konte ich mich des Lachens laͤnger nit enthalten/ denn ich mein- te/ es ſolte mir die Blaſe berſten/ da er es hoͤrte/ verlohr er ſich/ daß ich nicht weiß/ wo er mit Jungfer Ketten hinkommen. Da ich nun mich alſo allein zu ſein befande/ examinirte und betrachtete ich genau die groſſe Thorheit der Jugend/ die dafuͤr haͤlt/ daß alle Zierde der teutſchen Sprache beſtehe in den Loͤffelbuͤchern. Und hieruͤber erwachte ich/ und ſahe daß dieſes alles ein vergeblicher Traum/ Phantaſten und Einbildunge waͤren/ doch ſehe ich/ daß die Opiniones noch an allen Orten herꝛſcheten. Die Leute halten den Zipphuſium (der Waͤſchen fuͤr ſeine groͤſte Kunſt haͤlt/ und dem Stillſchweigen eine groſſe Straffe) fuͤr einen beredten Mann; gerade als wenn der Acker/ der nichts als Un- kraut traͤgt fuͤr fruchtbar zu halten ſeye: Hingegen wird das Still- ſchweigen und wenig Reden fuͤr eine Faul- und Traͤgheit geachtet/ aber die werden von der Opinion betrogen. Frater Johannes ligt offters im Bette/ und recitiret ſein Pa- ter noſter, da er doch vor Schlaffen kaum die Augen nicht kan auff- thun/ bildet ihme doch ein/ ſein Gebet ſeye gar lieb und angenehm bey Gott/ wird aber von der Opinion betrogen/ denn wer da betet als be- tet er nicht/ den erhoͤret auch Gott/ als erhoͤret er ihn nicht Mancher Student/ gehet den Tag durch ſpatziren/ des Nach- tes brennet er Licht/ daß man meynen ſolle/ er ſeye ſo embſig in ſeinem Studiren/ fallitur opinione. Es beſchriebe einer den Schlaff/ daß er waͤre ein Bruder des Todes/ der thaͤte nichts als ſchlaffen/ damit er ſich allezeit des Todes erinnerte/ ja er gieng offt mit verſchloſſenen Augen fuͤr den Spiegel zu ſehen/ wie des ſchlaffenden Bildnuͤß Ge- ſtalt ware/ ward von der Opinion betrogen. Werden nicht auch die von der Opinion betrogen/ die/ damit ſie ſich fuͤr den Leutẽ groß machẽ uñ ſehen laſſen/ mit anderer Leute Guͤtern prangen/ da bey ihnen doch nichts als bittere Armuth regieret: Streichen ihre Eltern und Vor- fahren herauß/ ruͤhmen ſich/ daß dieſe von den Trojanern ihren Urſprung genommen/ oder gar vor der Suͤndfluth ſi diis placet hinter ſich kratzen die Huͤner/ gelebet haben. Was thut die Opinion heutig es Tages bey den mehrern Theil der Leute/ es wil alles Edel ſeyn. Zwar iſt es zu Dantzig nichts neues und wuͤrde einer uͤbel anlauffen/ wenn er nicht einen jeden Schiff- M m iiij

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Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 551. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/593>, abgerufen am 22.11.2024.