Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].Von der Einbildung. zu geschehen pfleget/ die nimmer besser schlaffen als in den Lectioni-bus, und unter den Predigten. Dann daß ichs frey herauß bekenne/ ward ich über solchen discursen so verdrossen/ und dachte mich heim- lich wegzuschleichen/ daß der Jesuwiter mich wider zurück ruffete/ und fleissig auffzumercken vermahnete. Jch aber sagte O lieber Pa- ter/ solches hab ich schon längst gelesen/ entweder bey dem Clapmeier/ oder bey deß Taciti Außlegern/ theils hab ich auch gelernet in dem Collegio Politico zu Leiden: Aber wann einer wer der von der Ra- tione Status redete/ wolte ich alles gerne und willig vernehmen. Bald führete er mich an einen sehr lustigen Ort/ da saß ein alter an- sehenlicher Greiß auff einem Stul in einem weissen Kleid/ dessen Len- den waren mit Purpur umbkleidet/ und hatte in der Rechten einen Spanischen Rohrstab. Nach geschehener beyderseits gebührenden Grusses und Wedergrusses/ hat er mein Begehren angehöret/ und allen Anfang und Eigenschafften deß abscheulichen Monstri, welches man Rationem Status nennet/ beschrieben. Jch muß hier ein wenig stehen bleiben/ und die Eitelkeiten/ damit die Welt betrogen wird/ heimlich belachen. Aber Plato befihlet ein wenig zu lachen. Wann ich wüste daß ihr schweigen köntet/ wolte ich alles/ was ich auff den Elyseischen Feldern von dem Alten gehöret/ ordentlich erzehlen. Aber wann dieses ein ander wissen solte/ so ist euer Wissen nichts/ sondern vergeblich. Socrates pflegete zu sagen; Rede/ auff daß ich dich sehen möge; mich deucht/ daß ich den sehe/ der schweigen könte. Bey den Römern ward als ein Gott der Rathschläge verehret Consus, dessen Altar war unter der Erden; und wann Consualia, das ist/ Gedächt- nis-Feste zu Ehren deß Consi gehalten worden/ wurden nicht alleine die Pferde/ sondern auch die Esel mit Kräntzen geschmücket. Die Esel vielleicht darumb/ weilen sie unterweilen solche Lasten tragen/ die den Pferden offters zu tragen nicht vergönnet werden. Daß deß Consi Altar aber unter der Erden/ damit haben die Weißver- ständige wollen lehren und andeuten/ daß dieses der Weltweißheit grössestes Stück seye/ schweigen können/ und sein Vorhaben klüglich wissen zu verbergen. Es ist nun vier Jahr/ da mein gnädigster Landsfürst gnädigst mir vergönnet habe/ daß ich die Kunst zu reden lehren solte. Jch aber wünschte/ daß einer die Kunst zu schweigen lehrete und profitirte. Dann es noch keinem schädlich gewesen/ der zu schweigen gewust hat/ aber vielen hochschädlich/ so zu der Unzeit geredet haben. Die Natur hat nicht umbsonst und Ursach uns Menschen nur eine Zunge/ aber zwey Ohren gegeben/ es haben auch die Alten die Ohren unter die Göttinnen gezehlet/ sonder Zweiffel weil die Menschen durch diese Gliedmassen den Göttern nacharten/ die
Von der Einbildung. zu geſchehen pfleget/ die nimmer beſſer ſchlaffen als in den Lectioni-bus, und unter den Predigten. Dann daß ichs frey herauß bekenne/ ward ich uͤber ſolchen diſcurſen ſo verdroſſen/ und dachte mich heim- lich wegzuſchleichen/ daß der Jeſuwiter mich wider zuruͤck ruffete/ und fleiſſig auffzumercken vermahnete. Jch aber ſagte O lieber Pa- ter/ ſolches hab ich ſchon laͤngſt geleſen/ entweder bey dem Clapmeier/ oder bey deß Taciti Außlegern/ theils hab ich auch gelernet in dem Collegio Politico zu Leiden: Aber wann einer wer der von der Ra- tione Status redete/ wolte ich alles gerne und willig vernehmen. Bald fuͤhrete er mich an einen ſehr luſtigen Ort/ da ſaß ein alter an- ſehenlicher Greiß auff einem Stul in einem weiſſen Kleid/ deſſen Len- den waren mit Purpur umbkleidet/ und hatte in der Rechten einen Spaniſchen Rohrſtab. Nach geſchehener beyderſeits gebuͤhrenden Gruſſes und Wedergruſſes/ hat er mein Begehren angehoͤret/ und allen Anfang und Eigenſchafften deß abſcheulichen Monſtri, welches man Rationem Status nennet/ beſchrieben. Jch muß hier ein wenig ſtehen bleiben/ und die Eitelkeiten/ damit die Welt betrogen wird/ heimlich belachen. Aber Plato befihlet ein wenig zu lachen. Wann ich wuͤſte daß ihr ſchweigen koͤntet/ wolte ich alles/ was ich auff den Elyſeiſchen Feldern von dem Alten gehoͤret/ ordentlich erzehlen. Aber wann dieſes ein ander wiſſen ſolte/ ſo iſt euer Wiſſen nichts/ ſondern vergeblich. Socrates pflegete zu ſagen; Rede/ auff daß ich dich ſehen moͤge; mich deucht/ daß ich den ſehe/ der ſchweigen koͤnte. Bey den Roͤmern ward als ein Gott der Rathſchlaͤge verehret Conſus, deſſen Altar war unter der Erden; und wann Conſualia, das iſt/ Gedaͤcht- nis-Feſte zu Ehren deß Conſi gehalten worden/ wurden nicht alleine die Pferde/ ſondern auch die Eſel mit Kraͤntzen geſchmuͤcket. Die Eſel vielleicht darumb/ weilen ſie unterweilen ſolche Laſten tragen/ die den Pferden offters zu tragen nicht vergoͤnnet werden. Daß deß Conſi Altar aber unter der Erden/ damit haben die Weißver- ſtaͤndige wollen lehren und andeuten/ daß dieſes der Weltweißheit groͤſſeſtes Stuͤck ſeye/ ſchweigen koͤnnen/ und ſein Vorhaben kluͤglich wiſſen zu verbergen. Es iſt nun vier Jahr/ da mein gnaͤdigſter Landsfuͤrſt gnaͤdigſt mir vergoͤnnet habe/ daß ich die Kunſt zu reden lehren ſolte. Jch aber wuͤnſchte/ daß einer die Kunſt zu ſchweigen lehrete und profitirte. Dann es noch keinem ſchaͤdlich geweſen/ der zu ſchweigen gewuſt hat/ aber vielen hochſchaͤdlich/ ſo zu der Unzeit geredet haben. Die Natur hat nicht umbſonſt und Urſach uns Menſchen nur eine Zunge/ aber zwey Ohren gegeben/ es haben auch die Alten die Ohren unter die Goͤttinnen gezehlet/ ſonder Zweiffel weil die Menſchen durch dieſe Gliedmaſſen den Goͤttern nacharten/ die
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0600" n="558"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von der Einbildung.</hi></fw><lb/> zu geſchehen pfleget/ die nimmer beſſer ſchlaffen als in den <hi rendition="#aq">Lectioni-<lb/> bus,</hi> und unter den Predigten. Dann daß ichs frey herauß bekenne/<lb/> ward ich uͤber ſolchen <hi rendition="#aq">diſcurſen</hi> ſo verdroſſen/ und dachte mich heim-<lb/> lich wegzuſchleichen/ daß der Jeſuwiter mich wider zuruͤck ruffete/<lb/> und fleiſſig auffzumercken vermahnete. Jch aber ſagte O lieber Pa-<lb/> ter/ ſolches hab ich ſchon laͤngſt geleſen/ entweder bey dem Clapmeier/<lb/> oder bey deß <hi rendition="#aq">Taciti</hi> Außlegern/ theils hab ich auch gelernet in dem<lb/><hi rendition="#aq">Collegio Politico</hi> zu Leiden: Aber wann einer wer der von der <hi rendition="#aq">Ra-<lb/> tione Status</hi> redete/ wolte ich alles gerne und willig vernehmen.<lb/> Bald fuͤhrete er mich an einen ſehr luſtigen Ort/ da ſaß ein alter an-<lb/> ſehenlicher Greiß auff einem Stul in einem weiſſen Kleid/ deſſen Len-<lb/> den waren mit Purpur umbkleidet/ und hatte in der Rechten einen<lb/> Spaniſchen Rohrſtab. Nach geſchehener beyderſeits gebuͤhrenden<lb/> Gruſſes und Wedergruſſes/ hat er mein Begehren angehoͤret/ und<lb/> allen Anfang und Eigenſchafften deß abſcheulichen <hi rendition="#aq">Monſtri,</hi> welches<lb/> man <hi rendition="#aq">Rationem Status</hi> nennet/ beſchrieben. Jch muß hier ein wenig<lb/> ſtehen bleiben/ und die Eitelkeiten/ damit die Welt betrogen wird/<lb/> heimlich belachen. Aber <hi rendition="#aq">Plato</hi> befihlet ein wenig zu lachen. Wann ich<lb/> wuͤſte daß ihr ſchweigen koͤntet/ wolte ich alles/ was ich auff den<lb/> Elyſeiſchen Feldern von dem Alten gehoͤret/ ordentlich erzehlen. Aber<lb/> wann dieſes ein ander wiſſen ſolte/ ſo iſt euer Wiſſen nichts/ ſondern<lb/> vergeblich. <hi rendition="#aq">Socrates</hi> pflegete zu ſagen; Rede/ auff daß ich dich ſehen<lb/> moͤge; mich deucht/ daß ich den ſehe/ der ſchweigen koͤnte. Bey den<lb/> Roͤmern ward als ein Gott der Rathſchlaͤge verehret <hi rendition="#aq">Conſus,</hi> deſſen<lb/> Altar war unter der Erden; und wann <hi rendition="#aq">Conſualia,</hi> das iſt/ Gedaͤcht-<lb/> nis-Feſte zu Ehren deß <hi rendition="#aq">Conſi</hi> gehalten worden/ wurden nicht alleine<lb/> die Pferde/ ſondern auch die Eſel mit Kraͤntzen geſchmuͤcket. Die<lb/> Eſel vielleicht darumb/ weilen ſie unterweilen ſolche Laſten tragen/<lb/> die den Pferden offters zu tragen nicht vergoͤnnet werden. Daß<lb/> deß <hi rendition="#aq">Conſi</hi> Altar aber unter der Erden/ damit haben die Weißver-<lb/> ſtaͤndige wollen lehren und andeuten/ daß dieſes der Weltweißheit<lb/> groͤſſeſtes Stuͤck ſeye/ ſchweigen koͤnnen/ und ſein Vorhaben kluͤglich<lb/> wiſſen zu verbergen. Es iſt nun vier Jahr/ da mein gnaͤdigſter<lb/> Landsfuͤrſt gnaͤdigſt mir vergoͤnnet habe/ daß ich die Kunſt zu reden<lb/> lehren ſolte. Jch aber wuͤnſchte/ daß einer die Kunſt zu ſchweigen<lb/> lehrete und <hi rendition="#aq">profitirte.</hi> Dann es noch keinem ſchaͤdlich geweſen/ der<lb/> zu ſchweigen gewuſt hat/ aber vielen hochſchaͤdlich/ ſo zu der Unzeit<lb/> geredet haben. Die Natur hat nicht umbſonſt und Urſach uns<lb/> Menſchen nur eine Zunge/ aber zwey Ohren gegeben/ es haben auch<lb/> die Alten die Ohren unter die Goͤttinnen gezehlet/ ſonder Zweiffel<lb/> weil die Menſchen durch dieſe Gliedmaſſen den Goͤttern nacharten/<lb/> <fw place="bottom" type="catch">die</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [558/0600]
Von der Einbildung.
zu geſchehen pfleget/ die nimmer beſſer ſchlaffen als in den Lectioni-
bus, und unter den Predigten. Dann daß ichs frey herauß bekenne/
ward ich uͤber ſolchen diſcurſen ſo verdroſſen/ und dachte mich heim-
lich wegzuſchleichen/ daß der Jeſuwiter mich wider zuruͤck ruffete/
und fleiſſig auffzumercken vermahnete. Jch aber ſagte O lieber Pa-
ter/ ſolches hab ich ſchon laͤngſt geleſen/ entweder bey dem Clapmeier/
oder bey deß Taciti Außlegern/ theils hab ich auch gelernet in dem
Collegio Politico zu Leiden: Aber wann einer wer der von der Ra-
tione Status redete/ wolte ich alles gerne und willig vernehmen.
Bald fuͤhrete er mich an einen ſehr luſtigen Ort/ da ſaß ein alter an-
ſehenlicher Greiß auff einem Stul in einem weiſſen Kleid/ deſſen Len-
den waren mit Purpur umbkleidet/ und hatte in der Rechten einen
Spaniſchen Rohrſtab. Nach geſchehener beyderſeits gebuͤhrenden
Gruſſes und Wedergruſſes/ hat er mein Begehren angehoͤret/ und
allen Anfang und Eigenſchafften deß abſcheulichen Monſtri, welches
man Rationem Status nennet/ beſchrieben. Jch muß hier ein wenig
ſtehen bleiben/ und die Eitelkeiten/ damit die Welt betrogen wird/
heimlich belachen. Aber Plato befihlet ein wenig zu lachen. Wann ich
wuͤſte daß ihr ſchweigen koͤntet/ wolte ich alles/ was ich auff den
Elyſeiſchen Feldern von dem Alten gehoͤret/ ordentlich erzehlen. Aber
wann dieſes ein ander wiſſen ſolte/ ſo iſt euer Wiſſen nichts/ ſondern
vergeblich. Socrates pflegete zu ſagen; Rede/ auff daß ich dich ſehen
moͤge; mich deucht/ daß ich den ſehe/ der ſchweigen koͤnte. Bey den
Roͤmern ward als ein Gott der Rathſchlaͤge verehret Conſus, deſſen
Altar war unter der Erden; und wann Conſualia, das iſt/ Gedaͤcht-
nis-Feſte zu Ehren deß Conſi gehalten worden/ wurden nicht alleine
die Pferde/ ſondern auch die Eſel mit Kraͤntzen geſchmuͤcket. Die
Eſel vielleicht darumb/ weilen ſie unterweilen ſolche Laſten tragen/
die den Pferden offters zu tragen nicht vergoͤnnet werden. Daß
deß Conſi Altar aber unter der Erden/ damit haben die Weißver-
ſtaͤndige wollen lehren und andeuten/ daß dieſes der Weltweißheit
groͤſſeſtes Stuͤck ſeye/ ſchweigen koͤnnen/ und ſein Vorhaben kluͤglich
wiſſen zu verbergen. Es iſt nun vier Jahr/ da mein gnaͤdigſter
Landsfuͤrſt gnaͤdigſt mir vergoͤnnet habe/ daß ich die Kunſt zu reden
lehren ſolte. Jch aber wuͤnſchte/ daß einer die Kunſt zu ſchweigen
lehrete und profitirte. Dann es noch keinem ſchaͤdlich geweſen/ der
zu ſchweigen gewuſt hat/ aber vielen hochſchaͤdlich/ ſo zu der Unzeit
geredet haben. Die Natur hat nicht umbſonſt und Urſach uns
Menſchen nur eine Zunge/ aber zwey Ohren gegeben/ es haben auch
die Alten die Ohren unter die Goͤttinnen gezehlet/ ſonder Zweiffel
weil die Menſchen durch dieſe Gliedmaſſen den Goͤttern nacharten/
die
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |