Schurz, Karl: Der Studentencongreß zu Eisenach am 25. September 1848. Bonn, 1848.so abgerissen und unzusammenhängend hingestellt, daß es die erste Aufgabe des neuen Congresses schien, jede ideelle lose Gemeinschaft der deutschen Studenten in eine feste Form zu fügen und die vereinzelten Sätze der Reform-Adresse zu verbessern und wo möglich zu einem logischen System zu verbinden; wenigstens kamen Viele mit diesem festen Plan nach Eisenach, wenn auch der zeitige Vorort Breslau, der den gänzlichen Mangel einer festen Tages-Ordnung verschuldete, zur Anbahnung dieser Vorsätze gar wenig gethan hatte. Schon die verhältnißmäßig kleine Zahl von Abgeordneten, welche am 24. September Abends in Eisenach versammelt waren, ließ nur schwache Resultate hoffen, und man ging an's Werk mit einer gewissen Muthlosigkeit, welche in den ersten Sitzungen nur noch vermehrt werden sollte. Denn die deutsche Jugend ist bekanntlich sehr stark in Formfragen, sie ist erpicht auf Alles, was einigermaßen nach Erfahrungen aussieht; und so kam es denn, daß man nach der dritten, vierten Sitzung einige mehr oder minder nothwendige Formalitäten nach heißem Wortgefecht absolvirt hatte, ohne noch von andern Resultaten erzählen zu können. Aber diese Periode mußte durchgemacht werden, denn in einem Kreise von jungen Männern pflegen nur die Erfahrungen zu allgemeiner Geltung zu kommen, welche gemeinschaftlich gemacht haben. Ein großer Uebelstand ist nun stets, wenn Jeder, der in wichtigen Dingen seine Meinung führt, auch in jeder Kleinigkeit möglichst beharrlich dasselbe thun zu müssen glaubt; aber das war unvermeidlich, denn die Versammlung war größtentheils zusammengesetzt aus Wortführern der einzelnen Studentenschaften, und die meisten Abgeordneten waren, die Kunst des Schweigens verkennend, gekommen, nicht nur zu handeln, sondern auch zu reden. Da nun Alle mit dem parlamentarischen Brauch möglichst vertraut sein wollten, so kam es, daß gar Viele ihre Regeln zur Leitung oder Abkürzung der Debatte, mit großem Eifer und ausgedehnten so abgerissen und unzusammenhängend hingestellt, daß es die erste Aufgabe des neuen Congresses schien, jede ideelle lose Gemeinschaft der deutschen Studenten in eine feste Form zu fügen und die vereinzelten Sätze der Reform-Adresse zu verbessern und wo möglich zu einem logischen System zu verbinden; wenigstens kamen Viele mit diesem festen Plan nach Eisenach, wenn auch der zeitige Vorort Breslau, der den gänzlichen Mangel einer festen Tages-Ordnung verschuldete, zur Anbahnung dieser Vorsätze gar wenig gethan hatte. Schon die verhältnißmäßig kleine Zahl von Abgeordneten, welche am 24. September Abends in Eisenach versammelt waren, ließ nur schwache Resultate hoffen, und man ging an’s Werk mit einer gewissen Muthlosigkeit, welche in den ersten Sitzungen nur noch vermehrt werden sollte. Denn die deutsche Jugend ist bekanntlich sehr stark in Formfragen, sie ist erpicht auf Alles, was einigermaßen nach Erfahrungen aussieht; und so kam es denn, daß man nach der dritten, vierten Sitzung einige mehr oder minder nothwendige Formalitäten nach heißem Wortgefecht absolvirt hatte, ohne noch von andern Resultaten erzählen zu können. Aber diese Periode mußte durchgemacht werden, denn in einem Kreise von jungen Männern pflegen nur die Erfahrungen zu allgemeiner Geltung zu kommen, welche gemeinschaftlich gemacht haben. Ein großer Uebelstand ist nun stets, wenn Jeder, der in wichtigen Dingen seine Meinung führt, auch in jeder Kleinigkeit möglichst beharrlich dasselbe thun zu müssen glaubt; aber das war unvermeidlich, denn die Versammlung war größtentheils zusammengesetzt aus Wortführern der einzelnen Studentenschaften, und die meisten Abgeordneten waren, die Kunst des Schweigens verkennend, gekommen, nicht nur zu handeln, sondern auch zu reden. Da nun Alle mit dem parlamentarischen Brauch möglichst vertraut sein wollten, so kam es, daß gar Viele ihre Regeln zur Leitung oder Abkürzung der Debatte, mit großem Eifer und ausgedehnten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0022" n="20"/> so abgerissen und unzusammenhängend hingestellt, daß es die erste Aufgabe des neuen Congresses schien, jede ideelle lose Gemeinschaft der deutschen Studenten in eine feste Form zu fügen und die vereinzelten Sätze der Reform-Adresse zu verbessern und wo möglich zu einem logischen System zu verbinden; wenigstens kamen Viele mit diesem festen Plan nach Eisenach, wenn auch der zeitige Vorort Breslau, der den gänzlichen Mangel einer festen Tages-Ordnung verschuldete, zur Anbahnung dieser Vorsätze gar wenig gethan hatte. Schon die verhältnißmäßig kleine Zahl von Abgeordneten, welche am 24. September Abends in Eisenach versammelt waren, ließ nur schwache Resultate hoffen, und man ging an’s Werk mit einer gewissen Muthlosigkeit, welche in den ersten Sitzungen nur noch vermehrt werden sollte. Denn die deutsche Jugend ist bekanntlich sehr stark in Formfragen, sie ist erpicht auf Alles, was einigermaßen nach Erfahrungen aussieht; und so kam es denn, daß man nach der dritten, vierten Sitzung einige mehr oder minder nothwendige Formalitäten nach heißem Wortgefecht absolvirt hatte, ohne noch von andern Resultaten erzählen zu können. Aber diese Periode mußte durchgemacht werden, denn in einem Kreise von jungen Männern pflegen nur <hi rendition="#g">die</hi> Erfahrungen zu allgemeiner Geltung zu kommen, welche <hi rendition="#g">gemeinschaftlich</hi> gemacht haben. 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so abgerissen und unzusammenhängend hingestellt, daß es die erste Aufgabe des neuen Congresses schien, jede ideelle lose Gemeinschaft der deutschen Studenten in eine feste Form zu fügen und die vereinzelten Sätze der Reform-Adresse zu verbessern und wo möglich zu einem logischen System zu verbinden; wenigstens kamen Viele mit diesem festen Plan nach Eisenach, wenn auch der zeitige Vorort Breslau, der den gänzlichen Mangel einer festen Tages-Ordnung verschuldete, zur Anbahnung dieser Vorsätze gar wenig gethan hatte. Schon die verhältnißmäßig kleine Zahl von Abgeordneten, welche am 24. September Abends in Eisenach versammelt waren, ließ nur schwache Resultate hoffen, und man ging an’s Werk mit einer gewissen Muthlosigkeit, welche in den ersten Sitzungen nur noch vermehrt werden sollte. Denn die deutsche Jugend ist bekanntlich sehr stark in Formfragen, sie ist erpicht auf Alles, was einigermaßen nach Erfahrungen aussieht; und so kam es denn, daß man nach der dritten, vierten Sitzung einige mehr oder minder nothwendige Formalitäten nach heißem Wortgefecht absolvirt hatte, ohne noch von andern Resultaten erzählen zu können. Aber diese Periode mußte durchgemacht werden, denn in einem Kreise von jungen Männern pflegen nur die Erfahrungen zu allgemeiner Geltung zu kommen, welche gemeinschaftlich gemacht haben. Ein großer Uebelstand ist nun stets, wenn Jeder, der in wichtigen Dingen seine Meinung führt, auch in jeder Kleinigkeit möglichst beharrlich dasselbe thun zu müssen glaubt; aber das war unvermeidlich, denn die Versammlung war größtentheils zusammengesetzt aus Wortführern der einzelnen Studentenschaften, und die meisten Abgeordneten waren, die Kunst des Schweigens verkennend, gekommen, nicht nur zu handeln, sondern auch zu reden. Da nun Alle mit dem parlamentarischen Brauch möglichst vertraut sein wollten, so kam es, daß gar Viele ihre Regeln zur Leitung oder Abkürzung der Debatte, mit großem Eifer und ausgedehnten
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