Schurz, Karl: Der Studentencongreß zu Eisenach am 25. September 1848. Bonn, 1848.der Staat für diese Gegenleistung, deren Möglichkeit er mit seinem Gelde begründete, gewisse Garantieen verlangen könne. Es galt nur, die Gewalt des Staats über die Universität so einzurichten, daß die unbedingte Freiheit der Wissenschaft und Lehre dabei keinerlei Gefahr liefe. - Die Vermeidung dieser Gefahr sah man in der Bestimmung, daß der Staat auf Vorschlag des Universitätskörpers die besoldeten Lehrer anzustellen habe, keineswegs also etwa die Universität mit seinen Creaturen besetzen könne. (Es ist hier natürlich unter dem Worte "Staat" nur die Reichsgewalt zu verstehen). Der Congreß vergaß nun scheinbar die Frage zu beantworten, wer das Recht habe, die einmal angestellten Lehrer wieder abzusetzen, - eine Frage, die an Wichtigkeit der vorhin angegebenen Bestimmung in keinerlei Weise nachsteht, ja, deren unbedingte Entscheidung zu Gunsten des Staats die allerempfindlichsten Eingriffe der Regierung in die Freiheit der Lehre befürchten läßt. Doch liegt die Beantwortung dieser Frage in dem §. 14, wonach alle Mitglieder der Universität in jeder Beziehung unter den Staatsgesetzen stehn, also auch in allen Fällen dem gesetzlichen Richterspruch unterworfen sind. Wie groß die Gefahr sei, die ein unbedingtes Berufungs- und Anstellungs-Recht des Universitätskörpers selbst herbeiführen könne, wurde besonders in Berathung gezogen, wo es sich um den Begriff des Universitätslehrers überhaupt, und um sein Verhältniß zum Universitätskörper handelte. Man bedachte wohl: ist der Einfluß des Staates zu groß, so ist die Möglichkeit des Emporkommens neuer, freisinniger Ideen in der Lehre nicht gesichert; ein zu großer Einfluß des Universitätskörpers aber würde die eifersüchtigste, reaktionärste Einseitigkeit vielfach wahrscheinlich machen, - wenn eben die Gestaltung des Universitätskörpers dieselbe exclusiv aristokratische bliebe, wie sie unter den Bürokratenstaat gewesen ist. Zwar wurde nicht unberücksichtigt gelassen, der Staat für diese Gegenleistung, deren Möglichkeit er mit seinem Gelde begründete, gewisse Garantieen verlangen könne. Es galt nur, die Gewalt des Staats über die Universität so einzurichten, daß die unbedingte Freiheit der Wissenschaft und Lehre dabei keinerlei Gefahr liefe. – Die Vermeidung dieser Gefahr sah man in der Bestimmung, daß der Staat auf Vorschlag des Universitätskörpers die besoldeten Lehrer anzustellen habe, keineswegs also etwa die Universität mit seinen Creaturen besetzen könne. (Es ist hier natürlich unter dem Worte „Staat“ nur die Reichsgewalt zu verstehen). Der Congreß vergaß nun scheinbar die Frage zu beantworten, wer das Recht habe, die einmal angestellten Lehrer wieder abzusetzen, – eine Frage, die an Wichtigkeit der vorhin angegebenen Bestimmung in keinerlei Weise nachsteht, ja, deren unbedingte Entscheidung zu Gunsten des Staats die allerempfindlichsten Eingriffe der Regierung in die Freiheit der Lehre befürchten läßt. Doch liegt die Beantwortung dieser Frage in dem §. 14, wonach alle Mitglieder der Universität in jeder Beziehung unter den Staatsgesetzen stehn, also auch in allen Fällen dem gesetzlichen Richterspruch unterworfen sind. Wie groß die Gefahr sei, die ein unbedingtes Berufungs- und Anstellungs-Recht des Universitätskörpers selbst herbeiführen könne, wurde besonders in Berathung gezogen, wo es sich um den Begriff des Universitätslehrers überhaupt, und um sein Verhältniß zum Universitätskörper handelte. Man bedachte wohl: ist der Einfluß des Staates zu groß, so ist die Möglichkeit des Emporkommens neuer, freisinniger Ideen in der Lehre nicht gesichert; ein zu großer Einfluß des Universitätskörpers aber würde die eifersüchtigste, reaktionärste Einseitigkeit vielfach wahrscheinlich machen, – wenn eben die Gestaltung des Universitätskörpers dieselbe exclusiv aristokratische bliebe, wie sie unter den Bürokratenstaat gewesen ist. Zwar wurde nicht unberücksichtigt gelassen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0037" n="35"/> der Staat für diese Gegenleistung, deren Möglichkeit er mit seinem Gelde begründete, gewisse Garantieen verlangen könne. Es galt nur, die Gewalt des Staats über die Universität so einzurichten, daß die unbedingte Freiheit der Wissenschaft und Lehre dabei keinerlei Gefahr liefe. – Die Vermeidung dieser Gefahr sah man in der Bestimmung, daß der Staat auf Vorschlag des Universitätskörpers die besoldeten Lehrer anzustellen habe, keineswegs also etwa die Universität mit seinen Creaturen besetzen könne. (Es ist hier natürlich unter dem Worte „Staat“ nur die Reichsgewalt zu verstehen). Der Congreß vergaß nun scheinbar die Frage zu beantworten, wer das Recht habe, die einmal angestellten Lehrer wieder abzusetzen, – eine Frage, die an Wichtigkeit der vorhin angegebenen Bestimmung in keinerlei Weise nachsteht, ja, deren <hi rendition="#g">unbedingte</hi> Entscheidung zu Gunsten des Staats die allerempfindlichsten Eingriffe der Regierung in die Freiheit der Lehre befürchten läßt. Doch liegt die Beantwortung dieser Frage in dem §. 14, wonach alle Mitglieder der Universität in jeder Beziehung unter den Staatsgesetzen stehn, also auch in allen Fällen dem gesetzlichen Richterspruch unterworfen sind.</p> <p>Wie groß die Gefahr sei, die ein unbedingtes Berufungs- und Anstellungs-Recht des Universitätskörpers selbst herbeiführen könne, wurde besonders in Berathung gezogen, wo es sich um den Begriff des Universitätslehrers überhaupt, und um sein Verhältniß zum Universitätskörper handelte. Man bedachte wohl: ist der Einfluß des Staates zu groß, so ist die Möglichkeit des Emporkommens neuer, freisinniger Ideen in der Lehre nicht gesichert; ein zu großer Einfluß des Universitätskörpers aber würde die eifersüchtigste, reaktionärste Einseitigkeit vielfach wahrscheinlich machen, – wenn eben die Gestaltung des Universitätskörpers dieselbe exclusiv aristokratische bliebe, wie sie unter den Bürokratenstaat gewesen ist. Zwar wurde nicht unberücksichtigt gelassen, </p> </div> </body> </text> </TEI> [35/0037]
der Staat für diese Gegenleistung, deren Möglichkeit er mit seinem Gelde begründete, gewisse Garantieen verlangen könne. Es galt nur, die Gewalt des Staats über die Universität so einzurichten, daß die unbedingte Freiheit der Wissenschaft und Lehre dabei keinerlei Gefahr liefe. – Die Vermeidung dieser Gefahr sah man in der Bestimmung, daß der Staat auf Vorschlag des Universitätskörpers die besoldeten Lehrer anzustellen habe, keineswegs also etwa die Universität mit seinen Creaturen besetzen könne. (Es ist hier natürlich unter dem Worte „Staat“ nur die Reichsgewalt zu verstehen). Der Congreß vergaß nun scheinbar die Frage zu beantworten, wer das Recht habe, die einmal angestellten Lehrer wieder abzusetzen, – eine Frage, die an Wichtigkeit der vorhin angegebenen Bestimmung in keinerlei Weise nachsteht, ja, deren unbedingte Entscheidung zu Gunsten des Staats die allerempfindlichsten Eingriffe der Regierung in die Freiheit der Lehre befürchten läßt. Doch liegt die Beantwortung dieser Frage in dem §. 14, wonach alle Mitglieder der Universität in jeder Beziehung unter den Staatsgesetzen stehn, also auch in allen Fällen dem gesetzlichen Richterspruch unterworfen sind.
Wie groß die Gefahr sei, die ein unbedingtes Berufungs- und Anstellungs-Recht des Universitätskörpers selbst herbeiführen könne, wurde besonders in Berathung gezogen, wo es sich um den Begriff des Universitätslehrers überhaupt, und um sein Verhältniß zum Universitätskörper handelte. Man bedachte wohl: ist der Einfluß des Staates zu groß, so ist die Möglichkeit des Emporkommens neuer, freisinniger Ideen in der Lehre nicht gesichert; ein zu großer Einfluß des Universitätskörpers aber würde die eifersüchtigste, reaktionärste Einseitigkeit vielfach wahrscheinlich machen, – wenn eben die Gestaltung des Universitätskörpers dieselbe exclusiv aristokratische bliebe, wie sie unter den Bürokratenstaat gewesen ist. Zwar wurde nicht unberücksichtigt gelassen,
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