entrinne, keine Stunde bei Tag und bei Nacht dein ver¬ gessen werde. Meine Heimath ist Jolkos in Hämonien, da wo der gute Deukalion, der Sohn des Prometheus, viele Städte gegründet und Tempel gebaut hat. Dort kennt man euer Land auch nicht mit Namen." "So woh¬ nest du in Griechenland, Fremdling," erwiederte die Jung¬ frau; "dort sind die Menschen wohl gastlicher, als hier bei uns; darum erzähle nicht, welche Aufnahme dir hier geworden, sondern gedenke nur in der Stille mein. Ich werde dein gedenken, wenn Alles dich hier vergäße. Wärest du aber im Stande, mein zu vergessen, o, daß dann der Wind einen Vogel aus Jolkos herbeiführte, durch welchen ich dich daran errinnern konnte, daß du durch meine Hülfe von hier entronnen bist! Ja, wäre ich dann vielmehr selbst in deinem Hause und könnte dich mahnen!" So sprach sie und weinte. "O du Gute," antwortete Jason, "laß die Winde flattern und den Vo¬ gel dazu, denn du sprichst Ueberflüssiges! Aber wenn du selbst nach Griechenland und in meine Heimath kämest, o wie würdest du von Frauen und Männern verehrt, ja wie eine Gottheit angebetet werden, weil ihre Söhne, ihre Brüder, ihre Gatten durch deinen Rath dem Tod entronnen und fröhlich der Heimath zurückgegeben sind; und mir, mir würdest du dann ganz gehören, und nichts sollte unsere Liebe trennen, als der Tod." So sprach er, ihr aber zerfloß die Seele, als sie Solches hörte. Zugleich stand vor ihrem Geist alles Schreckliche, womit die Trennung vom Vaterlande drohte, und dennoch zog es sie mit wunderbarer Gewalt nach Griechenland, denn Juno hatte es ihr in's Herz gegeben. Diese wollte,
entrinne, keine Stunde bei Tag und bei Nacht dein ver¬ geſſen werde. Meine Heimath iſt Jolkos in Hämonien, da wo der gute Deukalion, der Sohn des Prometheus, viele Städte gegründet und Tempel gebaut hat. Dort kennt man euer Land auch nicht mit Namen.“ „So woh¬ neſt du in Griechenland, Fremdling,“ erwiederte die Jung¬ frau; „dort ſind die Menſchen wohl gaſtlicher, als hier bei uns; darum erzähle nicht, welche Aufnahme dir hier geworden, ſondern gedenke nur in der Stille mein. Ich werde dein gedenken, wenn Alles dich hier vergäße. Wäreſt du aber im Stande, mein zu vergeſſen, o, daß dann der Wind einen Vogel aus Jolkos herbeiführte, durch welchen ich dich daran errinnern konnte, daß du durch meine Hülfe von hier entronnen biſt! Ja, wäre ich dann vielmehr ſelbſt in deinem Hauſe und könnte dich mahnen!“ So ſprach ſie und weinte. „O du Gute,“ antwortete Jaſon, „laß die Winde flattern und den Vo¬ gel dazu, denn du ſprichſt Ueberflüſſiges! Aber wenn du ſelbſt nach Griechenland und in meine Heimath kämeſt, o wie würdeſt du von Frauen und Männern verehrt, ja wie eine Gottheit angebetet werden, weil ihre Söhne, ihre Brüder, ihre Gatten durch deinen Rath dem Tod entronnen und fröhlich der Heimath zurückgegeben ſind; und mir, mir würdeſt du dann ganz gehören, und nichts ſollte unſere Liebe trennen, als der Tod.“ So ſprach er, ihr aber zerfloß die Seele, als ſie Solches hörte. Zugleich ſtand vor ihrem Geiſt alles Schreckliche, womit die Trennung vom Vaterlande drohte, und dennoch zog es ſie mit wunderbarer Gewalt nach Griechenland, denn Juno hatte es ihr in's Herz gegeben. Dieſe wollte,
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entrinne, keine Stunde bei Tag und bei Nacht dein ver¬
geſſen werde. Meine Heimath iſt Jolkos in Hämonien,
da wo der gute Deukalion, der Sohn des Prometheus,
viele Städte gegründet und Tempel gebaut hat. Dort
kennt man euer Land auch nicht mit Namen.“ „So woh¬
neſt du in Griechenland, Fremdling,“ erwiederte die Jung¬
frau; „dort ſind die Menſchen wohl gaſtlicher, als hier
bei uns; darum erzähle nicht, welche Aufnahme dir
hier geworden, ſondern gedenke nur in der Stille mein.
Ich werde dein gedenken, wenn Alles dich hier vergäße.
Wäreſt du aber im Stande, mein zu vergeſſen, o, daß
dann der Wind einen Vogel aus Jolkos herbeiführte,
durch welchen ich dich daran errinnern konnte, daß du
durch meine Hülfe von hier entronnen biſt! Ja, wäre ich
dann vielmehr ſelbſt in deinem Hauſe und könnte dich
mahnen!“ So ſprach ſie und weinte. „O du Gute,“
antwortete Jaſon, „laß die Winde flattern und den Vo¬
gel dazu, denn du ſprichſt Ueberflüſſiges! Aber wenn du
ſelbſt nach Griechenland und in meine Heimath kämeſt,
o wie würdeſt du von Frauen und Männern verehrt,
ja wie eine Gottheit angebetet werden, weil ihre Söhne,
ihre Brüder, ihre Gatten durch deinen Rath dem Tod
entronnen und fröhlich der Heimath zurückgegeben ſind;
und mir, mir würdeſt du dann ganz gehören, und nichts
ſollte unſere Liebe trennen, als der Tod.“ So ſprach
er, ihr aber zerfloß die Seele, als ſie Solches hörte.
Zugleich ſtand vor ihrem Geiſt alles Schreckliche, womit
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/163>, abgerufen am 24.11.2024.
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