Liebesgöttin willkommen sind, so lenke den ehernen Speer des Oenomaus von mir ab, entsende mich auf dem schnell¬ sten Wagen gen Elis, und führe mich zum Siege. Denn schon hat er dreizehn liebende Männer ins Verderben ge¬ stürzt, und noch schiebt er die Hochzeit der Tochter auf. Eine große Gefahr duldet keinen unkriegerischen Mann. Ich bin entschlossen, sie zu bestehen. Wer doch einmal sterben muß, was soll der ein namenloses Alter in Fin¬ sterniß dasitzend erwarten, alles Edlen untheilhaftig? Darum will ich den Kampf bestehen: du gib mir er¬ wünschten Erfolg!"
So betete Pelops und sein Flehen war nicht verge¬ bens. Denn abermals rauschte es in den Wassern, und ein schimmernder goldner Wagen mit vier pfeilschnellen Flügelrossen stieg aus den Wellen empor. Auf ihn schwang sich Pelops und flog, die Götterpferde nach Gefallen lenkend, mit dem Wind in die Wette nach Elis. Als Oenomaus ihn kommen sah, erschrack er, denn auf den ersten Blick erkannte er das göttliche Gespann des Meergottes. Doch verweigerte er dem Fremdlinge den Wettkampf nach den gewohnten Bedingungen nicht; auch verließ er sich auf die Wunderkraft seiner eigenen Rosse, die es dem Winde zuvorthaten. Nachdem die Rosse des Pelops von der Reise durch die Halbinsel gerastet, betrat er mit ihnen die Laufbahn. Schon war er dem Ziele ganz nahe, als der König, der das Widderopfer wie gewöhnlich verrich¬ tet hatte, mit seinen luftigen Rossen plötzlich ihm auf den Nacken kam, und schon den Speer schwang, dem kühnen Freier den tödtlichen Stoß zu versetzen. Da fügte es Neptunus, der den Pelops beschirmte, daß mitten im Laufe die Räder des königlichen Wagens aus den Fu¬
Liebesgöttin willkommen ſind, ſo lenke den ehernen Speer des Oenomaus von mir ab, entſende mich auf dem ſchnell¬ ſten Wagen gen Elis, und führe mich zum Siege. Denn ſchon hat er dreizehn liebende Männer ins Verderben ge¬ ſtürzt, und noch ſchiebt er die Hochzeit der Tochter auf. Eine große Gefahr duldet keinen unkriegeriſchen Mann. Ich bin entſchloſſen, ſie zu beſtehen. Wer doch einmal ſterben muß, was ſoll der ein namenloſes Alter in Fin¬ ſterniß daſitzend erwarten, alles Edlen untheilhaftig? Darum will ich den Kampf beſtehen: du gib mir er¬ wünſchten Erfolg!“
So betete Pelops und ſein Flehen war nicht verge¬ bens. Denn abermals rauſchte es in den Waſſern, und ein ſchimmernder goldner Wagen mit vier pfeilſchnellen Flügelroſſen ſtieg aus den Wellen empor. Auf ihn ſchwang ſich Pelops und flog, die Götterpferde nach Gefallen lenkend, mit dem Wind in die Wette nach Elis. Als Oenomaus ihn kommen ſah, erſchrack er, denn auf den erſten Blick erkannte er das göttliche Geſpann des Meergottes. Doch verweigerte er dem Fremdlinge den Wettkampf nach den gewohnten Bedingungen nicht; auch verließ er ſich auf die Wunderkraft ſeiner eigenen Roſſe, die es dem Winde zuvorthaten. Nachdem die Roſſe des Pelops von der Reiſe durch die Halbinſel geraſtet, betrat er mit ihnen die Laufbahn. Schon war er dem Ziele ganz nahe, als der König, der das Widderopfer wie gewöhnlich verrich¬ tet hatte, mit ſeinen luftigen Roſſen plötzlich ihm auf den Nacken kam, und ſchon den Speer ſchwang, dem kühnen Freier den tödtlichen Stoß zu verſetzen. Da fügte es Neptunus, der den Pelops beſchirmte, daß mitten im Laufe die Räder des königlichen Wagens aus den Fu¬
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Liebesgöttin willkommen ſind, ſo lenke den ehernen Speer
des Oenomaus von mir ab, entſende mich auf dem ſchnell¬
ſten Wagen gen Elis, und führe mich zum Siege. Denn
ſchon hat er dreizehn liebende Männer ins Verderben ge¬
ſtürzt, und noch ſchiebt er die Hochzeit der Tochter auf.
Eine große Gefahr duldet keinen unkriegeriſchen Mann.
Ich bin entſchloſſen, ſie zu beſtehen. Wer doch einmal
ſterben muß, was ſoll der ein namenloſes Alter in Fin¬
ſterniß daſitzend erwarten, alles Edlen untheilhaftig?
Darum will ich den Kampf beſtehen: du gib mir er¬
wünſchten Erfolg!“
So betete Pelops und ſein Flehen war nicht verge¬
bens. Denn abermals rauſchte es in den Waſſern, und
ein ſchimmernder goldner Wagen mit vier pfeilſchnellen
Flügelroſſen ſtieg aus den Wellen empor. Auf ihn ſchwang
ſich Pelops und flog, die Götterpferde nach Gefallen lenkend,
mit dem Wind in die Wette nach Elis. Als Oenomaus
ihn kommen ſah, erſchrack er, denn auf den erſten Blick
erkannte er das göttliche Geſpann des Meergottes. Doch
verweigerte er dem Fremdlinge den Wettkampf nach den
gewohnten Bedingungen nicht; auch verließ er ſich auf
die Wunderkraft ſeiner eigenen Roſſe, die es dem Winde
zuvorthaten. Nachdem die Roſſe des Pelops von der
Reiſe durch die Halbinſel geraſtet, betrat er mit ihnen
die Laufbahn. Schon war er dem Ziele ganz nahe, als
der König, der das Widderopfer wie gewöhnlich verrich¬
tet hatte, mit ſeinen luftigen Roſſen plötzlich ihm auf
den Nacken kam, und ſchon den Speer ſchwang, dem
kühnen Freier den tödtlichen Stoß zu verſetzen. Da fügte
es Neptunus, der den Pelops beſchirmte, daß mitten im
Laufe die Räder des königlichen Wagens aus den Fu¬
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/215>, abgerufen am 24.11.2024.
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