digte den rasenden Ochsen so gründlich, daß, um den Stier nach dem Peloponnese zu schaffen, er sich von dem¬ selben auf dem ganzen Wege nach der See wie von einem Schiffe tragen ließ. Mit dieser Arbeit war Eurystheus zufrieden, ließ jedoch das Thier, nachdem er es eine kurze Weile mit Wohlgefallen betrachtet, sofort wieder frei. Als der Stier nicht mehr im Banne des Herkules war, kehrte seine alte Raserei zurück, er durchirrte ganz La¬ konien und Arkadien, streifte über den Isthmus nach Marathon in Attica und verheerte hier das Land wie vordem auf der Insel Kreta. Erst dem Theseus gelang es später, Meister über ihn zu werden.
Als achte Arbeit trug nun sein Vetter dem Herkules auf, die Stuten des Thraciers Diomedes nach Mycene zu bringen. Dieser war ein Sohn des Mars, und Kö¬ nig der Bistonen, eines sehr kriegerischen Volkes. Er be¬ saß Stuten, die so wild und stark waren, daß man sie an eherne Krippen und mit eisernen Ketten band. Ihr Futter bestand nicht aus Haber, sondern die Fremdlinge, welche das Unglück hatten, in die Stadt des Königes zu kommen, wurden ihnen vorgeworfen, und das Fleisch der¬ selben diente den Rossen zur Nahrung. Als Herkules ankam, war sein Erstes, den unmenschlichen König selbst zu fas¬ sen, und ihn seinen eigenen Stuten vorzuwerfen, nachdem er die bei den Krippen aufgestellten Wächter übermannt hatte. Durch diese Speise wurden die Thiere zahm, und er trieb sie nun ans Gestade des Meeres. Aber die Bis¬ tonen kamen unter Waffen hinter ihm her, daß Herkules sich umwenden und gegen sie kämpfen mußte. Er gab die Stuten seinem Liebling und Begleiter Abderus, dem Sohne Merkurs, zu bewachen. Als Herkules fort war,
digte den raſenden Ochſen ſo gründlich, daß, um den Stier nach dem Peloponneſe zu ſchaffen, er ſich von dem¬ ſelben auf dem ganzen Wege nach der See wie von einem Schiffe tragen ließ. Mit dieſer Arbeit war Euryſtheus zufrieden, ließ jedoch das Thier, nachdem er es eine kurze Weile mit Wohlgefallen betrachtet, ſofort wieder frei. Als der Stier nicht mehr im Banne des Herkules war, kehrte ſeine alte Raſerei zurück, er durchirrte ganz La¬ konien und Arkadien, ſtreifte über den Iſthmus nach Marathon in Attica und verheerte hier das Land wie vordem auf der Inſel Kreta. Erſt dem Theſeus gelang es ſpäter, Meiſter über ihn zu werden.
Als achte Arbeit trug nun ſein Vetter dem Herkules auf, die Stuten des Thraciers Diomedes nach Mycene zu bringen. Dieſer war ein Sohn des Mars, und Kö¬ nig der Bistonen, eines ſehr kriegeriſchen Volkes. Er be¬ ſaß Stuten, die ſo wild und ſtark waren, daß man ſie an eherne Krippen und mit eiſernen Ketten band. Ihr Futter beſtand nicht aus Haber, ſondern die Fremdlinge, welche das Unglück hatten, in die Stadt des Königes zu kommen, wurden ihnen vorgeworfen, und das Fleiſch der¬ ſelben diente den Roſſen zur Nahrung. Als Herkules ankam, war ſein Erſtes, den unmenſchlichen König ſelbſt zu faſ¬ ſen, und ihn ſeinen eigenen Stuten vorzuwerfen, nachdem er die bei den Krippen aufgeſtellten Wächter übermannt hatte. Durch dieſe Speiſe wurden die Thiere zahm, und er trieb ſie nun ans Geſtade des Meeres. Aber die Bis¬ tonen kamen unter Waffen hinter ihm her, daß Herkules ſich umwenden und gegen ſie kämpfen mußte. Er gab die Stuten ſeinem Liebling und Begleiter Abderus, dem Sohne Merkurs, zu bewachen. Als Herkules fort war,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0252"n="226"/>
digte den raſenden Ochſen ſo gründlich, daß, um den<lb/>
Stier nach dem Peloponneſe zu ſchaffen, er ſich von dem¬<lb/>ſelben auf dem ganzen Wege nach der See wie von einem<lb/>
Schiffe tragen ließ. Mit dieſer Arbeit war Euryſtheus<lb/>
zufrieden, ließ jedoch das Thier, nachdem er es eine kurze<lb/>
Weile mit Wohlgefallen betrachtet, ſofort wieder frei.<lb/>
Als der Stier nicht mehr im Banne des Herkules war,<lb/>
kehrte ſeine alte Raſerei zurück, er durchirrte ganz La¬<lb/>
konien und Arkadien, ſtreifte über den Iſthmus nach<lb/>
Marathon in Attica und verheerte hier das Land wie<lb/>
vordem auf der Inſel Kreta. Erſt dem Theſeus gelang<lb/>
es ſpäter, Meiſter über ihn zu werden.</p><lb/><p>Als achte Arbeit trug nun ſein Vetter dem Herkules<lb/>
auf, die Stuten des Thraciers Diomedes nach Mycene<lb/>
zu bringen. Dieſer war ein Sohn des Mars, und Kö¬<lb/>
nig der Bistonen, eines ſehr kriegeriſchen Volkes. Er be¬<lb/>ſaß Stuten, die ſo wild und ſtark waren, daß man ſie<lb/>
an eherne Krippen und mit eiſernen Ketten band. Ihr<lb/>
Futter beſtand nicht aus Haber, ſondern die Fremdlinge,<lb/>
welche das Unglück hatten, in die Stadt des Königes zu<lb/>
kommen, wurden ihnen vorgeworfen, und das Fleiſch der¬<lb/>ſelben diente den Roſſen zur Nahrung. Als Herkules ankam,<lb/>
war ſein Erſtes, den unmenſchlichen König ſelbſt zu faſ¬<lb/>ſen, und ihn ſeinen eigenen Stuten vorzuwerfen, nachdem<lb/>
er die bei den Krippen aufgeſtellten Wächter übermannt<lb/>
hatte. Durch dieſe Speiſe wurden die Thiere zahm, und<lb/>
er trieb ſie nun ans Geſtade des Meeres. Aber die Bis¬<lb/>
tonen kamen unter Waffen hinter ihm her, daß Herkules<lb/>ſich umwenden und gegen ſie kämpfen mußte. Er gab<lb/>
die Stuten ſeinem Liebling und Begleiter Abderus, dem<lb/>
Sohne Merkurs, zu bewachen. Als Herkules fort war,<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[226/0252]
digte den raſenden Ochſen ſo gründlich, daß, um den
Stier nach dem Peloponneſe zu ſchaffen, er ſich von dem¬
ſelben auf dem ganzen Wege nach der See wie von einem
Schiffe tragen ließ. Mit dieſer Arbeit war Euryſtheus
zufrieden, ließ jedoch das Thier, nachdem er es eine kurze
Weile mit Wohlgefallen betrachtet, ſofort wieder frei.
Als der Stier nicht mehr im Banne des Herkules war,
kehrte ſeine alte Raſerei zurück, er durchirrte ganz La¬
konien und Arkadien, ſtreifte über den Iſthmus nach
Marathon in Attica und verheerte hier das Land wie
vordem auf der Inſel Kreta. Erſt dem Theſeus gelang
es ſpäter, Meiſter über ihn zu werden.
Als achte Arbeit trug nun ſein Vetter dem Herkules
auf, die Stuten des Thraciers Diomedes nach Mycene
zu bringen. Dieſer war ein Sohn des Mars, und Kö¬
nig der Bistonen, eines ſehr kriegeriſchen Volkes. Er be¬
ſaß Stuten, die ſo wild und ſtark waren, daß man ſie
an eherne Krippen und mit eiſernen Ketten band. Ihr
Futter beſtand nicht aus Haber, ſondern die Fremdlinge,
welche das Unglück hatten, in die Stadt des Königes zu
kommen, wurden ihnen vorgeworfen, und das Fleiſch der¬
ſelben diente den Roſſen zur Nahrung. Als Herkules ankam,
war ſein Erſtes, den unmenſchlichen König ſelbſt zu faſ¬
ſen, und ihn ſeinen eigenen Stuten vorzuwerfen, nachdem
er die bei den Krippen aufgeſtellten Wächter übermannt
hatte. Durch dieſe Speiſe wurden die Thiere zahm, und
er trieb ſie nun ans Geſtade des Meeres. Aber die Bis¬
tonen kamen unter Waffen hinter ihm her, daß Herkules
ſich umwenden und gegen ſie kämpfen mußte. Er gab
die Stuten ſeinem Liebling und Begleiter Abderus, dem
Sohne Merkurs, zu bewachen. Als Herkules fort war,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/252>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.