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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838.

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die Absicht seines Kommens erkundet, versprach sie ihm
das Wehrgehenk. Aber Juno, die unversöhnliche Feindin
des Herkules, nahm die Gestalt einer Amazone an,
mischte sich unter die Menge der übrigen, und breitete
das Gerücht aus, daß ein Fremder ihre Königin entführe.
Augenblicklich schwangen sich alle Männinnen zu Pferde und
griffen den Halbgott in dem Lager an, das er vor der Stadt
aufgeschlagen hatte. Die gemeinen Amazonen fochten mit
den Kriegern des Helden, die vornehmsten aber stellten
sich ihm selbst gegenüber und bereiteten ihm einen schweren
Kampf. Die erste, die den Streit mit ihm begann, hieß,
von ihrer Schnelligkeit, Aella oder Windsbraut, aber sie
fand an Herkules einen noch schnelleren Gegner, mußte
weichen und ward auf windschneller Flucht von ihm eingeholt
und niedergemacht. Eine zweite fiel auf den ersten An¬
griff, dann Prothoe, die Dritte, die siebenmal im Zwei¬
kampfe gesiegt hatte. Nach ihr erlagen acht andere,
darunter drei Jagdgefährtinnen der Diana, die sonst im¬
mer so sicher mit dem Wurfspieße getroffen hatten, nur
dießmal ihr Ziel verfehlten, und vergebens unter ihren
Schilden sich deckend, den Pfeilen des Heros erlagen.
Auch Alcippe fiel, die geschworen, hatte, ihr Leben lang
unvermählt zu bleiben; den Schwur hielt sie, aber am
Leben blieb sie nicht. Nachdem auch Melanippe, die tapfere
Führerin der Amazonen, gefangen war, griffen alle zur
wilden Flucht, und Hippolyta, die Königin, gab das Wehr¬
gehenk heraus, wie sie auch vor der Schlacht versprochen
hatte. Herkules nahm es als Lösegeld an, und gab Me¬
lanippe dafür frei. Auf der Rückfahrt bestand der Held
ein neues Abentheuer. Hier war Hesione, Laomedon's
Tochter, an einen Felsen gebunden und einem Unge¬

die Abſicht ſeines Kommens erkundet, verſprach ſie ihm
das Wehrgehenk. Aber Juno, die unverſöhnliche Feindin
des Herkules, nahm die Geſtalt einer Amazone an,
miſchte ſich unter die Menge der übrigen, und breitete
das Gerücht aus, daß ein Fremder ihre Königin entführe.
Augenblicklich ſchwangen ſich alle Männinnen zu Pferde und
griffen den Halbgott in dem Lager an, das er vor der Stadt
aufgeſchlagen hatte. Die gemeinen Amazonen fochten mit
den Kriegern des Helden, die vornehmſten aber ſtellten
ſich ihm ſelbſt gegenüber und bereiteten ihm einen ſchweren
Kampf. Die erſte, die den Streit mit ihm begann, hieß,
von ihrer Schnelligkeit, Aella oder Windsbraut, aber ſie
fand an Herkules einen noch ſchnelleren Gegner, mußte
weichen und ward auf windſchneller Flucht von ihm eingeholt
und niedergemacht. Eine zweite fiel auf den erſten An¬
griff, dann Prothoe, die Dritte, die ſiebenmal im Zwei¬
kampfe geſiegt hatte. Nach ihr erlagen acht andere,
darunter drei Jagdgefährtinnen der Diana, die ſonſt im¬
mer ſo ſicher mit dem Wurfſpieße getroffen hatten, nur
dießmal ihr Ziel verfehlten, und vergebens unter ihren
Schilden ſich deckend, den Pfeilen des Heros erlagen.
Auch Alcippe fiel, die geſchworen, hatte, ihr Leben lang
unvermählt zu bleiben; den Schwur hielt ſie, aber am
Leben blieb ſie nicht. Nachdem auch Melanippe, die tapfere
Führerin der Amazonen, gefangen war, griffen alle zur
wilden Flucht, und Hippolyta, die Königin, gab das Wehr¬
gehenk heraus, wie ſie auch vor der Schlacht verſprochen
hatte. Herkules nahm es als Löſegeld an, und gab Me¬
lanippe dafür frei. Auf der Rückfahrt beſtand der Held
ein neues Abentheuer. Hier war Heſione, Laomedon's
Tochter, an einen Felſen gebunden und einem Unge¬

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[228/0254] die Abſicht ſeines Kommens erkundet, verſprach ſie ihm das Wehrgehenk. Aber Juno, die unverſöhnliche Feindin des Herkules, nahm die Geſtalt einer Amazone an, miſchte ſich unter die Menge der übrigen, und breitete das Gerücht aus, daß ein Fremder ihre Königin entführe. Augenblicklich ſchwangen ſich alle Männinnen zu Pferde und griffen den Halbgott in dem Lager an, das er vor der Stadt aufgeſchlagen hatte. Die gemeinen Amazonen fochten mit den Kriegern des Helden, die vornehmſten aber ſtellten ſich ihm ſelbſt gegenüber und bereiteten ihm einen ſchweren Kampf. Die erſte, die den Streit mit ihm begann, hieß, von ihrer Schnelligkeit, Aella oder Windsbraut, aber ſie fand an Herkules einen noch ſchnelleren Gegner, mußte weichen und ward auf windſchneller Flucht von ihm eingeholt und niedergemacht. Eine zweite fiel auf den erſten An¬ griff, dann Prothoe, die Dritte, die ſiebenmal im Zwei¬ kampfe geſiegt hatte. Nach ihr erlagen acht andere, darunter drei Jagdgefährtinnen der Diana, die ſonſt im¬ mer ſo ſicher mit dem Wurfſpieße getroffen hatten, nur dießmal ihr Ziel verfehlten, und vergebens unter ihren Schilden ſich deckend, den Pfeilen des Heros erlagen. Auch Alcippe fiel, die geſchworen, hatte, ihr Leben lang unvermählt zu bleiben; den Schwur hielt ſie, aber am Leben blieb ſie nicht. Nachdem auch Melanippe, die tapfere Führerin der Amazonen, gefangen war, griffen alle zur wilden Flucht, und Hippolyta, die Königin, gab das Wehr¬ gehenk heraus, wie ſie auch vor der Schlacht verſprochen hatte. Herkules nahm es als Löſegeld an, und gab Me¬ lanippe dafür frei. Auf der Rückfahrt beſtand der Held ein neues Abentheuer. Hier war Heſione, Laomedon's Tochter, an einen Felſen gebunden und einem Unge¬

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/254>, abgerufen am 22.11.2024.