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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838.

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Volksführer und Schmeichler der Menge gegen den leer¬
stehenden Thron aufgelehnt, und auch die Vornehmen auf¬
gewiegelt, indem er ihnen vorstellte, wie der König sie
dadurch, daß er sie von ihren Landsitzen in die Stadt
hereingezogen, zu Unterthanen und Sklaven gemacht habe.
Dem Volk aber hielt er vor, wie es, dem Traume der
Freiheit zu lieb, seine ländlichen Heiligthümer und Götter
habe verlassen müßen, und statt von vielen guten einhei¬
mischen Herren abhängig zu seyn, einem Fremdling und
Despoten diene. Wie nun Aphidnä's Eroberung durch
die Tyndariden Athen mit Schrecken erfüllte, da benützte
Menestheus auch diese Stimmung des Volkes. Er bewog
die Bürger, den Söhnen des Tyndareus, welche die Jung¬
frau Helena, ihren Wächtern entrissen, mit sich führten,
die Stadt zu öffnen und sie freundlich zu empfangen,
da dieselben nur gegen Theseus, als den Räuber des
Mädchens, Krieg führten. Ihr Betragen bewies, daß
Menestheus dießmal wahr gesprochen hatte: denn obgleich
sie durch offene Thore in Athen einzogen und alles dort
in ihrer Gewalt war, so thaten sie doch Niemand etwas
zu Leide, verlangten vielmehr nur, wie andere vornehme
Athener und Verwandte des Herkules, in den Geheimdienst
der eleusinischen Mysterien aufgenommen zu werden, und
zogen dann mit ihrer geretteten Helena, von den Bürgern,
die sie liebten und ehrten, zur Stadt hinausgeleitet, wie¬
der in ihre Heimath.


Theseus' Ende.

In seiner langen Gefangenschaft im Hades hatte
Theseus Zeit gehabt, das Unbesonnene und Unedle seiner

Volksführer und Schmeichler der Menge gegen den leer¬
ſtehenden Thron aufgelehnt, und auch die Vornehmen auf¬
gewiegelt, indem er ihnen vorſtellte, wie der König ſie
dadurch, daß er ſie von ihren Landſitzen in die Stadt
hereingezogen, zu Unterthanen und Sklaven gemacht habe.
Dem Volk aber hielt er vor, wie es, dem Traume der
Freiheit zu lieb, ſeine ländlichen Heiligthümer und Götter
habe verlaſſen müßen, und ſtatt von vielen guten einhei¬
miſchen Herren abhängig zu ſeyn, einem Fremdling und
Deſpoten diene. Wie nun Aphidnä's Eroberung durch
die Tyndariden Athen mit Schrecken erfüllte, da benützte
Meneſtheus auch dieſe Stimmung des Volkes. Er bewog
die Bürger, den Söhnen des Tyndareus, welche die Jung¬
frau Helena, ihren Wächtern entriſſen, mit ſich führten,
die Stadt zu öffnen und ſie freundlich zu empfangen,
da dieſelben nur gegen Theſeus, als den Räuber des
Mädchens, Krieg führten. Ihr Betragen bewies, daß
Meneſtheus dießmal wahr geſprochen hatte: denn obgleich
ſie durch offene Thore in Athen einzogen und alles dort
in ihrer Gewalt war, ſo thaten ſie doch Niemand etwas
zu Leide, verlangten vielmehr nur, wie andere vornehme
Athener und Verwandte des Herkules, in den Geheimdienſt
der eleuſiniſchen Myſterien aufgenommen zu werden, und
zogen dann mit ihrer geretteten Helena, von den Bürgern,
die ſie liebten und ehrten, zur Stadt hinausgeleitet, wie¬
der in ihre Heimath.


Theſeus' Ende.

In ſeiner langen Gefangenſchaft im Hades hatte
Theſeus Zeit gehabt, das Unbeſonnene und Unedle ſeiner

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[308/0334] Volksführer und Schmeichler der Menge gegen den leer¬ ſtehenden Thron aufgelehnt, und auch die Vornehmen auf¬ gewiegelt, indem er ihnen vorſtellte, wie der König ſie dadurch, daß er ſie von ihren Landſitzen in die Stadt hereingezogen, zu Unterthanen und Sklaven gemacht habe. Dem Volk aber hielt er vor, wie es, dem Traume der Freiheit zu lieb, ſeine ländlichen Heiligthümer und Götter habe verlaſſen müßen, und ſtatt von vielen guten einhei¬ miſchen Herren abhängig zu ſeyn, einem Fremdling und Deſpoten diene. Wie nun Aphidnä's Eroberung durch die Tyndariden Athen mit Schrecken erfüllte, da benützte Meneſtheus auch dieſe Stimmung des Volkes. Er bewog die Bürger, den Söhnen des Tyndareus, welche die Jung¬ frau Helena, ihren Wächtern entriſſen, mit ſich führten, die Stadt zu öffnen und ſie freundlich zu empfangen, da dieſelben nur gegen Theſeus, als den Räuber des Mädchens, Krieg führten. Ihr Betragen bewies, daß Meneſtheus dießmal wahr geſprochen hatte: denn obgleich ſie durch offene Thore in Athen einzogen und alles dort in ihrer Gewalt war, ſo thaten ſie doch Niemand etwas zu Leide, verlangten vielmehr nur, wie andere vornehme Athener und Verwandte des Herkules, in den Geheimdienſt der eleuſiniſchen Myſterien aufgenommen zu werden, und zogen dann mit ihrer geretteten Helena, von den Bürgern, die ſie liebten und ehrten, zur Stadt hinausgeleitet, wie¬ der in ihre Heimath. Theſeus' Ende. In ſeiner langen Gefangenſchaft im Hades hatte Theſeus Zeit gehabt, das Unbeſonnene und Unedle ſeiner

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/334>, abgerufen am 22.11.2024.