vernahmen, daß es Herkules Söhne seyen, die den Schutz der Athener anflehen, ergriff die Bürger nicht nur Mit¬ leid, sondern auch Ehrfurcht, und sie riefen dem Herolde, der bereit schien, Hand an einen der Flüchtlinge zu legen, zu, von dem Altare zurückzutreten, und sein Begehren bescheidentlich dem Könige des Landes vorzutragen. "Wer ist der König dieses Landes?" fragte Kopreus, durch die entschiedene Willensäusserung der Bürger eingeschüchtert. "Es ist ein Mann," war die Antwort, "dessen Schiedsrich¬ terspruche du dich gar wohl unterwerfen darfst. Demo¬ phoon, der Sohn des unsterblichen Theseus, ist unser König."
Demophoon.
Es dauerte nicht lange, so hatte den König in sei¬ ner Burg die Kunde erreicht, daß der Markt von Flücht¬ lingen besetzt und fremde Heeresmacht mit einem Herolde erschienen sey, sie zurückzufordern. Er selbst begab sich auf den Markt und vernahm aus dem Munde des Herol¬ des das Begehren des Eurystheus. "Ich bin ein Argi¬ ver," sprach zu ihm Kopreus, "und Argiver sind es, über die mein Herr Gewalt hat, die ich wegführen will. Du wirst nicht so sinnverlassen seyn, o Sohn des Theseus, daß du, allein von ganz Griechenland, dich des rathlosen Unglückes dieser Flüchtlinge erbarmest, und einen Kampf um dieselben mit der Kriegsmacht des Eurystheus und der mächtigen Bundesgenossenschaft dieses Fürsten vorziehest!"
Demophoon war ein weiser und besonnener Mann. "Wie sollte ich," sprach er auf die heftige Rede des
vernahmen, daß es Herkules Söhne ſeyen, die den Schutz der Athener anflehen, ergriff die Bürger nicht nur Mit¬ leid, ſondern auch Ehrfurcht, und ſie riefen dem Herolde, der bereit ſchien, Hand an einen der Flüchtlinge zu legen, zu, von dem Altare zurückzutreten, und ſein Begehren beſcheidentlich dem Könige des Landes vorzutragen. „Wer iſt der König dieſes Landes?“ fragte Kopreus, durch die entſchiedene Willensäuſſerung der Bürger eingeſchüchtert. „Es iſt ein Mann,“ war die Antwort, „deſſen Schiedsrich¬ terſpruche du dich gar wohl unterwerfen darfſt. Demo¬ phoon, der Sohn des unſterblichen Theſeus, iſt unſer König.“
Demophoon.
Es dauerte nicht lange, ſo hatte den König in ſei¬ ner Burg die Kunde erreicht, daß der Markt von Flücht¬ lingen beſetzt und fremde Heeresmacht mit einem Herolde erſchienen ſey, ſie zurückzufordern. Er ſelbſt begab ſich auf den Markt und vernahm aus dem Munde des Herol¬ des das Begehren des Euryſtheus. „Ich bin ein Argi¬ ver,“ ſprach zu ihm Kopreus, „und Argiver ſind es, über die mein Herr Gewalt hat, die ich wegführen will. Du wirſt nicht ſo ſinnverlaſſen ſeyn, o Sohn des Theſeus, daß du, allein von ganz Griechenland, dich des rathloſen Unglückes dieſer Flüchtlinge erbarmeſt, und einen Kampf um dieſelben mit der Kriegsmacht des Euryſtheus und der mächtigen Bundesgenoſſenſchaft dieſes Fürſten vorzieheſt!“
Demophoon war ein weiſer und beſonnener Mann. „Wie ſollte ich,“ ſprach er auf die heftige Rede des
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vernahmen, daß es Herkules Söhne ſeyen, die den Schutz
der Athener anflehen, ergriff die Bürger nicht nur Mit¬
leid, ſondern auch Ehrfurcht, und ſie riefen dem Herolde,
der bereit ſchien, Hand an einen der Flüchtlinge zu legen,
zu, von dem Altare zurückzutreten, und ſein Begehren
beſcheidentlich dem Könige des Landes vorzutragen. „Wer
iſt der König dieſes Landes?“ fragte Kopreus, durch die
entſchiedene Willensäuſſerung der Bürger eingeſchüchtert.
„Es iſt ein Mann,“ war die Antwort, „deſſen Schiedsrich¬
terſpruche du dich gar wohl unterwerfen darfſt. Demo¬
phoon, der Sohn des unſterblichen Theſeus, iſt unſer
König.“
Demophoon.
Es dauerte nicht lange, ſo hatte den König in ſei¬
ner Burg die Kunde erreicht, daß der Markt von Flücht¬
lingen beſetzt und fremde Heeresmacht mit einem Herolde
erſchienen ſey, ſie zurückzufordern. Er ſelbſt begab ſich
auf den Markt und vernahm aus dem Munde des Herol¬
des das Begehren des Euryſtheus. „Ich bin ein Argi¬
ver,“ ſprach zu ihm Kopreus, „und Argiver ſind es, über
die mein Herr Gewalt hat, die ich wegführen will. Du
wirſt nicht ſo ſinnverlaſſen ſeyn, o Sohn des Theſeus,
daß du, allein von ganz Griechenland, dich des rathloſen
Unglückes dieſer Flüchtlinge erbarmeſt, und einen Kampf
um dieſelben mit der Kriegsmacht des Euryſtheus und der
mächtigen Bundesgenoſſenſchaft dieſes Fürſten vorzieheſt!“
Demophoon war ein weiſer und beſonnener Mann.
„Wie ſollte ich,“ ſprach er auf die heftige Rede des
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/414>, abgerufen am 21.11.2024.
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