versenkten das Herz Hektors in Schwermuth, und er eilte im Glanze seiner Erzrüstung voran. Jupiter aber schüt¬ telte die Aegide, hüllte den Ida in Wolken, und gab durch Blitz und Donner den Trojanern das Zeichen des Siegs.
Der Böotier Penelus, dem der Speer des Poly¬ damas die Schultern gestreift, war der Erste, der zur Flucht umwendete. Den Letus machte Hektor kampfun¬ fähig, indem er ihm die Hand am Knöchel durchstach; ihn selbst verfehlte der Speer des Idomeneus; und statt diesen, der eben erst zu Fuße von den Schiffen angekom¬ men war, mit dem Gegenwurfe zu treffen, durchschmetterte Hektors Speer Ohr und Wange des Köranus, der mit Meriones und seinem Wagen dem Idomeneus zum Heile vorangefahren war. Der Speer stieß ihm die Zähne aus und durchschnitt die Zunge, und der Held entsank dem Wagen; Meriones hob die Zügel aus dem Staub auf und gab sie seinem Freund Idomeneus, der sich schnell in den Wagensitz schwang und das Gespann fliehend den Schiffen zu trieb. Als der herrliche Ajax dieß sah, brach er gegen seinen Nebenstreiter Menelaus in so lauten Jam¬ mer aus, daß Jupiter selbst Mitleid mit ihm fühlte, das Nebelgewölk zerstreute und die Schlacht wieder von der Sonne beleuchten ließ. "Sieh doch zu, Menelaus," sprach jetzt Ajax, "ob du nicht den Antilochus, den Sohn des Nestor, irgendwo noch lebend erblickst. Der wär' uns ein tauglicher Bote zu Achilles, ihm zu melden, daß sein Freund Patroklus todt im Staube liege." Menelaus ging mit spähendem Blicke, wie ein Adler nach dem flüchtigen Hasen späht, der im Laubgesträuch hingeduckt sitzt, und bald erkannte er ihn links im Gewühl des Treffens.
verſenkten das Herz Hektors in Schwermuth, und er eilte im Glanze ſeiner Erzrüſtung voran. Jupiter aber ſchüt¬ telte die Aegide, hüllte den Ida in Wolken, und gab durch Blitz und Donner den Trojanern das Zeichen des Siegs.
Der Böotier Penelus, dem der Speer des Poly¬ damas die Schultern geſtreift, war der Erſte, der zur Flucht umwendete. Den Letus machte Hektor kampfun¬ fähig, indem er ihm die Hand am Knöchel durchſtach; ihn ſelbſt verfehlte der Speer des Idomeneus; und ſtatt dieſen, der eben erſt zu Fuße von den Schiffen angekom¬ men war, mit dem Gegenwurfe zu treffen, durchſchmetterte Hektors Speer Ohr und Wange des Köranus, der mit Meriones und ſeinem Wagen dem Idomeneus zum Heile vorangefahren war. Der Speer ſtieß ihm die Zähne aus und durchſchnitt die Zunge, und der Held entſank dem Wagen; Meriones hob die Zügel aus dem Staub auf und gab ſie ſeinem Freund Idomeneus, der ſich ſchnell in den Wagenſitz ſchwang und das Geſpann fliehend den Schiffen zu trieb. Als der herrliche Ajax dieß ſah, brach er gegen ſeinen Nebenſtreiter Menelaus in ſo lauten Jam¬ mer aus, daß Jupiter ſelbſt Mitleid mit ihm fühlte, das Nebelgewölk zerſtreute und die Schlacht wieder von der Sonne beleuchten ließ. „Sieh doch zu, Menelaus,“ ſprach jetzt Ajax, „ob du nicht den Antilochus, den Sohn des Neſtor, irgendwo noch lebend erblickſt. Der wär' uns ein tauglicher Bote zu Achilles, ihm zu melden, daß ſein Freund Patroklus todt im Staube liege.“ Menelaus ging mit ſpähendem Blicke, wie ein Adler nach dem flüchtigen Haſen ſpäht, der im Laubgeſträuch hingeduckt ſitzt, und bald erkannte er ihn links im Gewühl des Treffens.
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verſenkten das Herz Hektors in Schwermuth, und er eilte
im Glanze ſeiner Erzrüſtung voran. Jupiter aber ſchüt¬
telte die Aegide, hüllte den Ida in Wolken, und gab
durch Blitz und Donner den Trojanern das Zeichen
des Siegs.
Der Böotier Penelus, dem der Speer des Poly¬
damas die Schultern geſtreift, war der Erſte, der zur
Flucht umwendete. Den Letus machte Hektor kampfun¬
fähig, indem er ihm die Hand am Knöchel durchſtach;
ihn ſelbſt verfehlte der Speer des Idomeneus; und ſtatt
dieſen, der eben erſt zu Fuße von den Schiffen angekom¬
men war, mit dem Gegenwurfe zu treffen, durchſchmetterte
Hektors Speer Ohr und Wange des Köranus, der mit
Meriones und ſeinem Wagen dem Idomeneus zum Heile
vorangefahren war. Der Speer ſtieß ihm die Zähne aus
und durchſchnitt die Zunge, und der Held entſank dem
Wagen; Meriones hob die Zügel aus dem Staub auf
und gab ſie ſeinem Freund Idomeneus, der ſich ſchnell in
den Wagenſitz ſchwang und das Geſpann fliehend den
Schiffen zu trieb. Als der herrliche Ajax dieß ſah, brach
er gegen ſeinen Nebenſtreiter Menelaus in ſo lauten Jam¬
mer aus, daß Jupiter ſelbſt Mitleid mit ihm fühlte, das
Nebelgewölk zerſtreute und die Schlacht wieder von der
Sonne beleuchten ließ. „Sieh doch zu, Menelaus,“ ſprach
jetzt Ajax, „ob du nicht den Antilochus, den Sohn des
Neſtor, irgendwo noch lebend erblickſt. Der wär' uns ein
tauglicher Bote zu Achilles, ihm zu melden, daß ſein
Freund Patroklus todt im Staube liege.“ Menelaus ging
mit ſpähendem Blicke, wie ein Adler nach dem flüchtigen
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/257>, abgerufen am 22.11.2024.
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