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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839.

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verzehren; nicht der Flammen, der Hunde Raub soll er
seyn!" So sprach er drohend; doch die Götter fügten
dieses nicht so: Tag und Nacht wehrte Aphrodite die
heißhungrigen Hunde von Hektors Leichnam ab, und salbte
ihn mit ambrosischem Balsam voll Rosenduft, daß auch
keine Spur von der Schleifung übrig blieb. Apollo zog
eine dunkle Wolke über die Stelle, wo er lag, daß die
Sonne sein Fleisch nicht ausdörren konnte.

Der Scheiterhaufen des Patroklus war nun zwar
angezündet, aber die Gluth wollte nicht lodern. Da
wandte sich Achilles abermals vom Gerüste, gelobte den
Winden Boreas und Zephyrus Opfer, spendete ihnen
Wein aus goldenem Becher, und flehte sie, das Holz mit
raschem Hauche zum Brand anzufachen. Iris brachte den
Winden die Botschaft; diese kamen mit grauenvollem
Getöse über das Meer gestürmt, und stürzten sich in den
Scheiterhaufen. Die ganze Nacht sausten sie um das
Gerüst und durchwühlten es mit Flammen, während
Achilles unaufhörlich aus goldnem Krug und Becher der
Seele seines todten Freundes Opferspenden darbrachte.
Mit der Morgenröthe ruhten Winde und Flammen, und
der Holzstoß fiel in Asche. In der Mitte der Kohlen lag
abgesondert das Gebein des Patroklus; am äußersten
Rande lagen vermischt untereinander die Gebeine der
Thiere und Männer. Auf den Befehl des Peliden lösch¬
ten die Helden den glühenden Schutt mit rothem Weine,
sammelten unter Thränen das weiße Gebein ihres Freun¬
des, bargen es, mit einer doppelten Lage von Fett umge¬
ben, in eine goldene Urne, und stellten diese im Zelte auf.
Alsdann nahmen sie im Umkreise das Maaß zu seinem
Denkmal, legten rings um den abgebrannten Scheiterhaufen

verzehren; nicht der Flammen, der Hunde Raub ſoll er
ſeyn!“ So ſprach er drohend; doch die Götter fügten
dieſes nicht ſo: Tag und Nacht wehrte Aphrodite die
heißhungrigen Hunde von Hektors Leichnam ab, und ſalbte
ihn mit ambroſiſchem Balſam voll Roſenduft, daß auch
keine Spur von der Schleifung übrig blieb. Apollo zog
eine dunkle Wolke über die Stelle, wo er lag, daß die
Sonne ſein Fleiſch nicht ausdörren konnte.

Der Scheiterhaufen des Patroklus war nun zwar
angezündet, aber die Gluth wollte nicht lodern. Da
wandte ſich Achilles abermals vom Gerüſte, gelobte den
Winden Boreas und Zephyrus Opfer, ſpendete ihnen
Wein aus goldenem Becher, und flehte ſie, das Holz mit
raſchem Hauche zum Brand anzufachen. Iris brachte den
Winden die Botſchaft; dieſe kamen mit grauenvollem
Getöſe über das Meer geſtürmt, und ſtürzten ſich in den
Scheiterhaufen. Die ganze Nacht ſauſten ſie um das
Gerüſt und durchwühlten es mit Flammen, während
Achilles unaufhörlich aus goldnem Krug und Becher der
Seele ſeines todten Freundes Opferſpenden darbrachte.
Mit der Morgenröthe ruhten Winde und Flammen, und
der Holzſtoß fiel in Aſche. In der Mitte der Kohlen lag
abgeſondert das Gebein des Patroklus; am äußerſten
Rande lagen vermiſcht untereinander die Gebeine der
Thiere und Männer. Auf den Befehl des Peliden löſch¬
ten die Helden den glühenden Schutt mit rothem Weine,
ſammelten unter Thränen das weiße Gebein ihres Freun¬
des, bargen es, mit einer doppelten Lage von Fett umge¬
ben, in eine goldene Urne, und ſtellten dieſe im Zelte auf.
Alsdann nahmen ſie im Umkreiſe das Maaß zu ſeinem
Denkmal, legten rings um den abgebrannten Scheiterhaufen

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[293/0315] verzehren; nicht der Flammen, der Hunde Raub ſoll er ſeyn!“ So ſprach er drohend; doch die Götter fügten dieſes nicht ſo: Tag und Nacht wehrte Aphrodite die heißhungrigen Hunde von Hektors Leichnam ab, und ſalbte ihn mit ambroſiſchem Balſam voll Roſenduft, daß auch keine Spur von der Schleifung übrig blieb. Apollo zog eine dunkle Wolke über die Stelle, wo er lag, daß die Sonne ſein Fleiſch nicht ausdörren konnte. Der Scheiterhaufen des Patroklus war nun zwar angezündet, aber die Gluth wollte nicht lodern. Da wandte ſich Achilles abermals vom Gerüſte, gelobte den Winden Boreas und Zephyrus Opfer, ſpendete ihnen Wein aus goldenem Becher, und flehte ſie, das Holz mit raſchem Hauche zum Brand anzufachen. Iris brachte den Winden die Botſchaft; dieſe kamen mit grauenvollem Getöſe über das Meer geſtürmt, und ſtürzten ſich in den Scheiterhaufen. Die ganze Nacht ſauſten ſie um das Gerüſt und durchwühlten es mit Flammen, während Achilles unaufhörlich aus goldnem Krug und Becher der Seele ſeines todten Freundes Opferſpenden darbrachte. Mit der Morgenröthe ruhten Winde und Flammen, und der Holzſtoß fiel in Aſche. In der Mitte der Kohlen lag abgeſondert das Gebein des Patroklus; am äußerſten Rande lagen vermiſcht untereinander die Gebeine der Thiere und Männer. Auf den Befehl des Peliden löſch¬ ten die Helden den glühenden Schutt mit rothem Weine, ſammelten unter Thränen das weiße Gebein ihres Freun¬ des, bargen es, mit einer doppelten Lage von Fett umge¬ ben, in eine goldene Urne, und ſtellten dieſe im Zelte auf. Alsdann nahmen ſie im Umkreiſe das Maaß zu ſeinem Denkmal, legten rings um den abgebrannten Scheiterhaufen

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/315>, abgerufen am 21.11.2024.