Griechenland mitbringe, so werden die Griechen nach Troja kommen, die Stadt schleifen, den Priamus und alle seine Söhne niedermachen. Diese Wahrsagung brachte Zwiespalt in den Rath. Troilus, der jüngste Sohn des Priamus, ein thatenlustiger Jüngling, wollte von den Prophezeihun¬ gen seines Bruders nichts hören, schalt seine Furchtsamkeit und rieth, sich von seinen Drohungen nicht vom Kriege abschrecken zu lassen. Andere zeigten sich bedenklicher. Priamus aber trat auf die Seite seines Sohnes Paris, denn ihn verlangte sehnlich nach der Schwester.
Nun wurde von dem König eine Volksversammlung berufen, in welcher Priamus den Trojanern vortrug, wie er schon früher unter Antenor's Anführung eine Gesandt¬ schaft nach Griechenland geschickt. Genugthuung für den Raub der Schwester und diese selbst zurückverlangt hätte. Damals sey Antenor mit Schmach abgewiesen worden, jetzt aber gedenke er, wenn es der Volksversammlung so gefalle, seinen eigenen Sohn Paris mit einer ansehnlichen Kriegsmacht auszusenden und das mit Gewalt zu erzwin¬ gen, was Güte nicht zuwege gebracht. Zur Unterstützung dieses Vorschlags erhub sich Antenor, schilderte mit Unwil¬ len, was er selbst, als friedlicher Gesandter, Schmähliches in Griechenland geduldet hatte, und beschrieb das Volk der Griechen als trotzig im Frieden und verzagt im Kriege. Seine Worte feuerten das Volk an, daß es sich mit lau¬ tem Zurufe für den Krieg erklärte. Aber der weise König Priamus wollte die Sache nicht leichtsinnig beschlossen wissen und forderte Jeden auf zu sprechen, der ein Beden¬ ken in dieser Angelegenheit auf dem Herzen hätte. Da stand Panthous, einer der Aeltesten Troja's, in der Ver¬ sammlung auf, und erzählte, was sein Vater Othryas,
Griechenland mitbringe, ſo werden die Griechen nach Troja kommen, die Stadt ſchleifen, den Priamus und alle ſeine Söhne niedermachen. Dieſe Wahrſagung brachte Zwieſpalt in den Rath. Troilus, der jüngſte Sohn des Priamus, ein thatenluſtiger Jüngling, wollte von den Prophezeihun¬ gen ſeines Bruders nichts hören, ſchalt ſeine Furchtſamkeit und rieth, ſich von ſeinen Drohungen nicht vom Kriege abſchrecken zu laſſen. Andere zeigten ſich bedenklicher. Priamus aber trat auf die Seite ſeines Sohnes Paris, denn ihn verlangte ſehnlich nach der Schweſter.
Nun wurde von dem König eine Volksverſammlung berufen, in welcher Priamus den Trojanern vortrug, wie er ſchon früher unter Antenor's Anführung eine Geſandt¬ ſchaft nach Griechenland geſchickt. Genugthuung für den Raub der Schweſter und dieſe ſelbſt zurückverlangt hätte. Damals ſey Antenor mit Schmach abgewieſen worden, jetzt aber gedenke er, wenn es der Volksverſammlung ſo gefalle, ſeinen eigenen Sohn Paris mit einer anſehnlichen Kriegsmacht auszuſenden und das mit Gewalt zu erzwin¬ gen, was Güte nicht zuwege gebracht. Zur Unterſtützung dieſes Vorſchlags erhub ſich Antenor, ſchilderte mit Unwil¬ len, was er ſelbſt, als friedlicher Geſandter, Schmähliches in Griechenland geduldet hatte, und beſchrieb das Volk der Griechen als trotzig im Frieden und verzagt im Kriege. Seine Worte feuerten das Volk an, daß es ſich mit lau¬ tem Zurufe für den Krieg erklärte. Aber der weiſe König Priamus wollte die Sache nicht leichtſinnig beſchloſſen wiſſen und forderte Jeden auf zu ſprechen, der ein Beden¬ ken in dieſer Angelegenheit auf dem Herzen hätte. Da ſtand Panthous, einer der Aelteſten Troja's, in der Ver¬ ſammlung auf, und erzählte, was ſein Vater Othryas,
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Griechenland mitbringe, ſo werden die Griechen nach Troja
kommen, die Stadt ſchleifen, den Priamus und alle ſeine
Söhne niedermachen. Dieſe Wahrſagung brachte Zwieſpalt
in den Rath. Troilus, der jüngſte Sohn des Priamus,
ein thatenluſtiger Jüngling, wollte von den Prophezeihun¬
gen ſeines Bruders nichts hören, ſchalt ſeine Furchtſamkeit
und rieth, ſich von ſeinen Drohungen nicht vom Kriege
abſchrecken zu laſſen. Andere zeigten ſich bedenklicher.
Priamus aber trat auf die Seite ſeines Sohnes Paris,
denn ihn verlangte ſehnlich nach der Schweſter.
Nun wurde von dem König eine Volksverſammlung
berufen, in welcher Priamus den Trojanern vortrug, wie
er ſchon früher unter Antenor's Anführung eine Geſandt¬
ſchaft nach Griechenland geſchickt. Genugthuung für den
Raub der Schweſter und dieſe ſelbſt zurückverlangt hätte.
Damals ſey Antenor mit Schmach abgewieſen worden,
jetzt aber gedenke er, wenn es der Volksverſammlung ſo
gefalle, ſeinen eigenen Sohn Paris mit einer anſehnlichen
Kriegsmacht auszuſenden und das mit Gewalt zu erzwin¬
gen, was Güte nicht zuwege gebracht. Zur Unterſtützung
dieſes Vorſchlags erhub ſich Antenor, ſchilderte mit Unwil¬
len, was er ſelbſt, als friedlicher Geſandter, Schmähliches
in Griechenland geduldet hatte, und beſchrieb das Volk
der Griechen als trotzig im Frieden und verzagt im Kriege.
Seine Worte feuerten das Volk an, daß es ſich mit lau¬
tem Zurufe für den Krieg erklärte. Aber der weiſe König
Priamus wollte die Sache nicht leichtſinnig beſchloſſen
wiſſen und forderte Jeden auf zu ſprechen, der ein Beden¬
ken in dieſer Angelegenheit auf dem Herzen hätte. Da
ſtand Panthous, einer der Aelteſten Troja's, in der Ver¬
ſammlung auf, und erzählte, was ſein Vater Othryas,
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/35>, abgerufen am 21.11.2024.
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