trennen wollten, folgten unten mit tiefem Stöhnen, bis sie den staunenden Troern und Argivern mit der Leiche aus den Augen schwanden. Die Winde setzten den Leich¬ nam am Fuße des Flusses Aesopus nieder, dessen Töchter, anmuthige Nymphen, ihm in einem lieblichen Haine ein Grabmal errichteten, wo ihn seine vom Himmel herab¬ gestiegene Mutter Aurora mit vielen andern Nymphen unter heißen Thränen bestatten half. Auch die Troer, in ihre Stadt zurückgekehrt, beklagten den hohen Memnon herzlich. Die Argiver selbst empfanden keine ungetrübte Freude: sie priesen zwar den Sieger Achilles, den Stolz des Heeres, aber sie weinten auch mit Nestor um seinen lieben Sohn Antilochus; und so durchwachten sie unter Schmerz und Lust die Nacht auf dem Schlachtfelde.
Der Tod des Achilles.
Am andern Morgen trugen seine Volksgenossen, die Pylier, den Leichnam ihres Königssohnes Antilochus unter Wehklagen hinweg zu den Schiffen, und bestatteten ihn dort an den Ufern des Hellespontes. Der greise Nestor aber blieb fest in seinem Gemüth und bewältigte den Schmerz durch Besonnenheit. Achilles jedoch rastete nicht. Sein Grimm über den Tod des Freundes jagte ihn mit Tages Anbruche unter die Trojaner, die auch schon kampflustig ihre Mauern verlassen hatten, obgleich sie vor dem Speere des göttergleichen Achilles bebten. Bald wurde der Kampf wieder allgemein, der Held erschlug eine Unzahl von Feinden, und verfolgte die Trojaner bis vor
trennen wollten, folgten unten mit tiefem Stöhnen, bis ſie den ſtaunenden Troern und Argivern mit der Leiche aus den Augen ſchwanden. Die Winde ſetzten den Leich¬ nam am Fuße des Fluſſes Aeſopus nieder, deſſen Töchter, anmuthige Nymphen, ihm in einem lieblichen Haine ein Grabmal errichteten, wo ihn ſeine vom Himmel herab¬ geſtiegene Mutter Aurora mit vielen andern Nymphen unter heißen Thränen beſtatten half. Auch die Troer, in ihre Stadt zurückgekehrt, beklagten den hohen Memnon herzlich. Die Argiver ſelbſt empfanden keine ungetrübte Freude: ſie prieſen zwar den Sieger Achilles, den Stolz des Heeres, aber ſie weinten auch mit Neſtor um ſeinen lieben Sohn Antilochus; und ſo durchwachten ſie unter Schmerz und Luſt die Nacht auf dem Schlachtfelde.
Der Tod des Achilles.
Am andern Morgen trugen ſeine Volksgenoſſen, die Pylier, den Leichnam ihres Königsſohnes Antilochus unter Wehklagen hinweg zu den Schiffen, und beſtatteten ihn dort an den Ufern des Hellespontes. Der greiſe Neſtor aber blieb feſt in ſeinem Gemüth und bewältigte den Schmerz durch Beſonnenheit. Achilles jedoch raſtete nicht. Sein Grimm über den Tod des Freundes jagte ihn mit Tages Anbruche unter die Trojaner, die auch ſchon kampfluſtig ihre Mauern verlaſſen hatten, obgleich ſie vor dem Speere des göttergleichen Achilles bebten. Bald wurde der Kampf wieder allgemein, der Held erſchlug eine Unzahl von Feinden, und verfolgte die Trojaner bis vor
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trennen wollten, folgten unten mit tiefem Stöhnen, bis
ſie den ſtaunenden Troern und Argivern mit der Leiche
aus den Augen ſchwanden. Die Winde ſetzten den Leich¬
nam am Fuße des Fluſſes Aeſopus nieder, deſſen Töchter,
anmuthige Nymphen, ihm in einem lieblichen Haine ein
Grabmal errichteten, wo ihn ſeine vom Himmel herab¬
geſtiegene Mutter Aurora mit vielen andern Nymphen
unter heißen Thränen beſtatten half. Auch die Troer, in ihre
Stadt zurückgekehrt, beklagten den hohen Memnon herzlich.
Die Argiver ſelbſt empfanden keine ungetrübte Freude: ſie
prieſen zwar den Sieger Achilles, den Stolz des Heeres,
aber ſie weinten auch mit Neſtor um ſeinen lieben Sohn
Antilochus; und ſo durchwachten ſie unter Schmerz und
Luſt die Nacht auf dem Schlachtfelde.
Der Tod des Achilles.
Am andern Morgen trugen ſeine Volksgenoſſen, die
Pylier, den Leichnam ihres Königsſohnes Antilochus unter
Wehklagen hinweg zu den Schiffen, und beſtatteten ihn
dort an den Ufern des Hellespontes. Der greiſe Neſtor
aber blieb feſt in ſeinem Gemüth und bewältigte den
Schmerz durch Beſonnenheit. Achilles jedoch raſtete nicht.
Sein Grimm über den Tod des Freundes jagte ihn
mit Tages Anbruche unter die Trojaner, die auch ſchon
kampfluſtig ihre Mauern verlaſſen hatten, obgleich ſie vor
dem Speere des göttergleichen Achilles bebten. Bald
wurde der Kampf wieder allgemein, der Held erſchlug eine
Unzahl von Feinden, und verfolgte die Trojaner bis vor
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/364>, abgerufen am 21.11.2024.
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