die Ermordung meines Vetters zu drohen, zog ich den Haß des falschen Laertiaden auf mich und wurde diesen ganzen Krieg über von ihm geplagt. Auch ruhte er nicht, bis er mit dem lügnerischen Seher Kalchas meinen Unter¬ gang verabredet hatte. Als nämlich meine Landsleute die oft beschlossene und wieder aufgehobene Flucht endlich ins Werk setzten, und dieses hölzerne Pferd hier schon aufge¬ zimmert stand, schickten sie den Eurypylus zu einem Orakel des Apollo, weil sie am Himmel bedenkliche Wunder¬ zeichen beobachtet hatten. Dieser brachte aus dem Heilig¬ thum des Gottes den traurigen Spruch mit: ""Ihr habt bei eurem Auszuge die empörten Winde mit dem Blut einer Jungfrau versöhnt: mit Blut müßt ihr auch den Rückweg erkaufen und eine Griechenseele opfern."" Dem Kriegsvolke lief ein kalter Schauder durch die Gebeine, als es dieses hörte. Da zog Odysseus den Propheten Kalchas mit großem Lärm in die Volksversammlung und bat ihn, den Willen der Götter zu offenbaren. Fünf Tage lang schwieg der Betrüger und weigerte sich heuch¬ lerisch, einen Griechen für den Tod zu bezeichnen. End¬ lich, wie gezwungen durch das Geschrei des Odysseus, nennt er meinen Namen. Alle stimmten bei, denn jeder war froh, das Verderben von seinem eigenen Haupte ab¬ gewendet zu sehen. Und schon war der Schreckenstag erschienen, ich wurde zum Opfer ausgeschmückt, mein Haupt mit den heiligen Binden umwunden, der Altar und das geschrotene Korn in Bereitschaft gehalten. Da zerriß ich meine Bande, entfloh und versteckte mich, bis sie abge¬ segelt waren, im Schilfrohr eines nahen Sumpfes. Dann kroch ich hervor und suchte ein Obdach unter dem Bauch ihres heiligen Rosses. In mein Vaterland und zu meinen
die Ermordung meines Vetters zu drohen, zog ich den Haß des falſchen Laertiaden auf mich und wurde dieſen ganzen Krieg über von ihm geplagt. Auch ruhte er nicht, bis er mit dem lügneriſchen Seher Kalchas meinen Unter¬ gang verabredet hatte. Als nämlich meine Landsleute die oft beſchloſſene und wieder aufgehobene Flucht endlich ins Werk ſetzten, und dieſes hölzerne Pferd hier ſchon aufge¬ zimmert ſtand, ſchickten ſie den Eurypylus zu einem Orakel des Apollo, weil ſie am Himmel bedenkliche Wunder¬ zeichen beobachtet hatten. Dieſer brachte aus dem Heilig¬ thum des Gottes den traurigen Spruch mit: „„Ihr habt bei eurem Auszuge die empörten Winde mit dem Blut einer Jungfrau verſöhnt: mit Blut müßt ihr auch den Rückweg erkaufen und eine Griechenſeele opfern.““ Dem Kriegsvolke lief ein kalter Schauder durch die Gebeine, als es dieſes hörte. Da zog Odyſſeus den Propheten Kalchas mit großem Lärm in die Volksverſammlung und bat ihn, den Willen der Götter zu offenbaren. Fünf Tage lang ſchwieg der Betrüger und weigerte ſich heuch¬ leriſch, einen Griechen für den Tod zu bezeichnen. End¬ lich, wie gezwungen durch das Geſchrei des Odyſſeus, nennt er meinen Namen. Alle ſtimmten bei, denn jeder war froh, das Verderben von ſeinem eigenen Haupte ab¬ gewendet zu ſehen. Und ſchon war der Schreckenstag erſchienen, ich wurde zum Opfer ausgeſchmückt, mein Haupt mit den heiligen Binden umwunden, der Altar und das geſchrotene Korn in Bereitſchaft gehalten. Da zerriß ich meine Bande, entfloh und verſteckte mich, bis ſie abge¬ ſegelt waren, im Schilfrohr eines nahen Sumpfes. Dann kroch ich hervor und ſuchte ein Obdach unter dem Bauch ihres heiligen Roſſes. In mein Vaterland und zu meinen
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die Ermordung meines Vetters zu drohen, zog ich den
Haß des falſchen Laertiaden auf mich und wurde dieſen
ganzen Krieg über von ihm geplagt. Auch ruhte er nicht,
bis er mit dem lügneriſchen Seher Kalchas meinen Unter¬
gang verabredet hatte. Als nämlich meine Landsleute die
oft beſchloſſene und wieder aufgehobene Flucht endlich ins
Werk ſetzten, und dieſes hölzerne Pferd hier ſchon aufge¬
zimmert ſtand, ſchickten ſie den Eurypylus zu einem Orakel
des Apollo, weil ſie am Himmel bedenkliche Wunder¬
zeichen beobachtet hatten. Dieſer brachte aus dem Heilig¬
thum des Gottes den traurigen Spruch mit: „„Ihr habt
bei eurem Auszuge die empörten Winde mit dem Blut
einer Jungfrau verſöhnt: mit Blut müßt ihr auch den
Rückweg erkaufen und eine Griechenſeele opfern.““ Dem
Kriegsvolke lief ein kalter Schauder durch die Gebeine,
als es dieſes hörte. Da zog Odyſſeus den Propheten
Kalchas mit großem Lärm in die Volksverſammlung und
bat ihn, den Willen der Götter zu offenbaren. Fünf
Tage lang ſchwieg der Betrüger und weigerte ſich heuch¬
leriſch, einen Griechen für den Tod zu bezeichnen. End¬
lich, wie gezwungen durch das Geſchrei des Odyſſeus,
nennt er meinen Namen. Alle ſtimmten bei, denn jeder
war froh, das Verderben von ſeinem eigenen Haupte ab¬
gewendet zu ſehen. Und ſchon war der Schreckenstag
erſchienen, ich wurde zum Opfer ausgeſchmückt, mein
Haupt mit den heiligen Binden umwunden, der Altar und
das geſchrotene Korn in Bereitſchaft gehalten. Da zerriß
ich meine Bande, entfloh und verſteckte mich, bis ſie abge¬
ſegelt waren, im Schilfrohr eines nahen Sumpfes. Dann
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/434>, abgerufen am 22.11.2024.
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