allenthalben umher, ob nicht einer der Trojaner erwacht sey. Dann, wie ein heißhungriger Wolf mit aller Vorsicht zwischen Hirten und Hunden hindurch in den Pferch schleicht, stieg er die Sprossen der Leiter herab, die Epeus zugleich mit dem Pferde verfertigt und jetzt herunter gelassen hatte, und ein Held um den andern folgte ihm mit klopfendem Herzen. Als die Höhlung des Rosses sich ganz entleert hatte, schüttelten sie ihre Lanzen, zogen ihre Schwerter, und verbreiteten sich durch die Straßen und in die Häuser der Stadt. Ein gräßliches Gemetzel entstand unter den schlaftrunkenen und berauschten Trojanern; Feuerbrände wurden in ihre Wohnungen geschleudert und bald loder¬ ten die Dächer über ihren Häuptern. Zu gleicher Zeit trieb ein günstiger Fahrwind die Flotte der Griechen, die auf Sinons Fackelzeichen von Tenedos aufgebrochen war, in den Hafen des Hellespontes, und bald stürzte sich das ganze Heer der Danaer durch die breite Mauerlücke, durch welche Tags zuvor das Roß hereingezogen worden war, in die Stadt, von Kampfbegierde schnaubend. Jetzt erst erfüllte sich die eroberte Stadt recht mit Trümmern und Leichnamen, Halbtodte und Verstümmelte krochen zwischen den Leichen umher, nur hier und dort ward noch einem aufrecht Fliehenden die Lanze in den Rücken gestoßen. Das winselnde Heulen geängsteter Hunde scholl in den Straßen und mischte sich ins Stöhnen der Verwundeten und in die Wehklage der jammernden Frauen und un¬ mündigen Kinder.
Doch war der Kampf für die Griechen selbst auch nicht unblutig, denn obgleich die meisten Feinde waffenlos waren, so wehrten sie sich doch so gut sie konnten. Die Einen schleuderten Becher, die Andern Tische, noch
allenthalben umher, ob nicht einer der Trojaner erwacht ſey. Dann, wie ein heißhungriger Wolf mit aller Vorſicht zwiſchen Hirten und Hunden hindurch in den Pferch ſchleicht, ſtieg er die Sproſſen der Leiter herab, die Epëus zugleich mit dem Pferde verfertigt und jetzt herunter gelaſſen hatte, und ein Held um den andern folgte ihm mit klopfendem Herzen. Als die Höhlung des Roſſes ſich ganz entleert hatte, ſchüttelten ſie ihre Lanzen, zogen ihre Schwerter, und verbreiteten ſich durch die Straßen und in die Häuſer der Stadt. Ein gräßliches Gemetzel entſtand unter den ſchlaftrunkenen und berauſchten Trojanern; Feuerbrände wurden in ihre Wohnungen geſchleudert und bald loder¬ ten die Dächer über ihren Häuptern. Zu gleicher Zeit trieb ein günſtiger Fahrwind die Flotte der Griechen, die auf Sinons Fackelzeichen von Tenedos aufgebrochen war, in den Hafen des Helleſpontes, und bald ſtürzte ſich das ganze Heer der Danaer durch die breite Mauerlücke, durch welche Tags zuvor das Roß hereingezogen worden war, in die Stadt, von Kampfbegierde ſchnaubend. Jetzt erſt erfüllte ſich die eroberte Stadt recht mit Trümmern und Leichnamen, Halbtodte und Verſtümmelte krochen zwiſchen den Leichen umher, nur hier und dort ward noch einem aufrecht Fliehenden die Lanze in den Rücken geſtoßen. Das winſelnde Heulen geängſteter Hunde ſcholl in den Straßen und miſchte ſich ins Stöhnen der Verwundeten und in die Wehklage der jammernden Frauen und un¬ mündigen Kinder.
Doch war der Kampf für die Griechen ſelbſt auch nicht unblutig, denn obgleich die meiſten Feinde waffenlos waren, ſo wehrten ſie ſich doch ſo gut ſie konnten. Die Einen ſchleuderten Becher, die Andern Tiſche, noch
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allenthalben umher, ob nicht einer der Trojaner erwacht ſey.
Dann, wie ein heißhungriger Wolf mit aller Vorſicht
zwiſchen Hirten und Hunden hindurch in den Pferch ſchleicht,
ſtieg er die Sproſſen der Leiter herab, die Epëus zugleich
mit dem Pferde verfertigt und jetzt herunter gelaſſen hatte,
und ein Held um den andern folgte ihm mit klopfendem
Herzen. Als die Höhlung des Roſſes ſich ganz entleert
hatte, ſchüttelten ſie ihre Lanzen, zogen ihre Schwerter,
und verbreiteten ſich durch die Straßen und in die Häuſer
der Stadt. Ein gräßliches Gemetzel entſtand unter den
ſchlaftrunkenen und berauſchten Trojanern; Feuerbrände
wurden in ihre Wohnungen geſchleudert und bald loder¬
ten die Dächer über ihren Häuptern. Zu gleicher Zeit
trieb ein günſtiger Fahrwind die Flotte der Griechen, die
auf Sinons Fackelzeichen von Tenedos aufgebrochen war,
in den Hafen des Helleſpontes, und bald ſtürzte ſich das
ganze Heer der Danaer durch die breite Mauerlücke, durch
welche Tags zuvor das Roß hereingezogen worden war,
in die Stadt, von Kampfbegierde ſchnaubend. Jetzt erſt
erfüllte ſich die eroberte Stadt recht mit Trümmern und
Leichnamen, Halbtodte und Verſtümmelte krochen zwiſchen
den Leichen umher, nur hier und dort ward noch einem
aufrecht Fliehenden die Lanze in den Rücken geſtoßen.
Das winſelnde Heulen geängſteter Hunde ſcholl in den
Straßen und miſchte ſich ins Stöhnen der Verwundeten
und in die Wehklage der jammernden Frauen und un¬
mündigen Kinder.
Doch war der Kampf für die Griechen ſelbſt auch
nicht unblutig, denn obgleich die meiſten Feinde waffenlos
waren, ſo wehrten ſie ſich doch ſo gut ſie konnten. Die
Einen ſchleuderten Becher, die Andern Tiſche, noch
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/440>, abgerufen am 22.11.2024.
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