über die Absicht ihrer Reise weiter aus, und vernahm, wie es zu Ithaka, im Hause seines Freundes Odysseus, stehe. Als er hörte, wie sich die Freier dort gebärdeten, rief er entrüstet aus: "Ha, die Elenden, die im Lager des gewaltigen Mannes zu ruhen gedenken! Wie der Löwe zurückkommt, dem eine Hindin ihre Jungen ins Nest gelegt hat, während er im grünen Thale weidet, wird Odysseus kommen und ihnen ein Ende voll Ent¬ setzen bereiten! denn wisse, was mir in Aegypten der Meeresgott Proteus von ihm geweissagt hat, als er, in mancherlei Gestalten verwandelt, endlich von mir ge¬ bunden und gezwungen ward, die Schicksale der heim¬ kehrenden Griechenhelden mir kund zu thun. ""Den Odysseus,"" sprach der Gott, ""sah ich im Geist auf einer einsamen Insel Thränen der Sehnsucht vergießen. Dort hält ihn die Nymphe Kalypso mit Gewalt zurück, und ihm gebricht's an Schiffen und Ruderern um in die Heimath zurückzukehren."" Nun weißest du Alles, lie¬ ber Jüngling, was ich dir über deinen Vater zu berichten vermag. Bleib nun noch ein eilf oder zwölf Tage bei uns, dann will ich dich mit köstlichen Geschenken ent¬ lassen."
Aber Telemach dankte und ließ sich nicht zurück¬ halten. Nun schenkte ihm Menelaus einen silbernen Mischkrug mit goldenem Rande von unvergleichlich schö¬ ner Arbeit, ein Werk des kunstreichen Gottes Hephästus selbst, und ein köstliches Frühmahl von Ziegen und Scha¬ fen wurde dem Abschied nehmenden Gastfreunde bereitet.
über die Abſicht ihrer Reiſe weiter aus, und vernahm, wie es zu Ithaka, im Hauſe ſeines Freundes Odyſſeus, ſtehe. Als er hörte, wie ſich die Freier dort gebärdeten, rief er entrüſtet aus: „Ha, die Elenden, die im Lager des gewaltigen Mannes zu ruhen gedenken! Wie der Löwe zurückkommt, dem eine Hindin ihre Jungen ins Neſt gelegt hat, während er im grünen Thale weidet, wird Odyſſeus kommen und ihnen ein Ende voll Ent¬ ſetzen bereiten! denn wiſſe, was mir in Aegypten der Meeresgott Proteus von ihm geweiſſagt hat, als er, in mancherlei Geſtalten verwandelt, endlich von mir ge¬ bunden und gezwungen ward, die Schickſale der heim¬ kehrenden Griechenhelden mir kund zu thun. „„Den Odyſſeus,““ ſprach der Gott, „„ſah ich im Geiſt auf einer einſamen Inſel Thränen der Sehnſucht vergießen. Dort hält ihn die Nymphe Kalypſo mit Gewalt zurück, und ihm gebricht's an Schiffen und Ruderern um in die Heimath zurückzukehren.““ Nun weißeſt du Alles, lie¬ ber Jüngling, was ich dir über deinen Vater zu berichten vermag. Bleib nun noch ein eilf oder zwölf Tage bei uns, dann will ich dich mit köſtlichen Geſchenken ent¬ laſſen.“
Aber Telemach dankte und ließ ſich nicht zurück¬ halten. Nun ſchenkte ihm Menelaus einen ſilbernen Miſchkrug mit goldenem Rande von unvergleichlich ſchö¬ ner Arbeit, ein Werk des kunſtreichen Gottes Hephäſtus ſelbſt, und ein köſtliches Frühmahl von Ziegen und Scha¬ fen wurde dem Abſchied nehmenden Gaſtfreunde bereitet.
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über die Abſicht ihrer Reiſe weiter aus, und vernahm,
wie es zu Ithaka, im Hauſe ſeines Freundes Odyſſeus,
ſtehe. Als er hörte, wie ſich die Freier dort gebärdeten,
rief er entrüſtet aus: „Ha, die Elenden, die im Lager
des gewaltigen Mannes zu ruhen gedenken! Wie der
Löwe zurückkommt, dem eine Hindin ihre Jungen ins
Neſt gelegt hat, während er im grünen Thale weidet,
wird Odyſſeus kommen und ihnen ein Ende voll Ent¬
ſetzen bereiten! denn wiſſe, was mir in Aegypten der
Meeresgott Proteus von ihm geweiſſagt hat, als er,
in mancherlei Geſtalten verwandelt, endlich von mir ge¬
bunden und gezwungen ward, die Schickſale der heim¬
kehrenden Griechenhelden mir kund zu thun. „„Den
Odyſſeus,““ ſprach der Gott, „„ſah ich im Geiſt auf einer
einſamen Inſel Thränen der Sehnſucht vergießen. Dort
hält ihn die Nymphe Kalypſo mit Gewalt zurück, und
ihm gebricht's an Schiffen und Ruderern um in die
Heimath zurückzukehren.““ Nun weißeſt du Alles, lie¬
ber Jüngling, was ich dir über deinen Vater zu berichten
vermag. Bleib nun noch ein eilf oder zwölf Tage bei
uns, dann will ich dich mit köſtlichen Geſchenken ent¬
laſſen.“
Aber Telemach dankte und ließ ſich nicht zurück¬
halten. Nun ſchenkte ihm Menelaus einen ſilbernen
Miſchkrug mit goldenem Rande von unvergleichlich ſchö¬
ner Arbeit, ein Werk des kunſtreichen Gottes Hephäſtus
ſelbſt, und ein köſtliches Frühmahl von Ziegen und Scha¬
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/113>, abgerufen am 25.11.2024.
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