Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Alcinous, geuß das Trankopfer aus, und entlasse mich!
du hast ja schon gethan, was meines Herzens Wunsch
ist. Die Geschenke liegen auf meinem Schiffe, die Fahrt
ist bereit. Mögen die Himmlischen dich segnen; möge ich
mein Weib untadelhaft zu Hause finden und Kind, Ver¬
wandte und Freunde wohlbehalten!"

In seinen Wunsch stimmten alle Phäaken laut und
von Herzen ein. Alcinous befahl dem Herolde Ponto¬
nous, allen Gästen umher die Becher noch einmal zu
füllen. Nun stand jeder von seinem Sitze auf und
wie auf Einen Wink brachten sie das Trankopfer für
ihres Gastes glückselige Rückkehr den olympischen Göttern
dar. Da erhub sich Odysseus, reichte seinen Becher
der Königin Arete und sprach: "Lebe wohl für immer,
hohe Königin, bis dich Alter und Tod, die allen Men¬
schen bevorstehen, langsam beschleichen! Ich kehre jetzt
heim. Freue du dich zu Hause deiner Kinder, deines
Volks, und deines edeln Gemahls!"

So sprach Odysseus und verließ die Schwelle des
Palastes. Auf des Königes Befehl, der ihm scheidend
die Hand mit herzlichem Drucke gereicht, geleitete ihn
ein Herold, und auf Arete's Geheiß drei Dienerinnen
bis ans Schiff. Die eine trug die schönen Gewande,
Mantel und Leibrock, die andere die verschlossene Lade,
die dritte Speise und Wein. Alles wurde wohl im Schiffe
geborgen. Auf dem Verdeck aber wurde ein zottiges
Fell und Leinwand darüber ausgebreitet. Da stieg Odys¬
seus schweigend ein und legte sich darauf zum Schlummer
nieder. Die Ruderer setzten sich auf die Bänke. Das
Schiff ward losgebunden, und wogte fröhlich unter dem
Schlage der Ruder dahin.


Alcinous, geuß das Trankopfer aus, und entlaſſe mich!
du haſt ja ſchon gethan, was meines Herzens Wunſch
iſt. Die Geſchenke liegen auf meinem Schiffe, die Fahrt
iſt bereit. Mögen die Himmliſchen dich ſegnen; möge ich
mein Weib untadelhaft zu Hauſe finden und Kind, Ver¬
wandte und Freunde wohlbehalten!“

In ſeinen Wunſch ſtimmten alle Phäaken laut und
von Herzen ein. Alcinous befahl dem Herolde Ponto¬
nous, allen Gäſten umher die Becher noch einmal zu
füllen. Nun ſtand jeder von ſeinem Sitze auf und
wie auf Einen Wink brachten ſie das Trankopfer für
ihres Gaſtes glückſelige Rückkehr den olympiſchen Göttern
dar. Da erhub ſich Odyſſeus, reichte ſeinen Becher
der Königin Arete und ſprach: „Lebe wohl für immer,
hohe Königin, bis dich Alter und Tod, die allen Men¬
ſchen bevorſtehen, langſam beſchleichen! Ich kehre jetzt
heim. Freue du dich zu Hauſe deiner Kinder, deines
Volks, und deines edeln Gemahls!“

So ſprach Odyſſeus und verließ die Schwelle des
Palaſtes. Auf des Königes Befehl, der ihm ſcheidend
die Hand mit herzlichem Drucke gereicht, geleitete ihn
ein Herold, und auf Arete's Geheiß drei Dienerinnen
bis ans Schiff. Die eine trug die ſchönen Gewande,
Mantel und Leibrock, die andere die verſchloſſene Lade,
die dritte Speiſe und Wein. Alles wurde wohl im Schiffe
geborgen. Auf dem Verdeck aber wurde ein zottiges
Fell und Leinwand darüber ausgebreitet. Da ſtieg Odyſ¬
ſeus ſchweigend ein und legte ſich darauf zum Schlummer
nieder. Die Ruderer ſetzten ſich auf die Bänke. Das
Schiff ward losgebunden, und wogte fröhlich unter dem
Schlage der Ruder dahin.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0194" n="172"/>
Alcinous, geuß das Trankopfer aus, und entla&#x017F;&#x017F;e mich!<lb/>
du ha&#x017F;t ja &#x017F;chon gethan, was meines Herzens Wun&#x017F;ch<lb/>
i&#x017F;t. Die Ge&#x017F;chenke liegen auf meinem Schiffe, die Fahrt<lb/>
i&#x017F;t bereit. Mögen die Himmli&#x017F;chen dich &#x017F;egnen; möge ich<lb/>
mein Weib untadelhaft zu Hau&#x017F;e finden und Kind, Ver¬<lb/>
wandte und Freunde wohlbehalten!&#x201C;</p><lb/>
            <p>In &#x017F;einen Wun&#x017F;ch &#x017F;timmten alle Phäaken laut und<lb/>
von Herzen ein. Alcinous befahl dem Herolde Ponto¬<lb/>
nous, allen Gä&#x017F;ten umher die Becher noch einmal zu<lb/>
füllen. Nun &#x017F;tand jeder von &#x017F;einem Sitze auf und<lb/>
wie auf Einen Wink brachten &#x017F;ie das Trankopfer für<lb/>
ihres Ga&#x017F;tes glück&#x017F;elige Rückkehr den olympi&#x017F;chen Göttern<lb/>
dar. Da erhub &#x017F;ich Ody&#x017F;&#x017F;eus, reichte &#x017F;einen Becher<lb/>
der Königin Arete und &#x017F;prach: &#x201E;Lebe wohl für immer,<lb/>
hohe Königin, bis dich Alter und Tod, die allen Men¬<lb/>
&#x017F;chen bevor&#x017F;tehen, lang&#x017F;am be&#x017F;chleichen! Ich kehre jetzt<lb/>
heim. Freue du dich zu Hau&#x017F;e deiner Kinder, deines<lb/>
Volks, und deines edeln Gemahls!&#x201C;</p><lb/>
            <p>So &#x017F;prach Ody&#x017F;&#x017F;eus und verließ die Schwelle des<lb/>
Pala&#x017F;tes. Auf des Königes Befehl, der ihm &#x017F;cheidend<lb/>
die Hand mit herzlichem Drucke gereicht, geleitete ihn<lb/>
ein Herold, und auf Arete's Geheiß drei Dienerinnen<lb/>
bis ans Schiff. Die eine trug die &#x017F;chönen Gewande,<lb/>
Mantel und Leibrock, die andere die ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;ene Lade,<lb/>
die dritte Spei&#x017F;e und Wein. Alles wurde wohl im Schiffe<lb/>
geborgen. Auf dem Verdeck aber wurde ein zottiges<lb/>
Fell und Leinwand darüber ausgebreitet. Da &#x017F;tieg Ody&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;eus &#x017F;chweigend ein und legte &#x017F;ich darauf zum Schlummer<lb/>
nieder. Die Ruderer &#x017F;etzten &#x017F;ich auf die Bänke. Das<lb/>
Schiff ward losgebunden, und wogte fröhlich unter dem<lb/>
Schlage der Ruder dahin.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[172/0194] Alcinous, geuß das Trankopfer aus, und entlaſſe mich! du haſt ja ſchon gethan, was meines Herzens Wunſch iſt. Die Geſchenke liegen auf meinem Schiffe, die Fahrt iſt bereit. Mögen die Himmliſchen dich ſegnen; möge ich mein Weib untadelhaft zu Hauſe finden und Kind, Ver¬ wandte und Freunde wohlbehalten!“ In ſeinen Wunſch ſtimmten alle Phäaken laut und von Herzen ein. Alcinous befahl dem Herolde Ponto¬ nous, allen Gäſten umher die Becher noch einmal zu füllen. Nun ſtand jeder von ſeinem Sitze auf und wie auf Einen Wink brachten ſie das Trankopfer für ihres Gaſtes glückſelige Rückkehr den olympiſchen Göttern dar. Da erhub ſich Odyſſeus, reichte ſeinen Becher der Königin Arete und ſprach: „Lebe wohl für immer, hohe Königin, bis dich Alter und Tod, die allen Men¬ ſchen bevorſtehen, langſam beſchleichen! Ich kehre jetzt heim. Freue du dich zu Hauſe deiner Kinder, deines Volks, und deines edeln Gemahls!“ So ſprach Odyſſeus und verließ die Schwelle des Palaſtes. Auf des Königes Befehl, der ihm ſcheidend die Hand mit herzlichem Drucke gereicht, geleitete ihn ein Herold, und auf Arete's Geheiß drei Dienerinnen bis ans Schiff. Die eine trug die ſchönen Gewande, Mantel und Leibrock, die andere die verſchloſſene Lade, die dritte Speiſe und Wein. Alles wurde wohl im Schiffe geborgen. Auf dem Verdeck aber wurde ein zottiges Fell und Leinwand darüber ausgebreitet. Da ſtieg Odyſ¬ ſeus ſchweigend ein und legte ſich darauf zum Schlummer nieder. Die Ruderer ſetzten ſich auf die Bänke. Das Schiff ward losgebunden, und wogte fröhlich unter dem Schlage der Ruder dahin.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/194
Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/194>, abgerufen am 29.04.2024.