mit ihrem Stab, worauf ihm sogleich die Glieder zusam¬ menschrumpften, und er in einen zerlumpten, schmutzigen Bettler verwandelt wurde. Sie reichte ihm den Bettel¬ stab, nebst einem garstigen geflickten Ranzen an einem geflochtenen Tragbande, und verschwand.
Odysseus bei dem Sauhirten.
In dieser Gestalt wandelte der ganz unkenntlich ge¬ machte Held über die Höhen des Waldgebirges hin, nach der Stelle, die ihm seine Beschützerin bezeichnet hatte, und wo er wirklich den treuesten seiner Knechte, den Sauhirten Eumäus antraf. Er fand diesen auf der Hochebene des Gebirges, wo er seiner Heerde ringsum aus schweren Steinen, die er selbst herbeigeschleppt, ein Gehege gebaut und es mit Hagedorn umpflanzt hatte. Innerhalb desselben standen, einer an dem andern, zwölf Kofen, in deren jedem fünfzig Mutterschweine zur Zucht eingesperrt lagen; die männlichen, in weit geringerer Anzahl, ruhten außerhalb der Ställe. Von diesen ließen nämlich die Freier Tag für Tag dem Sauhirten einen gemästeten Eber zu ihren Schmäusen abfordern, und es waren ihrer nur noch dreihundert sechzig. Die Heerde bewachten vier Hunde, die so wild aussahen, wie rei¬ ßende Wölfe.
Der Sauhirt war gerade damit beschäftigt, sich schönes Stierleder zu Sohlen zu schneiden, seine Knechte
mit ihrem Stab, worauf ihm ſogleich die Glieder zuſam¬ menſchrumpften, und er in einen zerlumpten, ſchmutzigen Bettler verwandelt wurde. Sie reichte ihm den Bettel¬ ſtab, nebſt einem garſtigen geflickten Ranzen an einem geflochtenen Tragbande, und verſchwand.
Odyſſeus bei dem Sauhirten.
In dieſer Geſtalt wandelte der ganz unkenntlich ge¬ machte Held über die Höhen des Waldgebirges hin, nach der Stelle, die ihm ſeine Beſchützerin bezeichnet hatte, und wo er wirklich den treueſten ſeiner Knechte, den Sauhirten Eumäus antraf. Er fand dieſen auf der Hochebene des Gebirges, wo er ſeiner Heerde ringsum aus ſchweren Steinen, die er ſelbſt herbeigeſchleppt, ein Gehege gebaut und es mit Hagedorn umpflanzt hatte. Innerhalb deſſelben ſtanden, einer an dem andern, zwölf Kofen, in deren jedem fünfzig Mutterſchweine zur Zucht eingeſperrt lagen; die männlichen, in weit geringerer Anzahl, ruhten außerhalb der Ställe. Von dieſen ließen nämlich die Freier Tag für Tag dem Sauhirten einen gemäſteten Eber zu ihren Schmäuſen abfordern, und es waren ihrer nur noch dreihundert ſechzig. Die Heerde bewachten vier Hunde, die ſo wild ausſahen, wie rei¬ ßende Wölfe.
Der Sauhirt war gerade damit beſchäftigt, ſich ſchönes Stierleder zu Sohlen zu ſchneiden, ſeine Knechte
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mit ihrem Stab, worauf ihm ſogleich die Glieder zuſam¬
menſchrumpften, und er in einen zerlumpten, ſchmutzigen
Bettler verwandelt wurde. Sie reichte ihm den Bettel¬
ſtab, nebſt einem garſtigen geflickten Ranzen an einem
geflochtenen Tragbande, und verſchwand.
Odyſſeus bei dem Sauhirten.
In dieſer Geſtalt wandelte der ganz unkenntlich ge¬
machte Held über die Höhen des Waldgebirges hin,
nach der Stelle, die ihm ſeine Beſchützerin bezeichnet
hatte, und wo er wirklich den treueſten ſeiner Knechte,
den Sauhirten Eumäus antraf. Er fand dieſen auf
der Hochebene des Gebirges, wo er ſeiner Heerde ringsum
aus ſchweren Steinen, die er ſelbſt herbeigeſchleppt, ein
Gehege gebaut und es mit Hagedorn umpflanzt hatte.
Innerhalb deſſelben ſtanden, einer an dem andern, zwölf
Kofen, in deren jedem fünfzig Mutterſchweine zur Zucht
eingeſperrt lagen; die männlichen, in weit geringerer
Anzahl, ruhten außerhalb der Ställe. Von dieſen ließen
nämlich die Freier Tag für Tag dem Sauhirten einen
gemäſteten Eber zu ihren Schmäuſen abfordern, und es
waren ihrer nur noch dreihundert ſechzig. Die Heerde
bewachten vier Hunde, die ſo wild ausſahen, wie rei¬
ßende Wölfe.
Der Sauhirt war gerade damit beſchäftigt, ſich
ſchönes Stierleder zu Sohlen zu ſchneiden, ſeine Knechte
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/204>, abgerufen am 23.11.2024.
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