Am dritten Morgen hatte die Flotte wirklich, wie es von Anchises vorausgesagt worden war, den lachen¬ den Strand der Insel Kreta erreicht, und als die Flücht¬ linge ausgeschifft waren, und sich von den Einwohnern wohl aufgenommen sahen, fing Aeneas abermals mit großer Begierde die ersehnten Mauern einer Pflanzstadt zu gründen an. Die Flotte war ans Ufer gezogen, und unter den fleißigen Händen der Pflanzer stiegen bald Mauern und Häuser empor, und sie fingen an sich wohnlich einzurichten. Nach Pergamus, der Burg von Troja, gab Aeneas der neuen Stadt den Namen Per¬ gamus, und auch sie erhielt ihre gesonderte Burg auf einem Hügel. Schon beschäftigte sich die Pflanzung mit den ersten bürgerlichen Einrichtungen; unter dem jungen Volke der Auswanderer wurden Ehen geschlossen, Aecker wurden vertheilt, und die Häupter des Volks traten zu¬ sammen und beriethen sich über die Gesetze des erneuten Volkes: da bedrohte ein neues Unglück die armen Flücht¬ linge mit gänzlichem Verderben. Ein glutheißer Sommer brannte ringsum die Felder aus, ohne Nahrung erkrankte die Saat, Gras und Kräuter verdorrten, auf den Bäu¬ men verwelkten die Blüthen ohne Früchte; ein schreck¬ liches Sterben riß unter den Menschen selbst ein, und was der Tod verschonte, das schleppte sieche Leiber her¬ um. Auf einer Versammlung, in welcher der zusammen¬ schmelzende Haufen über seine trostlose Lage berathschlagte, stand Anchises mit bekümmertem Herzen auf und rieth seinen Unglücksgefährten, die Schiffe wieder zu besteigen, rückwärts nach dem Cykladenmeere zu steuern, und wieder auf der Insel Delos das Orakel dieses Gottes um gnä¬ digen Aufschluß anzuflehen, wohin sie die Schifffahrt
Am dritten Morgen hatte die Flotte wirklich, wie es von Anchiſes vorausgeſagt worden war, den lachen¬ den Strand der Inſel Kreta erreicht, und als die Flücht¬ linge ausgeſchifft waren, und ſich von den Einwohnern wohl aufgenommen ſahen, fing Aeneas abermals mit großer Begierde die erſehnten Mauern einer Pflanzſtadt zu gründen an. Die Flotte war ans Ufer gezogen, und unter den fleißigen Händen der Pflanzer ſtiegen bald Mauern und Häuſer empor, und ſie fingen an ſich wohnlich einzurichten. Nach Pergamus, der Burg von Troja, gab Aeneas der neuen Stadt den Namen Per¬ gamus, und auch ſie erhielt ihre geſonderte Burg auf einem Hügel. Schon beſchäftigte ſich die Pflanzung mit den erſten bürgerlichen Einrichtungen; unter dem jungen Volke der Auswanderer wurden Ehen geſchloſſen, Aecker wurden vertheilt, und die Häupter des Volks traten zu¬ ſammen und beriethen ſich über die Geſetze des erneuten Volkes: da bedrohte ein neues Unglück die armen Flücht¬ linge mit gänzlichem Verderben. Ein glutheißer Sommer brannte ringsum die Felder aus, ohne Nahrung erkrankte die Saat, Gras und Kräuter verdorrten, auf den Bäu¬ men verwelkten die Blüthen ohne Früchte; ein ſchreck¬ liches Sterben riß unter den Menſchen ſelbſt ein, und was der Tod verſchonte, das ſchleppte ſieche Leiber her¬ um. Auf einer Verſammlung, in welcher der zuſammen¬ ſchmelzende Haufen über ſeine troſtloſe Lage berathſchlagte, ſtand Anchiſes mit bekümmertem Herzen auf und rieth ſeinen Unglücksgefährten, die Schiffe wieder zu beſteigen, rückwärts nach dem Cykladenmeere zu ſteuern, und wieder auf der Inſel Delos das Orakel dieſes Gottes um gnä¬ digen Aufſchluß anzuflehen, wohin ſie die Schifffahrt
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Am dritten Morgen hatte die Flotte wirklich, wie
es von Anchiſes vorausgeſagt worden war, den lachen¬
den Strand der Inſel Kreta erreicht, und als die Flücht¬
linge ausgeſchifft waren, und ſich von den Einwohnern
wohl aufgenommen ſahen, fing Aeneas abermals mit
großer Begierde die erſehnten Mauern einer Pflanzſtadt
zu gründen an. Die Flotte war ans Ufer gezogen, und
unter den fleißigen Händen der Pflanzer ſtiegen bald
Mauern und Häuſer empor, und ſie fingen an ſich
wohnlich einzurichten. Nach Pergamus, der Burg von
Troja, gab Aeneas der neuen Stadt den Namen Per¬
gamus, und auch ſie erhielt ihre geſonderte Burg auf
einem Hügel. Schon beſchäftigte ſich die Pflanzung mit
den erſten bürgerlichen Einrichtungen; unter dem jungen
Volke der Auswanderer wurden Ehen geſchloſſen, Aecker
wurden vertheilt, und die Häupter des Volks traten zu¬
ſammen und beriethen ſich über die Geſetze des erneuten
Volkes: da bedrohte ein neues Unglück die armen Flücht¬
linge mit gänzlichem Verderben. Ein glutheißer Sommer
brannte ringsum die Felder aus, ohne Nahrung erkrankte
die Saat, Gras und Kräuter verdorrten, auf den Bäu¬
men verwelkten die Blüthen ohne Früchte; ein ſchreck¬
liches Sterben riß unter den Menſchen ſelbſt ein, und
was der Tod verſchonte, das ſchleppte ſieche Leiber her¬
um. Auf einer Verſammlung, in welcher der zuſammen¬
ſchmelzende Haufen über ſeine troſtloſe Lage berathſchlagte,
ſtand Anchiſes mit bekümmertem Herzen auf und rieth
ſeinen Unglücksgefährten, die Schiffe wieder zu beſteigen,
rückwärts nach dem Cykladenmeere zu ſteuern, und wieder
auf der Inſel Delos das Orakel dieſes Gottes um gnä¬
digen Aufſchluß anzuflehen, wohin ſie die Schifffahrt
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/321>, abgerufen am 22.11.2024.
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