gleiten, verbirgt sich ihr Scheitel in den Wolken. Ihre Gestalt ist gräßlich, ihr Haupt ganz mit Flaumfedern bedeckt, so viel Federn, so viel funkelnde Augen darunter, so viel Zungen und Mäuler, die nie schweigen, so viel immer gespitzte Ohren. Nachts stiegt sie zwischen Erd' und Himmel einher, rauscht durch die Schatten, und nie schließen sich ihre Augenlieder zum Schlummer. Den Tag über aber lauscht sie hingekauert, bald am Giebel der Häuser, bald auf den Zinnen der Thürme, und schreckt Stadt und Land mit ihrem krächzenden Rufe, und es ist ihr einerlei, ob sie Wahrheit verkündet, oder Lug und Betrug meldet.
Dieses häßliche Wesen füllte auch jetzt mit mancher¬ lei Gerüchten die Länder Afrika's an, und erzählte scha¬ denfroh Alles durcheinander, was geschah und nicht ge¬ schah: Ein Fremdling sey gekommen, ein Mann aus trojanischem Geschlecht, Aeneas mit Namen, diesen habe sich die reizende Königin Dido zum Gemahl erkoren; sie vergesse der Sorge für ihre Herrschaft, die Zügel der Regierung entgleiten ihren Händen, und das Paar durch¬ schwelge in Pracht und Ueppigkeit den Winter. Solche Sagen ließ die häßliche Göttin durch den Mund des Volkes gehen. Dann richtete sie ihren Lauf plötzlich nach Numidien zu dem Könige Jarbas, dessen Hand kürzlich von Dido verschmäht worden war. Diesem entflammte sie das gekränkte Herz durch ihre Zuflüsterungen zum wildesten Grimme. Er war ein Sohn Jupiters und einer libyschen Nymphe, und hatte seinem Vater hundert prächtige Tempel in Numidien erbaut, wo stets geschäf¬ tige Priester opferten, und die Pforten immer mit Blu¬ men bekränzt waren. Dieser, von dem bitteren Gerüchte
gleiten, verbirgt ſich ihr Scheitel in den Wolken. Ihre Geſtalt iſt gräßlich, ihr Haupt ganz mit Flaumfedern bedeckt, ſo viel Federn, ſo viel funkelnde Augen darunter, ſo viel Zungen und Mäuler, die nie ſchweigen, ſo viel immer geſpitzte Ohren. Nachts ſtiegt ſie zwiſchen Erd' und Himmel einher, rauſcht durch die Schatten, und nie ſchließen ſich ihre Augenlieder zum Schlummer. Den Tag über aber lauſcht ſie hingekauert, bald am Giebel der Häuſer, bald auf den Zinnen der Thürme, und ſchreckt Stadt und Land mit ihrem krächzenden Rufe, und es iſt ihr einerlei, ob ſie Wahrheit verkündet, oder Lug und Betrug meldet.
Dieſes häßliche Weſen füllte auch jetzt mit mancher¬ lei Gerüchten die Länder Afrika's an, und erzählte ſcha¬ denfroh Alles durcheinander, was geſchah und nicht ge¬ ſchah: Ein Fremdling ſey gekommen, ein Mann aus trojaniſchem Geſchlecht, Aeneas mit Namen, dieſen habe ſich die reizende Königin Dido zum Gemahl erkoren; ſie vergeſſe der Sorge für ihre Herrſchaft, die Zügel der Regierung entgleiten ihren Händen, und das Paar durch¬ ſchwelge in Pracht und Ueppigkeit den Winter. Solche Sagen ließ die häßliche Göttin durch den Mund des Volkes gehen. Dann richtete ſie ihren Lauf plötzlich nach Numidien zu dem Könige Jarbas, deſſen Hand kürzlich von Dido verſchmäht worden war. Dieſem entflammte ſie das gekränkte Herz durch ihre Zuflüſterungen zum wildeſten Grimme. Er war ein Sohn Jupiters und einer libyſchen Nymphe, und hatte ſeinem Vater hundert prächtige Tempel in Numidien erbaut, wo ſtets geſchäf¬ tige Prieſter opferten, und die Pforten immer mit Blu¬ men bekränzt waren. Dieſer, von dem bitteren Gerüchte
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gleiten, verbirgt ſich ihr Scheitel in den Wolken. Ihre
Geſtalt iſt gräßlich, ihr Haupt ganz mit Flaumfedern
bedeckt, ſo viel Federn, ſo viel funkelnde Augen darunter,
ſo viel Zungen und Mäuler, die nie ſchweigen, ſo viel
immer geſpitzte Ohren. Nachts ſtiegt ſie zwiſchen Erd'
und Himmel einher, rauſcht durch die Schatten, und nie
ſchließen ſich ihre Augenlieder zum Schlummer. Den
Tag über aber lauſcht ſie hingekauert, bald am Giebel
der Häuſer, bald auf den Zinnen der Thürme, und
ſchreckt Stadt und Land mit ihrem krächzenden Rufe,
und es iſt ihr einerlei, ob ſie Wahrheit verkündet, oder
Lug und Betrug meldet.
Dieſes häßliche Weſen füllte auch jetzt mit mancher¬
lei Gerüchten die Länder Afrika's an, und erzählte ſcha¬
denfroh Alles durcheinander, was geſchah und nicht ge¬
ſchah: Ein Fremdling ſey gekommen, ein Mann aus
trojaniſchem Geſchlecht, Aeneas mit Namen, dieſen habe
ſich die reizende Königin Dido zum Gemahl erkoren; ſie
vergeſſe der Sorge für ihre Herrſchaft, die Zügel der
Regierung entgleiten ihren Händen, und das Paar durch¬
ſchwelge in Pracht und Ueppigkeit den Winter. Solche
Sagen ließ die häßliche Göttin durch den Mund des
Volkes gehen. Dann richtete ſie ihren Lauf plötzlich nach
Numidien zu dem Könige Jarbas, deſſen Hand kürzlich
von Dido verſchmäht worden war. Dieſem entflammte
ſie das gekränkte Herz durch ihre Zuflüſterungen zum
wildeſten Grimme. Er war ein Sohn Jupiters und
einer libyſchen Nymphe, und hatte ſeinem Vater hundert
prächtige Tempel in Numidien erbaut, wo ſtets geſchäf¬
tige Prieſter opferten, und die Pforten immer mit Blu¬
men bekränzt waren. Dieſer, von dem bitteren Gerüchte
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/357>, abgerufen am 22.11.2024.
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