bitionsfähigen Stoffe. Sie besitzen dadurch eine Doppel- natur; sie haben eine bestimmte Form wie die festen Kör- per, auf der andern Seite sind sie aber auch für alles Aufgelöste durchdringlich, wie die Flüssigkeiten. So wie eine specifisch leichtere Flüssigkeit, die sorgfältig über eine specifisch schwerere gegossen wird, so dass beide sich nicht mischen, allmählig doch die letztere durchdringt, so ver- hält sich auch jede Auflösung, wenn sie mit einer schon mit Wasser imbibirten Membran in Berührung kommt, in dieser Membran gerade so, als ob die Membran eine Auf- lösung wäre. Da die Krystallisation der Uebergang aus dem Flüssigen in den festen Zustand ist, so kann man wohl die Möglichkeit, ja die Wahrscheinlichkeit einsehen, dass, wenn solche eines Mittelzustandes zwischen Fest und Flüssig fähige Körper zum Krystallisiren gebracht werden könnten, sich eine bedeutende Verschiedenheit von der gewöhnlichen Krystallisationsweise herausstellen würde. In der That findet sich nichts, was man Krystall nennt, aus imbibitionsfähiger Substanz zusammengesetzt, und selbst von den organischen Körpern krystallisiren nur diejenigen, wel- che nicht imbibitionsfähig sind, z. B. Fett, Zucker, Wein- steinsäure u. s. w. Die imbibitionsfähigen Körper krystalli- siren daher entweder gar nicht, oder unter einer Form, die von den Krystallen so verschieden ist, dass man sie als Krystalle nicht erkennt.
Untersuchen wir, was wohl entstehen müsste, wenn ein imbibitionsfähiger Stoff nach den gewöhnlichen Gesetzen krystallisirte, welche Unterschiede von den gewöhnlichen Krystallen sich wahrscheinlich zeigen würden, wenn wir bloss annehmen, dass die Auflösung auch die schon gebilde- ten Theile des Krystalls noch durchdringt, und daher zwi- schen die schon gebildeten Theile noch neue Moleküle sich ablagern können. Die gewöhnlichen Krystalle wachsen zwar nur durch Apposition; allein in der Art dieser Ap- position findet noch ein wichtiger Unterschied statt. Setz- ten sich die Moleküle alle gleichmässig aneinander, so könn- ten wir zwar einen Körper von bestimmter äusserer Form
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bitionsfähigen Stoffe. Sie besitzen dadurch eine Doppel- natur; sie haben eine bestimmte Form wie die festen Kör- per, auf der andern Seite sind sie aber auch für alles Aufgelöste durchdringlich, wie die Flüssigkeiten. So wie eine specifisch leichtere Flüssigkeit, die sorgfältig über eine specifisch schwerere gegossen wird, so daſs beide sich nicht mischen, allmählig doch die letztere durchdringt, so ver- hält sich auch jede Auflösung, wenn sie mit einer schon mit Wasser imbibirten Membran in Berührung kommt, in dieser Membran gerade so, als ob die Membran eine Auf- lösung wäre. Da die Krystallisation der Uebergang aus dem Flüssigen in den festen Zustand ist, so kann man wohl die Möglichkeit, ja die Wahrscheinlichkeit einsehen, daſs, wenn solche eines Mittelzustandes zwischen Fest und Flüssig fähige Körper zum Krystallisiren gebracht werden könnten, sich eine bedeutende Verschiedenheit von der gewöhnlichen Krystallisationsweise herausstellen würde. In der That findet sich nichts, was man Krystall nennt, aus imbibitionsfähiger Substanz zusammengesetzt, und selbst von den organischen Körpern krystallisiren nur diejenigen, wel- che nicht imbibitionsfähig sind, z. B. Fett, Zucker, Wein- steinsäure u. s. w. Die imbibitionsfähigen Körper krystalli- siren daher entweder gar nicht, oder unter einer Form, die von den Krystallen so verschieden ist, daſs man sie als Krystalle nicht erkennt.
Untersuchen wir, was wohl entstehen müſste, wenn ein imbibitionsfähiger Stoff nach den gewöhnlichen Gesetzen krystallisirte, welche Unterschiede von den gewöhnlichen Krystallen sich wahrscheinlich zeigen würden, wenn wir bloss annehmen, daſs die Auflösung auch die schon gebilde- ten Theile des Krystalls noch durchdringt, und daher zwi- schen die schon gebildeten Theile noch neue Moleküle sich ablagern können. Die gewöhnlichen Krystalle wachsen zwar nur durch Apposition; allein in der Art dieser Ap- position findet noch ein wichtiger Unterschied statt. Setz- ten sich die Moleküle alle gleichmäſsig aneinander, so könn- ten wir zwar einen Körper von bestimmter äuſserer Form
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bitionsfähigen Stoffe. Sie besitzen dadurch eine Doppel-
natur; sie haben eine bestimmte Form wie die festen Kör-
per, auf der andern Seite sind sie aber auch für alles
Aufgelöste durchdringlich, wie die Flüssigkeiten. So wie
eine specifisch leichtere Flüssigkeit, die sorgfältig über eine
specifisch schwerere gegossen wird, so daſs beide sich nicht
mischen, allmählig doch die letztere durchdringt, so ver-
hält sich auch jede Auflösung, wenn sie mit einer schon
mit Wasser imbibirten Membran in Berührung kommt, in
dieser Membran gerade so, als ob die Membran eine Auf-
lösung wäre. Da die Krystallisation der Uebergang aus
dem Flüssigen in den festen Zustand ist, so kann man
wohl die Möglichkeit, ja die Wahrscheinlichkeit einsehen,
daſs, wenn solche eines Mittelzustandes zwischen Fest und
Flüssig fähige Körper zum Krystallisiren gebracht werden
könnten, sich eine bedeutende Verschiedenheit von der
gewöhnlichen Krystallisationsweise herausstellen würde. In
der That findet sich nichts, was man Krystall nennt, aus
imbibitionsfähiger Substanz zusammengesetzt, und selbst von
den organischen Körpern krystallisiren nur diejenigen, wel-
che nicht imbibitionsfähig sind, z. B. Fett, Zucker, Wein-
steinsäure u. s. w. Die imbibitionsfähigen Körper krystalli-
siren daher entweder gar nicht, oder unter einer Form,
die von den Krystallen so verschieden ist, daſs man sie
als Krystalle nicht erkennt.
Untersuchen wir, was wohl entstehen müſste, wenn
ein imbibitionsfähiger Stoff nach den gewöhnlichen Gesetzen
krystallisirte, welche Unterschiede von den gewöhnlichen
Krystallen sich wahrscheinlich zeigen würden, wenn wir
bloss annehmen, daſs die Auflösung auch die schon gebilde-
ten Theile des Krystalls noch durchdringt, und daher zwi-
schen die schon gebildeten Theile noch neue Moleküle
sich ablagern können. Die gewöhnlichen Krystalle wachsen
zwar nur durch Apposition; allein in der Art dieser Ap-
position findet noch ein wichtiger Unterschied statt. Setz-
ten sich die Moleküle alle gleichmäſsig aneinander, so könn-
ten wir zwar einen Körper von bestimmter äuſserer Form
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Schwann, Theodor: Mikroskopische Untersuchungen über die Uebereinstimmung in der Struktur und dem Wachsthum der Thiere und Pflanzen. Berlin, 1839, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwann_mikroskopische_1839/267>, abgerufen am 25.11.2024.
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