Nachdem sie eingetrocknet war, wurde sie in kochendem Wasser wieder aufgelöst, wobei aber ein Rückstand unge- löst blieb. Es wurde daher filtrirt, das Filtrat wurde mit Alaun stark gefüllt und der Niederschlag löste sich gröss- tentheils, doch nicht ganz, in überschüssig zugesetztem Alaun. Essigsäure trübte die Flüssigkeit ebenfalls stark, und überschüssige Essigsäure hob diese Trübung nicht wieder auf. Galläpfeltinktur fällte stark und Essigsäure löste diesen Niederschlag wieder auf, mit Hinterlassung einer sehr geringen Trübung. (Essigsäure löst den von Tisch- lerleim durch Galläpfeltinktur erhaltenen Niederschlag eben- falls und zwar vollständig wieder auf, daher der Tischler- leim aus einer essigsauren Auflösung gar nicht von Gall- äpfeltinktur gefällt wird.) Nach diesen Reaktionen scheint die erhaltene leimartige Substanz Chondrin zu sein, ob- gleich sie aus verknöchertem Knorpel genommen wurde. Es entsteht daher die Frage: giebt die mit Kalkerde ver- bundene Knorpelsubstanz des Fötus wirklich statt Kno- chenleim Chondrin, oder war in dem scheinbar verknö- cherten Knorpel noch viel unverknöcherter enthalten und rührt das Chondrin nur von diesem her? Es liess sich nicht ausmitteln, ob in der erhaltenen Leimlösung auch Knochenleim war oder nicht. Dieser Punkt ist jedenfalls einer erneuten Untersuchung werth. Merkwürdig bleibt es immer, dass die Fötalknorpel von kochendem Wasser so sehr schwer angegriffen werden, und dabei zwar ein wenig leimartiger Substanz, aber keinen gelatinirenden Leim geben.
Von grossem Interesse ist nun die Untersuchung der Art, wie die Verknöcherung vor sich geht. Man unter- sucht diess am besten, indem man von den halbverknö- cherten Knorpeln der Extremitäten oder Wirbel oder des Schwanzbeins der Larve von Pelobates fuscus mit einem Rasirmesser recht feine Durchschnitte macht. Man sieht dann in den unverknöcherten Knorpeln bald die kleinen, nicht ineinander geschachtelten Knorpelzellen meist mit einem Kern in ihren Höhlen, in der eigentlichen Knorpel-
Nachdem sie eingetrocknet war, wurde sie in kochendem Wasser wieder aufgelöst, wobei aber ein Rückstand unge- löst blieb. Es wurde daher filtrirt, das Filtrat wurde mit Alaun stark gefüllt und der Niederschlag löste sich gröſs- tentheils, doch nicht ganz, in überschüssig zugesetztem Alaun. Essigsäure trübte die Flüssigkeit ebenfalls stark, und überschüssige Essigsäure hob diese Trübung nicht wieder auf. Galläpfeltinktur fällte stark und Essigsäure löste diesen Niederschlag wieder auf, mit Hinterlassung einer sehr geringen Trübung. (Essigsäure löst den von Tisch- lerleim durch Galläpfeltinktur erhaltenen Niederschlag eben- falls und zwar vollständig wieder auf, daher der Tischler- leim aus einer essigsauren Auflösung gar nicht von Gall- äpfeltinktur gefällt wird.) Nach diesen Reaktionen scheint die erhaltene leimartige Substanz Chondrin zu sein, ob- gleich sie aus verknöchertem Knorpel genommen wurde. Es entsteht daher die Frage: giebt die mit Kalkerde ver- bundene Knorpelsubstanz des Fötus wirklich statt Kno- chenleim Chondrin, oder war in dem scheinbar verknö- cherten Knorpel noch viel unverknöcherter enthalten und rührt das Chondrin nur von diesem her? Es lieſs sich nicht ausmitteln, ob in der erhaltenen Leimlösung auch Knochenleim war oder nicht. Dieser Punkt ist jedenfalls einer erneuten Untersuchung werth. Merkwürdig bleibt es immer, daſs die Fötalknorpel von kochendem Wasser so sehr schwer angegriffen werden, und dabei zwar ein wenig leimartiger Substanz, aber keinen gelatinirenden Leim geben.
Von groſsem Interesse ist nun die Untersuchung der Art, wie die Verknöcherung vor sich geht. Man unter- sucht dieſs am besten, indem man von den halbverknö- cherten Knorpeln der Extremitäten oder Wirbel oder des Schwanzbeins der Larve von Pelobates fuscus mit einem Rasirmesser recht feine Durchschnitte macht. Man sieht dann in den unverknöcherten Knorpeln bald die kleinen, nicht ineinander geschachtelten Knorpelzellen meist mit einem Kern in ihren Höhlen, in der eigentlichen Knorpel-
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Nachdem sie eingetrocknet war, wurde sie in kochendem
Wasser wieder aufgelöst, wobei aber ein Rückstand unge-
löst blieb. Es wurde daher filtrirt, das Filtrat wurde mit
Alaun stark gefüllt und der Niederschlag löste sich gröſs-
tentheils, doch nicht ganz, in überschüssig zugesetztem
Alaun. Essigsäure trübte die Flüssigkeit ebenfalls stark,
und überschüssige Essigsäure hob diese Trübung nicht
wieder auf. Galläpfeltinktur fällte stark und Essigsäure
löste diesen Niederschlag wieder auf, mit Hinterlassung einer
sehr geringen Trübung. (Essigsäure löst den von Tisch-
lerleim durch Galläpfeltinktur erhaltenen Niederschlag eben-
falls und zwar vollständig wieder auf, daher der Tischler-
leim aus einer essigsauren Auflösung gar nicht von Gall-
äpfeltinktur gefällt wird.) Nach diesen Reaktionen scheint
die erhaltene leimartige Substanz Chondrin zu sein, ob-
gleich sie aus verknöchertem Knorpel genommen wurde.
Es entsteht daher die Frage: giebt die mit Kalkerde ver-
bundene Knorpelsubstanz des Fötus wirklich statt Kno-
chenleim Chondrin, oder war in dem scheinbar verknö-
cherten Knorpel noch viel unverknöcherter enthalten und
rührt das Chondrin nur von diesem her? Es lieſs sich
nicht ausmitteln, ob in der erhaltenen Leimlösung auch
Knochenleim war oder nicht. Dieser Punkt ist jedenfalls
einer erneuten Untersuchung werth. Merkwürdig bleibt
es immer, daſs die Fötalknorpel von kochendem Wasser
so sehr schwer angegriffen werden, und dabei zwar ein
wenig leimartiger Substanz, aber keinen gelatinirenden
Leim geben.
Von groſsem Interesse ist nun die Untersuchung der
Art, wie die Verknöcherung vor sich geht. Man unter-
sucht dieſs am besten, indem man von den halbverknö-
cherten Knorpeln der Extremitäten oder Wirbel oder des
Schwanzbeins der Larve von Pelobates fuscus mit einem
Rasirmesser recht feine Durchschnitte macht. Man sieht
dann in den unverknöcherten Knorpeln bald die kleinen,
nicht ineinander geschachtelten Knorpelzellen meist mit
einem Kern in ihren Höhlen, in der eigentlichen Knorpel-
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Schwann, Theodor: Mikroskopische Untersuchungen über die Uebereinstimmung in der Struktur und dem Wachsthum der Thiere und Pflanzen. Berlin, 1839, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwann_mikroskopische_1839/56>, abgerufen am 23.11.2024.
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