ander gelagert. 3) Gewebe, in denen die Zellenwände, nicht aber die Zellenhöhlen mit einander oder mit der In- tercellularsubstanz verschmolzen sind; endlich zuletzt Ge- webe, in denen die Wände und die Höhlen vieler Zellen zusammenfliessen. Ausserdem giebt es aber noch eine sehr natürliche Abtheilung von Geweben, nämlich die Faserzel- len, wo selbstständige Zellen sich nach einer oder meh- reren Seiten in Faserbündel verlängern. Die Natürlich- keit dieser Gruppe wird es entschuldigen, wenn ich ihr die logische Eintheilung zum Opfer bringe und sie als die vierte Klasse einschiebe, wodurch die zuletzt angeführte Klasse, nämlich Gewebe, in denen Zellenwände und Zel- lenhöhlen verschmelzen, die fünfte wird.
Unter diese fünf Klassen lassen sich alle Gewebe des thie- rischen Körpers subsumiren. Es kommen indessen manche Schwierigkeiten dabei vor. So würden die Zellgewebefasern und das Fett in ganz verschiedene Klassen gebracht werden müssen, eben so der Zahnschmelz und die eigenthümliche Sub- stanz des Zahns u. s. w. Eine zweite Schwierigkeit ist die, dass Uebergänge Statt finden, z. B. von den isolirten Zellen zu denen mit verschmolzenen Wänden, und z. B. ein Ge- webe, das gewöhnlich aus isolirten Zellen besteht, an ein- zelnen Stellen auch wohl einmal verschmolzene Zellen zeigt. Allein solche Schwierigkeiten kommen bei allen Eintheilungen von Naturgegenständen vor. Die Natur ist sehr ungefällig, sich in unsere Schemata zu fügen. Ihr Streben und das unseres Verstandes haben ein entgegen- gesetztes Ziel. Die Natur vereinigt und vermittelt alle Gegensätze durch leise Uebergänge: der Verstand trennt und sucht überall schroffe Gegensätze. Wenn man aber bei jedem einzelnen Gewebe nur auf das Rücksicht nimmt, was das wichtigste Gebilde desselben ist, z. B. bei dem Nervensystem auf die Nervenfasern, nicht auf die Ganglien- kugeln, bei dem Zellgewebe auf die Zellgewebefasern, nicht auf das Fett u. s. w., wenn man ferner nur das be- rücksichtigt, was bei diesen Gebilden die Regel ist, so las- sen sich alle Gewebe leicht unter diese fünf Klassen brin-
ander gelagert. 3) Gewebe, in denen die Zellenwände, nicht aber die Zellenhöhlen mit einander oder mit der In- tercellularsubstanz verschmolzen sind; endlich zuletzt Ge- webe, in denen die Wände und die Höhlen vieler Zellen zusammenflieſsen. Auſserdem giebt es aber noch eine sehr natürliche Abtheilung von Geweben, nämlich die Faserzel- len, wo selbstständige Zellen sich nach einer oder meh- reren Seiten in Faserbündel verlängern. Die Natürlich- keit dieser Gruppe wird es entschuldigen, wenn ich ihr die logische Eintheilung zum Opfer bringe und sie als die vierte Klasse einschiebe, wodurch die zuletzt angeführte Klasse, nämlich Gewebe, in denen Zellenwände und Zel- lenhöhlen verschmelzen, die fünfte wird.
Unter diese fünf Klassen lassen sich alle Gewebe des thie- rischen Körpers subsumiren. Es kommen indessen manche Schwierigkeiten dabei vor. So würden die Zellgewebefasern und das Fett in ganz verschiedene Klassen gebracht werden müssen, eben so der Zahnschmelz und die eigenthümliche Sub- stanz des Zahns u. s. w. Eine zweite Schwierigkeit ist die, daſs Uebergänge Statt finden, z. B. von den isolirten Zellen zu denen mit verschmolzenen Wänden, und z. B. ein Ge- webe, das gewöhnlich aus isolirten Zellen besteht, an ein- zelnen Stellen auch wohl einmal verschmolzene Zellen zeigt. Allein solche Schwierigkeiten kommen bei allen Eintheilungen von Naturgegenständen vor. Die Natur ist sehr ungefällig, sich in unsere Schemata zu fügen. Ihr Streben und das unseres Verstandes haben ein entgegen- gesetztes Ziel. Die Natur vereinigt und vermittelt alle Gegensätze durch leise Uebergänge: der Verstand trennt und sucht überall schroffe Gegensätze. Wenn man aber bei jedem einzelnen Gewebe nur auf das Rücksicht nimmt, was das wichtigste Gebilde desselben ist, z. B. bei dem Nervensystem auf die Nervenfasern, nicht auf die Ganglien- kugeln, bei dem Zellgewebe auf die Zellgewebefasern, nicht auf das Fett u. s. w., wenn man ferner nur das be- rücksichtigt, was bei diesen Gebilden die Regel ist, so las- sen sich alle Gewebe leicht unter diese fünf Klassen brin-
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ander gelagert. 3) Gewebe, in denen die Zellenwände,
nicht aber die Zellenhöhlen mit einander oder mit der In-
tercellularsubstanz verschmolzen sind; endlich zuletzt Ge-
webe, in denen die Wände und die Höhlen vieler Zellen
zusammenflieſsen. Auſserdem giebt es aber noch eine sehr
natürliche Abtheilung von Geweben, nämlich die Faserzel-
len, wo selbstständige Zellen sich nach einer oder meh-
reren Seiten in Faserbündel verlängern. Die Natürlich-
keit dieser Gruppe wird es entschuldigen, wenn ich ihr
die logische Eintheilung zum Opfer bringe und sie als die
vierte Klasse einschiebe, wodurch die zuletzt angeführte
Klasse, nämlich Gewebe, in denen Zellenwände und Zel-
lenhöhlen verschmelzen, die fünfte wird.
Unter diese fünf Klassen lassen sich alle Gewebe des thie-
rischen Körpers subsumiren. Es kommen indessen manche
Schwierigkeiten dabei vor. So würden die Zellgewebefasern
und das Fett in ganz verschiedene Klassen gebracht werden
müssen, eben so der Zahnschmelz und die eigenthümliche Sub-
stanz des Zahns u. s. w. Eine zweite Schwierigkeit ist die, daſs
Uebergänge Statt finden, z. B. von den isolirten Zellen
zu denen mit verschmolzenen Wänden, und z. B. ein Ge-
webe, das gewöhnlich aus isolirten Zellen besteht, an ein-
zelnen Stellen auch wohl einmal verschmolzene Zellen
zeigt. Allein solche Schwierigkeiten kommen bei allen
Eintheilungen von Naturgegenständen vor. Die Natur ist
sehr ungefällig, sich in unsere Schemata zu fügen. Ihr
Streben und das unseres Verstandes haben ein entgegen-
gesetztes Ziel. Die Natur vereinigt und vermittelt alle
Gegensätze durch leise Uebergänge: der Verstand trennt
und sucht überall schroffe Gegensätze. Wenn man aber
bei jedem einzelnen Gewebe nur auf das Rücksicht nimmt,
was das wichtigste Gebilde desselben ist, z. B. bei dem
Nervensystem auf die Nervenfasern, nicht auf die Ganglien-
kugeln, bei dem Zellgewebe auf die Zellgewebefasern,
nicht auf das Fett u. s. w., wenn man ferner nur das be-
rücksichtigt, was bei diesen Gebilden die Regel ist, so las-
sen sich alle Gewebe leicht unter diese fünf Klassen brin-
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Schwann, Theodor: Mikroskopische Untersuchungen über die Uebereinstimmung in der Struktur und dem Wachsthum der Thiere und Pflanzen. Berlin, 1839, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwann_mikroskopische_1839/97>, abgerufen am 24.11.2024.
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