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Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

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I. Abschnitt. Forstwirtschaftspflege.
nähere Würdigung dieser weder durchführbaren noch notwendigen Mass-
regel wird unten erfolgen.

So sehr vom volkswirtschaftlichen Standpunkte aus das sogen.
"Legen" von Bauernhöfen zum Zwecke der Vergrösserung des Wald-
besitzes zu verurteilen ist, wie es z. Z. von einigen Magnaten Süd-
deutschlands und Oesterreichs geübt wird, ebensowenig dürfte aber
anderseits die Ansicht gerechtfertigt sein, dass die Aufforstung an
jeder Fläche Halt zu machen habe, auf welcher sich noch einige Schafe
oder Ziegen notdürftig ernähren können, und dass jede, auch die kümmer-
lichste Wirtschaft unter allen Umständen erhalten werden müsse. Das
oft citierte Wort Friedrichs des Grossen: "Menschen sind mir lieber als
Bäume" hat seine hohe Berechtigung, namentlich für jene Zeiten, in
denen es gesprochen wurde, und diesem Standpunkte ist auch oben bei
Erörterung der wünschenswerten Waldrodungen Rechnung getragen
worden. Anderseits wäre es jedoch unrichtig, zu behaupten, dass die
Zustände, wie sie sich zufälligerweise gestaltet haben, unbedingt be-
stehen bleiben müssten. Vom Standpunkte des betreffenden Wirtes aus
betrachtet ist es jedenfalls eine Verbesserung, wenn ihm die Gründung
einer Existenz unter günstigeren Verhältnissen ermöglicht wird. Welchen
Wert besitzt aber für die Gesamtheit eine Wirtschaft, die höchstens in
der Lage ist, sich kümmerlich durchzufristen, in den meisten Fällen
aber noch Zuschüsse in Form von direkten und indirekten Almosen er-
fordert? 1)


1) Die beste Schilderung derartiger Zustände liefert Schütte in seiner
"Tucheler Heide". Er sagt hier auf S. 49: Das Land ist waldleer, kahl. Mit dem
flüchtigen Sande der Hügel sowie der Ebene treibt der Wind sein verderbliches
Spiel. In dem tiefen Sand der Wege, deren Spur oft bloss durch eingesteckte kurze
Stangen und Büsche kenntlich ist, erlahmen Mensch und Pferd, und das Auge
sucht im Sommer auf der gelben blendenden Fläche vergebens nach einem Baum
oder Strauch. Wo der Boden fester wird, da bieten kahle, nur zuweilen mit Heide-
kraut bewachsene Grandebenen ein kaum weniger trostloses Bild. Der Ackerbau,
seiner Grundbedingung der Bodenkraft entbehrend, die Viehzucht bei sauren Wiesen
und jämmerlicher Weide stehen auf so tiefer Stufe, dass es wohl keine Gegend giebt,
die zu einem negativen Vergleich herangezogen werden kann. Wo ein Stück Kiefernge-
strüpp oder grössere Horste noch stehen, da wird jährlich die letzte Nadel vom Erd-
boden weggehackt, um mit dem wenigen tierischen Dünger, mit Moder und Muschel-
schalen zusammen, dem Acker zugeführt zu werden, mit wenig Erfolg, denn das
zweite Korn im Roggen, die dritte und vierte Kartoffel gelten für eine günstige Ernte.
Ärmlich im hohen Grade ist denn auch das Leben der Bevölkerung und tief
der Bildungsstand; Faulheit, Trunk und Schmutz halten gleichen Schritt mitein-
ander und fördern sich gegenseitig. Und dieser ganze traurige Zustand lässt nicht
etwa die Wendung zum Besseren erkennen; im Gegenteil, die fortschreitende Ver-
sandung und die schonungslose Ausraubung des Fischbestandes schmälern die ohne-
hin unzureichenden Existenzbedingungen jährlich mehr. -- Was fehlt, ist loh-
nende heimische Arbeit, und die kann hier nur der forstlich bewirtschaftete Wald
geben, die Hilfe kann nur die Wiederbewaldung bringen, und zwar die Aufforstung
durch den Staat.

I. Abschnitt. Forstwirtschaftspflege.
nähere Würdigung dieser weder durchführbaren noch notwendigen Maſs-
regel wird unten erfolgen.

So sehr vom volkswirtschaftlichen Standpunkte aus das sogen.
„Legen“ von Bauernhöfen zum Zwecke der Vergröſserung des Wald-
besitzes zu verurteilen ist, wie es z. Z. von einigen Magnaten Süd-
deutschlands und Oesterreichs geübt wird, ebensowenig dürfte aber
anderseits die Ansicht gerechtfertigt sein, daſs die Aufforstung an
jeder Fläche Halt zu machen habe, auf welcher sich noch einige Schafe
oder Ziegen notdürftig ernähren können, und daſs jede, auch die kümmer-
lichste Wirtschaft unter allen Umständen erhalten werden müsse. Das
oft citierte Wort Friedrichs des Groſsen: „Menschen sind mir lieber als
Bäume“ hat seine hohe Berechtigung, namentlich für jene Zeiten, in
denen es gesprochen wurde, und diesem Standpunkte ist auch oben bei
Erörterung der wünschenswerten Waldrodungen Rechnung getragen
worden. Anderseits wäre es jedoch unrichtig, zu behaupten, daſs die
Zustände, wie sie sich zufälligerweise gestaltet haben, unbedingt be-
stehen bleiben müſsten. Vom Standpunkte des betreffenden Wirtes aus
betrachtet ist es jedenfalls eine Verbesserung, wenn ihm die Gründung
einer Existenz unter günstigeren Verhältnissen ermöglicht wird. Welchen
Wert besitzt aber für die Gesamtheit eine Wirtschaft, die höchstens in
der Lage ist, sich kümmerlich durchzufristen, in den meisten Fällen
aber noch Zuschüsse in Form von direkten und indirekten Almosen er-
fordert? 1)


1) Die beste Schilderung derartiger Zustände liefert Schütte in seiner
„Tucheler Heide“. Er sagt hier auf S. 49: Das Land ist waldleer, kahl. Mit dem
flüchtigen Sande der Hügel sowie der Ebene treibt der Wind sein verderbliches
Spiel. In dem tiefen Sand der Wege, deren Spur oft bloſs durch eingesteckte kurze
Stangen und Büsche kenntlich ist, erlahmen Mensch und Pferd, und das Auge
sucht im Sommer auf der gelben blendenden Fläche vergebens nach einem Baum
oder Strauch. Wo der Boden fester wird, da bieten kahle, nur zuweilen mit Heide-
kraut bewachsene Grandebenen ein kaum weniger trostloses Bild. Der Ackerbau,
seiner Grundbedingung der Bodenkraft entbehrend, die Viehzucht bei sauren Wiesen
und jämmerlicher Weide stehen auf so tiefer Stufe, daſs es wohl keine Gegend giebt,
die zu einem negativen Vergleich herangezogen werden kann. Wo ein Stück Kiefernge-
strüpp oder gröſsere Horste noch stehen, da wird jährlich die letzte Nadel vom Erd-
boden weggehackt, um mit dem wenigen tierischen Dünger, mit Moder und Muschel-
schalen zusammen, dem Acker zugeführt zu werden, mit wenig Erfolg, denn das
zweite Korn im Roggen, die dritte und vierte Kartoffel gelten für eine günstige Ernte.
Ärmlich im hohen Grade ist denn auch das Leben der Bevölkerung und tief
der Bildungsstand; Faulheit, Trunk und Schmutz halten gleichen Schritt mitein-
ander und fördern sich gegenseitig. Und dieser ganze traurige Zustand läſst nicht
etwa die Wendung zum Besseren erkennen; im Gegenteil, die fortschreitende Ver-
sandung und die schonungslose Ausraubung des Fischbestandes schmälern die ohne-
hin unzureichenden Existenzbedingungen jährlich mehr. — Was fehlt, ist loh-
nende heimische Arbeit, und die kann hier nur der forstlich bewirtschaftete Wald
geben, die Hilfe kann nur die Wiederbewaldung bringen, und zwar die Aufforstung
durch den Staat.
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[91/0109] I. Abschnitt. Forstwirtschaftspflege. nähere Würdigung dieser weder durchführbaren noch notwendigen Maſs- regel wird unten erfolgen. So sehr vom volkswirtschaftlichen Standpunkte aus das sogen. „Legen“ von Bauernhöfen zum Zwecke der Vergröſserung des Wald- besitzes zu verurteilen ist, wie es z. Z. von einigen Magnaten Süd- deutschlands und Oesterreichs geübt wird, ebensowenig dürfte aber anderseits die Ansicht gerechtfertigt sein, daſs die Aufforstung an jeder Fläche Halt zu machen habe, auf welcher sich noch einige Schafe oder Ziegen notdürftig ernähren können, und daſs jede, auch die kümmer- lichste Wirtschaft unter allen Umständen erhalten werden müsse. Das oft citierte Wort Friedrichs des Groſsen: „Menschen sind mir lieber als Bäume“ hat seine hohe Berechtigung, namentlich für jene Zeiten, in denen es gesprochen wurde, und diesem Standpunkte ist auch oben bei Erörterung der wünschenswerten Waldrodungen Rechnung getragen worden. Anderseits wäre es jedoch unrichtig, zu behaupten, daſs die Zustände, wie sie sich zufälligerweise gestaltet haben, unbedingt be- stehen bleiben müſsten. Vom Standpunkte des betreffenden Wirtes aus betrachtet ist es jedenfalls eine Verbesserung, wenn ihm die Gründung einer Existenz unter günstigeren Verhältnissen ermöglicht wird. Welchen Wert besitzt aber für die Gesamtheit eine Wirtschaft, die höchstens in der Lage ist, sich kümmerlich durchzufristen, in den meisten Fällen aber noch Zuschüsse in Form von direkten und indirekten Almosen er- fordert? 1) 1) Die beste Schilderung derartiger Zustände liefert Schütte in seiner „Tucheler Heide“. Er sagt hier auf S. 49: Das Land ist waldleer, kahl. Mit dem flüchtigen Sande der Hügel sowie der Ebene treibt der Wind sein verderbliches Spiel. In dem tiefen Sand der Wege, deren Spur oft bloſs durch eingesteckte kurze Stangen und Büsche kenntlich ist, erlahmen Mensch und Pferd, und das Auge sucht im Sommer auf der gelben blendenden Fläche vergebens nach einem Baum oder Strauch. Wo der Boden fester wird, da bieten kahle, nur zuweilen mit Heide- kraut bewachsene Grandebenen ein kaum weniger trostloses Bild. Der Ackerbau, seiner Grundbedingung der Bodenkraft entbehrend, die Viehzucht bei sauren Wiesen und jämmerlicher Weide stehen auf so tiefer Stufe, daſs es wohl keine Gegend giebt, die zu einem negativen Vergleich herangezogen werden kann. Wo ein Stück Kiefernge- strüpp oder gröſsere Horste noch stehen, da wird jährlich die letzte Nadel vom Erd- boden weggehackt, um mit dem wenigen tierischen Dünger, mit Moder und Muschel- schalen zusammen, dem Acker zugeführt zu werden, mit wenig Erfolg, denn das zweite Korn im Roggen, die dritte und vierte Kartoffel gelten für eine günstige Ernte. Ärmlich im hohen Grade ist denn auch das Leben der Bevölkerung und tief der Bildungsstand; Faulheit, Trunk und Schmutz halten gleichen Schritt mitein- ander und fördern sich gegenseitig. Und dieser ganze traurige Zustand läſst nicht etwa die Wendung zum Besseren erkennen; im Gegenteil, die fortschreitende Ver- sandung und die schonungslose Ausraubung des Fischbestandes schmälern die ohne- hin unzureichenden Existenzbedingungen jährlich mehr. — Was fehlt, ist loh- nende heimische Arbeit, und die kann hier nur der forstlich bewirtschaftete Wald geben, die Hilfe kann nur die Wiederbewaldung bringen, und zwar die Aufforstung durch den Staat.

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Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/109>, abgerufen am 28.11.2024.