Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

Bild:
<< vorherige Seite
A. Erster (allgemeiner) Teil.
A. Erster (allgemeiner) Teil.

Einleitung: Definition vom: Wald, Urwald, Wirtschaftswald. Obwohl
der "Wald" zu den Erscheinungen gehört, welche als allgemein bekannt
vorausgesetzt werden können, so ist es doch kaum möglich, eine nach
allen Richtungen befriedigende Definition desselben zu geben.

Am zutreffendsten dürfte noch die von Hundeshagen (Encyclopädie)
herrührende Definition sein, nach welcher "Wald" jede mit wild-
wachsenden Holzarten bestandene Fläche
ist.

Fischbach (Lehrbuch) verlangt noch, dass diese Fläche eine grö-
ssere Ausdehnung
besitze. Die Definition gewinnt jedoch durch diesen
Zusatz keineswegs an Schärfe, da sich auch verhältnismässig ausge-
dehnte Flächen vorführen lassen, welche, obschon mit wildwachsenden
Holzarten bestockt, doch nicht Wald sind, z. B. mit Akazien bepflanzte
Eisenbahnböschungen u. s. w.

Wald besteht der angeführten Definition gemäss aus der Vereinigung
von Waldgrund und Holzbestand. Letzterer kann in den ver-
schiedensten Formen auftreten, vom geschlossenen Hochwald beginnend
bis zu schwachen, vereinzelt stehenden strauchartigen Baumindividuen
herab. In den Grenzgebieten des Waldes gegenüber Heide, Moor, Un-
land, Weide u. s. w. tritt der Holzbestand so zurück, dass die Bezeich-
nung einer konkreten Fläche als Wald immer mehr oder minder dem
gutachtlichen Ermessen überlassen bleiben muss.

Die Cottasche Definition lautet mit Rücksicht auf diese Verhält-
nisse: Wald ist eine zur Erziehung von Holz bestimmte,
wenigstens dem grösseren Teile nach mit Holz bestandene
Fläche
.

Das Kriterium der Bestimmung zur Holzzucht versagt jedoch, sobald
man sich die Verhältnisse der niederen Kulturstufen vorstellt, auf denen
eine scharfe Grenze zwischen den einzelnen Benutzungsarten des Bodens
noch nicht besteht.

Auch die Forderung, dass der "grössere Teil mit Holz bestanden
sei", wird nicht erfüllt bei verschiedenen, unzweifelhaft als Wald an-
zusprechenden Flächen, wie z. B. bei den Alpwirtschaften im Hochge-
birge, bei Parken oder bei Kulturflächen.

Weil eine für alle Fälle ausreichende Definition des Begriffes "Wald"
nicht gegeben werden kann, fordern C. Heyer (Der Waldbau) und
ebenso in weiterer Ausführung dieses Gedankens auch das württem-
bergische Forstpolizeigesetz von 1879 die vorausgegangene Bezeich-

A. Erster (allgemeiner) Teil.
A. Erster (allgemeiner) Teil.

Einleitung: Definition vom: Wald, Urwald, Wirtschaftswald. Obwohl
der „Wald“ zu den Erscheinungen gehört, welche als allgemein bekannt
vorausgesetzt werden können, so ist es doch kaum möglich, eine nach
allen Richtungen befriedigende Definition desselben zu geben.

Am zutreffendsten dürfte noch die von Hundeshagen (Encyclopädie)
herrührende Definition sein, nach welcher „Waldjede mit wild-
wachsenden Holzarten bestandene Fläche
ist.

Fischbach (Lehrbuch) verlangt noch, daſs diese Fläche eine grö-
ſsere Ausdehnung
besitze. Die Definition gewinnt jedoch durch diesen
Zusatz keineswegs an Schärfe, da sich auch verhältnismäſsig ausge-
dehnte Flächen vorführen lassen, welche, obschon mit wildwachsenden
Holzarten bestockt, doch nicht Wald sind, z. B. mit Akazien bepflanzte
Eisenbahnböschungen u. s. w.

Wald besteht der angeführten Definition gemäſs aus der Vereinigung
von Waldgrund und Holzbestand. Letzterer kann in den ver-
schiedensten Formen auftreten, vom geschlossenen Hochwald beginnend
bis zu schwachen, vereinzelt stehenden strauchartigen Baumindividuen
herab. In den Grenzgebieten des Waldes gegenüber Heide, Moor, Un-
land, Weide u. s. w. tritt der Holzbestand so zurück, daſs die Bezeich-
nung einer konkreten Fläche als Wald immer mehr oder minder dem
gutachtlichen Ermessen überlassen bleiben muſs.

Die Cottasche Definition lautet mit Rücksicht auf diese Verhält-
nisse: Wald ist eine zur Erziehung von Holz bestimmte,
wenigstens dem gröſseren Teile nach mit Holz bestandene
Fläche
.

Das Kriterium der Bestimmung zur Holzzucht versagt jedoch, sobald
man sich die Verhältnisse der niederen Kulturstufen vorstellt, auf denen
eine scharfe Grenze zwischen den einzelnen Benutzungsarten des Bodens
noch nicht besteht.

Auch die Forderung, daſs der „gröſsere Teil mit Holz bestanden
sei“, wird nicht erfüllt bei verschiedenen, unzweifelhaft als Wald an-
zusprechenden Flächen, wie z. B. bei den Alpwirtschaften im Hochge-
birge, bei Parken oder bei Kulturflächen.

Weil eine für alle Fälle ausreichende Definition des Begriffes „Wald“
nicht gegeben werden kann, fordern C. Heyer (Der Waldbau) und
ebenso in weiterer Ausführung dieses Gedankens auch das württem-
bergische Forstpolizeigesetz von 1879 die vorausgegangene Bezeich-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0023" n="5"/>
        <fw place="top" type="header">A. Erster (allgemeiner) Teil.</fw><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">A. Erster (allgemeiner) Teil.</hi> </head><lb/>
          <p>Einleitung: <hi rendition="#i">Definition vom: Wald, Urwald, Wirtschaftswald</hi>. Obwohl<lb/>
der &#x201E;<hi rendition="#g">Wald</hi>&#x201C; zu den Erscheinungen gehört, welche als allgemein bekannt<lb/>
vorausgesetzt werden können, so ist es doch kaum möglich, eine nach<lb/>
allen Richtungen befriedigende Definition desselben zu geben.</p><lb/>
          <p>Am zutreffendsten dürfte noch die von <hi rendition="#k">Hundeshagen</hi> (Encyclopädie)<lb/>
herrührende Definition sein, nach welcher &#x201E;<hi rendition="#g">Wald</hi>&#x201C; <hi rendition="#g">jede mit wild-<lb/>
wachsenden Holzarten bestandene Fläche</hi> ist.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#k">Fischbach</hi> (Lehrbuch) verlangt noch, da&#x017F;s diese Fläche eine <hi rendition="#g">grö-<lb/>
&#x017F;sere Ausdehnung</hi> besitze. Die Definition gewinnt jedoch durch diesen<lb/>
Zusatz keineswegs an Schärfe, da sich auch verhältnismä&#x017F;sig ausge-<lb/>
dehnte Flächen vorführen lassen, welche, obschon mit wildwachsenden<lb/>
Holzarten bestockt, doch nicht Wald sind, z. B. mit Akazien bepflanzte<lb/>
Eisenbahnböschungen u. s. w.</p><lb/>
          <p>Wald besteht der angeführten Definition gemä&#x017F;s aus der Vereinigung<lb/>
von <hi rendition="#g">Waldgrund</hi> und <hi rendition="#g">Holzbestand</hi>. Letzterer kann in den ver-<lb/>
schiedensten Formen auftreten, vom geschlossenen Hochwald beginnend<lb/>
bis zu schwachen, vereinzelt stehenden strauchartigen Baumindividuen<lb/>
herab. In den Grenzgebieten des Waldes gegenüber Heide, Moor, Un-<lb/>
land, Weide u. s. w. tritt der Holzbestand so zurück, da&#x017F;s die Bezeich-<lb/>
nung einer konkreten Fläche als Wald immer mehr oder minder dem<lb/>
gutachtlichen Ermessen überlassen bleiben mu&#x017F;s.</p><lb/>
          <p>Die <hi rendition="#k">Cotta</hi>sche Definition lautet mit Rücksicht auf diese Verhält-<lb/>
nisse: <hi rendition="#g">Wald ist eine zur Erziehung von Holz bestimmte,<lb/>
wenigstens dem grö&#x017F;seren Teile nach mit Holz bestandene<lb/>
Fläche</hi>.</p><lb/>
          <p>Das Kriterium der Bestimmung zur Holzzucht versagt jedoch, sobald<lb/>
man sich die Verhältnisse der niederen Kulturstufen vorstellt, auf denen<lb/>
eine scharfe Grenze zwischen den einzelnen Benutzungsarten des Bodens<lb/>
noch nicht besteht.</p><lb/>
          <p>Auch die Forderung, da&#x017F;s der &#x201E;grö&#x017F;sere Teil mit Holz bestanden<lb/>
sei&#x201C;, wird nicht erfüllt bei verschiedenen, unzweifelhaft als Wald an-<lb/>
zusprechenden Flächen, wie z. B. bei den Alpwirtschaften im Hochge-<lb/>
birge, bei Parken oder bei Kulturflächen.</p><lb/>
          <p>Weil eine für alle Fälle ausreichende Definition des Begriffes &#x201E;Wald&#x201C;<lb/>
nicht gegeben werden kann, fordern C. <hi rendition="#k">Heyer</hi> (Der Waldbau) und<lb/>
ebenso in weiterer Ausführung dieses Gedankens auch das württem-<lb/>
bergische Forstpolizeigesetz von 1879 die vorausgegangene <hi rendition="#g">Bezeich-</hi><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[5/0023] A. Erster (allgemeiner) Teil. A. Erster (allgemeiner) Teil. Einleitung: Definition vom: Wald, Urwald, Wirtschaftswald. Obwohl der „Wald“ zu den Erscheinungen gehört, welche als allgemein bekannt vorausgesetzt werden können, so ist es doch kaum möglich, eine nach allen Richtungen befriedigende Definition desselben zu geben. Am zutreffendsten dürfte noch die von Hundeshagen (Encyclopädie) herrührende Definition sein, nach welcher „Wald“ jede mit wild- wachsenden Holzarten bestandene Fläche ist. Fischbach (Lehrbuch) verlangt noch, daſs diese Fläche eine grö- ſsere Ausdehnung besitze. Die Definition gewinnt jedoch durch diesen Zusatz keineswegs an Schärfe, da sich auch verhältnismäſsig ausge- dehnte Flächen vorführen lassen, welche, obschon mit wildwachsenden Holzarten bestockt, doch nicht Wald sind, z. B. mit Akazien bepflanzte Eisenbahnböschungen u. s. w. Wald besteht der angeführten Definition gemäſs aus der Vereinigung von Waldgrund und Holzbestand. Letzterer kann in den ver- schiedensten Formen auftreten, vom geschlossenen Hochwald beginnend bis zu schwachen, vereinzelt stehenden strauchartigen Baumindividuen herab. In den Grenzgebieten des Waldes gegenüber Heide, Moor, Un- land, Weide u. s. w. tritt der Holzbestand so zurück, daſs die Bezeich- nung einer konkreten Fläche als Wald immer mehr oder minder dem gutachtlichen Ermessen überlassen bleiben muſs. Die Cottasche Definition lautet mit Rücksicht auf diese Verhält- nisse: Wald ist eine zur Erziehung von Holz bestimmte, wenigstens dem gröſseren Teile nach mit Holz bestandene Fläche. Das Kriterium der Bestimmung zur Holzzucht versagt jedoch, sobald man sich die Verhältnisse der niederen Kulturstufen vorstellt, auf denen eine scharfe Grenze zwischen den einzelnen Benutzungsarten des Bodens noch nicht besteht. Auch die Forderung, daſs der „gröſsere Teil mit Holz bestanden sei“, wird nicht erfüllt bei verschiedenen, unzweifelhaft als Wald an- zusprechenden Flächen, wie z. B. bei den Alpwirtschaften im Hochge- birge, bei Parken oder bei Kulturflächen. Weil eine für alle Fälle ausreichende Definition des Begriffes „Wald“ nicht gegeben werden kann, fordern C. Heyer (Der Waldbau) und ebenso in weiterer Ausführung dieses Gedankens auch das württem- bergische Forstpolizeigesetz von 1879 die vorausgegangene Bezeich-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/23
Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/23>, abgerufen am 03.12.2024.