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Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

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A. Erster (allgemeiner) Teil.

Die bekannteste und verheerendste Form derartiger Schädlichkeiten
bilden die Wildbäche 1); aber auch da, wo es nicht zur Bildung eigent-
licher Wildbäche kommt, wirken die erwähnten Erscheinungen im hohen
Masse kulturfeindlich, wie z. B. verschiedene Gegenden der Vorder-
pfalz zeigen.

Gegen diese Verwüstungen gewährt der Wald jedenfalls den besten
Schutz, welcher überhaupt möglich ist und der in den meisten Fällen
auch ausgiebig und erfolgreich wirkt.

Grasnarben binden zwar ebenfalls den Boden, allein der im Ge-
birge sehr dichte Rasen bildet einen Filz, in welchen der Regen nur
schwer eindringt und über den er deshalb rasch hinwegfliesst. Ausser-
dem bieten aber auch Rasenflächen nicht die gleiche Sicherheit gegen
Runsenbildung wie der Wald. Man ist daher in Frankreich bei der
Wildbachverbauung von der blossen Berasung (gazonnement) zurück-
gekommen und wendet innerhalb der Baumgrenze überall die Aufforstung
(reboisement) zur Bindung des Bodens an. 2)

Der Wald wirkt in dieser Richtung dadurch, dass er die mecha-
nische Gewalt der Niederschläge mindert, das oberflächliche Abfliessen
des Wassers verlangsamt und das Mitnehmen des Gesteinsschuttes und
der gelockerten Gesteinstrümmer verhindert.

Fällt Regen auf vegetationslosen Boden, so werden hier durch das auf-
stossende Wasser die Poren des Erdreichs verstopft, indem es die undurchlas-
senden Lehmteilchen in die Öffnungen hineinpresst. Das Wasser vermag
nicht mehr einzudringen und sammelt sich an der Oberfläche; an den Ge-
hängen bilden sich Wasserrinnen, in welchen es abfliesst und schliesslich
mit ungeheurer Gewalt dem Thale zueilt. Bei plötzlicher Schneeschmelze
oder nach heftigen Regengüssen entstehen an steilen Abhängen Runsen,
welche in ihrem unteren Teile den Anblick einer grossen Furche dar-
bieten, an deren Fusse das von oben abgeschwemmte Material in Form
eines Schuttkegels angehäuft ist. Bei erneuten Regengüssen und
Schneeschmelzen sammeln sich die Gewässer in solchen Vertiefungen,
führen die Erdteilchen fort, welche den Gesteinstrümmern als Stütze
dienen; letztere folgen, ihres Stützpunktes beraubt, denselben nach. Alle
Runsen, welche zu gleicher Zeit und in gleicher Richtung thätig sind,
führen eine förmliche Lawine im flüssigen Zustande in die sie vereini-
gende Schlucht. Das geringste Hindernis, welches dieser weichen
Masse begegnet, leitet sie von der Achse des Gebirges ab und stürzt sie
auf die steilen Uferhänge, deren Fuss unterwaschen wird und verschwindet;

1) Wildbäche sind Wasserläufe, aus deren Sammelgebiet ab und zu "Muren"
d. i. ein breiartiges Gemenge von Wasser, Kies, Sand, Steinen und Schlamm her-
vorbrechen. Diese Ausbruchmassen bedrohen und verwüsten sodann durch ihre
Fortbewegung Kulturgründe und selbst Wohnstätten.
2) Demontzey, Studien S. 236.
A. Erster (allgemeiner) Teil.

Die bekannteste und verheerendste Form derartiger Schädlichkeiten
bilden die Wildbäche 1); aber auch da, wo es nicht zur Bildung eigent-
licher Wildbäche kommt, wirken die erwähnten Erscheinungen im hohen
Maſse kulturfeindlich, wie z. B. verschiedene Gegenden der Vorder-
pfalz zeigen.

Gegen diese Verwüstungen gewährt der Wald jedenfalls den besten
Schutz, welcher überhaupt möglich ist und der in den meisten Fällen
auch ausgiebig und erfolgreich wirkt.

Grasnarben binden zwar ebenfalls den Boden, allein der im Ge-
birge sehr dichte Rasen bildet einen Filz, in welchen der Regen nur
schwer eindringt und über den er deshalb rasch hinwegflieſst. Auſser-
dem bieten aber auch Rasenflächen nicht die gleiche Sicherheit gegen
Runsenbildung wie der Wald. Man ist daher in Frankreich bei der
Wildbachverbauung von der bloſsen Berasung (gazonnement) zurück-
gekommen und wendet innerhalb der Baumgrenze überall die Aufforstung
(reboisement) zur Bindung des Bodens an. 2)

Der Wald wirkt in dieser Richtung dadurch, daſs er die mecha-
nische Gewalt der Niederschläge mindert, das oberflächliche Abflieſsen
des Wassers verlangsamt und das Mitnehmen des Gesteinsschuttes und
der gelockerten Gesteinstrümmer verhindert.

Fällt Regen auf vegetationslosen Boden, so werden hier durch das auf-
stoſsende Wasser die Poren des Erdreichs verstopft, indem es die undurchlas-
senden Lehmteilchen in die Öffnungen hineinpreſst. Das Wasser vermag
nicht mehr einzudringen und sammelt sich an der Oberfläche; an den Ge-
hängen bilden sich Wasserrinnen, in welchen es abflieſst und schlieſslich
mit ungeheurer Gewalt dem Thale zueilt. Bei plötzlicher Schneeschmelze
oder nach heftigen Regengüssen entstehen an steilen Abhängen Runsen,
welche in ihrem unteren Teile den Anblick einer groſsen Furche dar-
bieten, an deren Fuſse das von oben abgeschwemmte Material in Form
eines Schuttkegels angehäuft ist. Bei erneuten Regengüssen und
Schneeschmelzen sammeln sich die Gewässer in solchen Vertiefungen,
führen die Erdteilchen fort, welche den Gesteinstrümmern als Stütze
dienen; letztere folgen, ihres Stützpunktes beraubt, denselben nach. Alle
Runsen, welche zu gleicher Zeit und in gleicher Richtung thätig sind,
führen eine förmliche Lawine im flüssigen Zustande in die sie vereini-
gende Schlucht. Das geringste Hindernis, welches dieser weichen
Masse begegnet, leitet sie von der Achse des Gebirges ab und stürzt sie
auf die steilen Uferhänge, deren Fuſs unterwaschen wird und verschwindet;

1) Wildbäche sind Wasserläufe, aus deren Sammelgebiet ab und zu „Muren
d. i. ein breiartiges Gemenge von Wasser, Kies, Sand, Steinen und Schlamm her-
vorbrechen. Diese Ausbruchmassen bedrohen und verwüsten sodann durch ihre
Fortbewegung Kulturgründe und selbst Wohnstätten.
2) Demontzey, Studien S. 236.
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[60/0078] A. Erster (allgemeiner) Teil. Die bekannteste und verheerendste Form derartiger Schädlichkeiten bilden die Wildbäche 1); aber auch da, wo es nicht zur Bildung eigent- licher Wildbäche kommt, wirken die erwähnten Erscheinungen im hohen Maſse kulturfeindlich, wie z. B. verschiedene Gegenden der Vorder- pfalz zeigen. Gegen diese Verwüstungen gewährt der Wald jedenfalls den besten Schutz, welcher überhaupt möglich ist und der in den meisten Fällen auch ausgiebig und erfolgreich wirkt. Grasnarben binden zwar ebenfalls den Boden, allein der im Ge- birge sehr dichte Rasen bildet einen Filz, in welchen der Regen nur schwer eindringt und über den er deshalb rasch hinwegflieſst. Auſser- dem bieten aber auch Rasenflächen nicht die gleiche Sicherheit gegen Runsenbildung wie der Wald. Man ist daher in Frankreich bei der Wildbachverbauung von der bloſsen Berasung (gazonnement) zurück- gekommen und wendet innerhalb der Baumgrenze überall die Aufforstung (reboisement) zur Bindung des Bodens an. 2) Der Wald wirkt in dieser Richtung dadurch, daſs er die mecha- nische Gewalt der Niederschläge mindert, das oberflächliche Abflieſsen des Wassers verlangsamt und das Mitnehmen des Gesteinsschuttes und der gelockerten Gesteinstrümmer verhindert. Fällt Regen auf vegetationslosen Boden, so werden hier durch das auf- stoſsende Wasser die Poren des Erdreichs verstopft, indem es die undurchlas- senden Lehmteilchen in die Öffnungen hineinpreſst. Das Wasser vermag nicht mehr einzudringen und sammelt sich an der Oberfläche; an den Ge- hängen bilden sich Wasserrinnen, in welchen es abflieſst und schlieſslich mit ungeheurer Gewalt dem Thale zueilt. Bei plötzlicher Schneeschmelze oder nach heftigen Regengüssen entstehen an steilen Abhängen Runsen, welche in ihrem unteren Teile den Anblick einer groſsen Furche dar- bieten, an deren Fuſse das von oben abgeschwemmte Material in Form eines Schuttkegels angehäuft ist. Bei erneuten Regengüssen und Schneeschmelzen sammeln sich die Gewässer in solchen Vertiefungen, führen die Erdteilchen fort, welche den Gesteinstrümmern als Stütze dienen; letztere folgen, ihres Stützpunktes beraubt, denselben nach. Alle Runsen, welche zu gleicher Zeit und in gleicher Richtung thätig sind, führen eine förmliche Lawine im flüssigen Zustande in die sie vereini- gende Schlucht. Das geringste Hindernis, welches dieser weichen Masse begegnet, leitet sie von der Achse des Gebirges ab und stürzt sie auf die steilen Uferhänge, deren Fuſs unterwaschen wird und verschwindet; 1) Wildbäche sind Wasserläufe, aus deren Sammelgebiet ab und zu „Muren“ d. i. ein breiartiges Gemenge von Wasser, Kies, Sand, Steinen und Schlamm her- vorbrechen. Diese Ausbruchmassen bedrohen und verwüsten sodann durch ihre Fortbewegung Kulturgründe und selbst Wohnstätten. 2) Demontzey, Studien S. 236.

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Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/78>, abgerufen am 25.11.2024.