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Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

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I. Abschnitt. Forstwirtschaftspflege.
zu veräussern, ist nunmehr durch die Macht der Verhältnisse dazu ge-
drängt worden, seit etwa 8 Jahren auch mit Neuerwerbungen vorzu-
gehen; die grösste derselben ist der 1891 erfolgte Ankauf der Herrschaft
Nadworna in Galizien mit 76700 ha Wald.

Die Vereinigten Staaten von Nordamerika sind ebenfalls in der
neuesten Zeit dazu übergegangen, sich einen Staatswaldbesitz zu sichern.
Die am Ende des Fiskaljahres 1893 bestandenen 16 Forstreservationen
umfassten bereits eine Fläche von 6486643 ha, und ihre weitere
Ausdehnung ist beabsichtigt.

Unter diesen Umständen dürfte es zu weit führen, alle für und
gegen den Staatswaldbesitz angeführten Gründe eingehend zu erörtern,
und darf deshalb auf die vorzügliche litteraturgeschichtliche Darstellung
von Lehr -- in Loreys Handbuch d. Forstwissenschaft, Bd. II, S. 501 ff. --
sowie auf eine Arbeit von U. Müller im Tharandter Jahrbuch, 1894, S. 49
verwiesen werden. Hier mag es genügen, die wichtigsten Einwendungen
gegen den Staatswaldbesitz kurz zu erörtern.

Dieselben sind teils wirtschaftlicher, teils politischer, teils
finanzieller Natur.

Die Vertreter der älteren Freihandelsschule machten, wie bereits
bemerkt, von dem allgemeinen Satze ausgehend, dass der Staat sich in
die privatwirtschaftliche Thätigkeit nicht einmischen solle, die Forderung
geltend, dass auch der Forstbetrieb vom Staate aufgegeben werden müsse,
und zwar aus denselben Gründen, die gegen den Staatsbetrieb von Ge-
werben überhaupt geltend gemacht werden. Der Staat produziere un-
günstiger und teurer als der Private, hauptsächlich wegen der geringeren
ökonomisch-technischen Geschicklichkeit der Staatsverwaltung und der
büreaukratischen Schwerfälligkeit; infolgedessen sei die Rentabilität der
Staatsbetriebe stets geringer als jene von Privatbetrieben.

Bei der Entwickelung des konstitutionellen Lebens kam dann noch
als weiterer politischer Gesichtspunkt für das Verlangen der Staatswald-
veräusserung in Betracht, dass die Regierung durch die Einkünfte aus
den Domänen unabhängig werde von dem Einnahmebewilligungsrechte
der Volksvertretung. Ferner sei die privatwirtschaftliche Erwerbsthätig-
keit des Staates im gewissen Sinne eine verdeckte Form der Besteue-
rung, welche zweckmässiger durch direkte Steuern ersetzt werde.

Wenn nun auch zugegeben werden muss, dass die wichtigsten der
von der Freihandelsschule gegen den staatlichen Gewerbebetrieb im allge-
meinen geltend gemachten Gründe innerhalb gewisser Grenzen berechtigt
sind, so ist doch anderseits zu betonen, dass diese Schattenseiten beim
Forstbetriebe verhältnismässig am wenigsten hervortreten, während
eine Reihe gewichtiger Gründe für den Betrieb der Forstwirtschaft durch
den Staat sprechen.

Die Forstwirtschaft ist, wie bereits früher bemerkt, dadurch charak-

Schwappach, Forstpolitik. 6

I. Abschnitt. Forstwirtschaftspflege.
zu veräuſsern, ist nunmehr durch die Macht der Verhältnisse dazu ge-
drängt worden, seit etwa 8 Jahren auch mit Neuerwerbungen vorzu-
gehen; die gröſste derselben ist der 1891 erfolgte Ankauf der Herrschaft
Nadwórna in Galizien mit 76700 ha Wald.

Die Vereinigten Staaten von Nordamerika sind ebenfalls in der
neuesten Zeit dazu übergegangen, sich einen Staatswaldbesitz zu sichern.
Die am Ende des Fiskaljahres 1893 bestandenen 16 Forstreservationen
umfaſsten bereits eine Fläche von 6486643 ha, und ihre weitere
Ausdehnung ist beabsichtigt.

Unter diesen Umständen dürfte es zu weit führen, alle für und
gegen den Staatswaldbesitz angeführten Gründe eingehend zu erörtern,
und darf deshalb auf die vorzügliche litteraturgeschichtliche Darstellung
von Lehr — in Loreys Handbuch d. Forstwissenschaft, Bd. II, S. 501 ff. —
sowie auf eine Arbeit von U. Müller im Tharandter Jahrbuch, 1894, S. 49
verwiesen werden. Hier mag es genügen, die wichtigsten Einwendungen
gegen den Staatswaldbesitz kurz zu erörtern.

Dieselben sind teils wirtschaftlicher, teils politischer, teils
finanzieller Natur.

Die Vertreter der älteren Freihandelsschule machten, wie bereits
bemerkt, von dem allgemeinen Satze ausgehend, daſs der Staat sich in
die privatwirtschaftliche Thätigkeit nicht einmischen solle, die Forderung
geltend, daſs auch der Forstbetrieb vom Staate aufgegeben werden müsse,
und zwar aus denselben Gründen, die gegen den Staatsbetrieb von Ge-
werben überhaupt geltend gemacht werden. Der Staat produziere un-
günstiger und teurer als der Private, hauptsächlich wegen der geringeren
ökonomisch-technischen Geschicklichkeit der Staatsverwaltung und der
büreaukratischen Schwerfälligkeit; infolgedessen sei die Rentabilität der
Staatsbetriebe stets geringer als jene von Privatbetrieben.

Bei der Entwickelung des konstitutionellen Lebens kam dann noch
als weiterer politischer Gesichtspunkt für das Verlangen der Staatswald-
veräuſserung in Betracht, daſs die Regierung durch die Einkünfte aus
den Domänen unabhängig werde von dem Einnahmebewilligungsrechte
der Volksvertretung. Ferner sei die privatwirtschaftliche Erwerbsthätig-
keit des Staates im gewissen Sinne eine verdeckte Form der Besteue-
rung, welche zweckmäſsiger durch direkte Steuern ersetzt werde.

Wenn nun auch zugegeben werden muſs, daſs die wichtigsten der
von der Freihandelsschule gegen den staatlichen Gewerbebetrieb im allge-
meinen geltend gemachten Gründe innerhalb gewisser Grenzen berechtigt
sind, so ist doch anderseits zu betonen, daſs diese Schattenseiten beim
Forstbetriebe verhältnismäſsig am wenigsten hervortreten, während
eine Reihe gewichtiger Gründe für den Betrieb der Forstwirtschaft durch
den Staat sprechen.

Die Forstwirtschaft ist, wie bereits früher bemerkt, dadurch charak-

Schwappach, Forstpolitik. 6
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[81/0099] I. Abschnitt. Forstwirtschaftspflege. zu veräuſsern, ist nunmehr durch die Macht der Verhältnisse dazu ge- drängt worden, seit etwa 8 Jahren auch mit Neuerwerbungen vorzu- gehen; die gröſste derselben ist der 1891 erfolgte Ankauf der Herrschaft Nadwórna in Galizien mit 76700 ha Wald. Die Vereinigten Staaten von Nordamerika sind ebenfalls in der neuesten Zeit dazu übergegangen, sich einen Staatswaldbesitz zu sichern. Die am Ende des Fiskaljahres 1893 bestandenen 16 Forstreservationen umfaſsten bereits eine Fläche von 6486643 ha, und ihre weitere Ausdehnung ist beabsichtigt. Unter diesen Umständen dürfte es zu weit führen, alle für und gegen den Staatswaldbesitz angeführten Gründe eingehend zu erörtern, und darf deshalb auf die vorzügliche litteraturgeschichtliche Darstellung von Lehr — in Loreys Handbuch d. Forstwissenschaft, Bd. II, S. 501 ff. — sowie auf eine Arbeit von U. Müller im Tharandter Jahrbuch, 1894, S. 49 verwiesen werden. Hier mag es genügen, die wichtigsten Einwendungen gegen den Staatswaldbesitz kurz zu erörtern. Dieselben sind teils wirtschaftlicher, teils politischer, teils finanzieller Natur. Die Vertreter der älteren Freihandelsschule machten, wie bereits bemerkt, von dem allgemeinen Satze ausgehend, daſs der Staat sich in die privatwirtschaftliche Thätigkeit nicht einmischen solle, die Forderung geltend, daſs auch der Forstbetrieb vom Staate aufgegeben werden müsse, und zwar aus denselben Gründen, die gegen den Staatsbetrieb von Ge- werben überhaupt geltend gemacht werden. Der Staat produziere un- günstiger und teurer als der Private, hauptsächlich wegen der geringeren ökonomisch-technischen Geschicklichkeit der Staatsverwaltung und der büreaukratischen Schwerfälligkeit; infolgedessen sei die Rentabilität der Staatsbetriebe stets geringer als jene von Privatbetrieben. Bei der Entwickelung des konstitutionellen Lebens kam dann noch als weiterer politischer Gesichtspunkt für das Verlangen der Staatswald- veräuſserung in Betracht, daſs die Regierung durch die Einkünfte aus den Domänen unabhängig werde von dem Einnahmebewilligungsrechte der Volksvertretung. Ferner sei die privatwirtschaftliche Erwerbsthätig- keit des Staates im gewissen Sinne eine verdeckte Form der Besteue- rung, welche zweckmäſsiger durch direkte Steuern ersetzt werde. Wenn nun auch zugegeben werden muſs, daſs die wichtigsten der von der Freihandelsschule gegen den staatlichen Gewerbebetrieb im allge- meinen geltend gemachten Gründe innerhalb gewisser Grenzen berechtigt sind, so ist doch anderseits zu betonen, daſs diese Schattenseiten beim Forstbetriebe verhältnismäſsig am wenigsten hervortreten, während eine Reihe gewichtiger Gründe für den Betrieb der Forstwirtschaft durch den Staat sprechen. Die Forstwirtschaft ist, wie bereits früher bemerkt, dadurch charak- Schwappach, Forstpolitik. 6

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Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/99>, abgerufen am 27.11.2024.