Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.Anhang. Anatolische Fragmente. süchtige Blicke werfen, um den an Classicität Nichts zu wünschenübrig lassenden Schlüssel zur Weltstadt Constantinopel ja nicht in unberufene Hände gerathen zu lassen. Die Erinnerung braucht indeß nicht blos an diesem Objecte 1 Dieser Sultan hatte mit seltenem Scharfblicke in der Lage Galli-
polis eine höchst wichtige militärische Etappe auf dem Wege von der früheren Residenz nach Adrianopel erblickt. Um so blinder verhielt sich dem Verluste dieses Hafen- und Sperrpunktes gegenüber Joannes Paläo- logos, welcher der Meinung war, "einen Schweinestall" verloren zu haben, an dessen Besitz nichts gelegen sei. Thatsächlich aber stand dem damaligen Osman mit der Eroberung des von Seite der Byzantiner mit so großer Geringschätzung behandelten Platzes ganz Thrakien offen und wie die Ge- schichte lehrt, fand Murad I. auf seinem Zuge nach Adrianopel kein Hin- derniß mehr, das seiner Eroberung hätte Schranken setzen können. Anhang. Anatoliſche Fragmente. ſüchtige Blicke werfen, um den an Claſſicität Nichts zu wünſchenübrig laſſenden Schlüſſel zur Weltſtadt Conſtantinopel ja nicht in unberufene Hände gerathen zu laſſen. Die Erinnerung braucht indeß nicht blos an dieſem Objecte 1 Dieſer Sultan hatte mit ſeltenem Scharfblicke in der Lage Galli-
polis eine höchſt wichtige militäriſche Etappe auf dem Wege von der früheren Reſidenz nach Adrianopel erblickt. Um ſo blinder verhielt ſich dem Verluſte dieſes Hafen- und Sperrpunktes gegenüber Joannes Paläo- logos, welcher der Meinung war, „einen Schweineſtall“ verloren zu haben, an deſſen Beſitz nichts gelegen ſei. Thatſächlich aber ſtand dem damaligen Osman mit der Eroberung des von Seite der Byzantiner mit ſo großer Geringſchätzung behandelten Platzes ganz Thrakien offen und wie die Ge- ſchichte lehrt, fand Murad I. auf ſeinem Zuge nach Adrianopel kein Hin- derniß mehr, das ſeiner Eroberung hätte Schranken ſetzen können. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0192" n="160"/><fw place="top" type="header">Anhang. Anatoliſche Fragmente.</fw><lb/> ſüchtige Blicke werfen, um den an Claſſicität Nichts zu wünſchen<lb/> übrig laſſenden Schlüſſel zur Weltſtadt Conſtantinopel ja nicht<lb/> in unberufene Hände gerathen zu laſſen.</p><lb/> <p>Die Erinnerung braucht indeß nicht blos an dieſem Objecte<lb/> zu zehren; ſie findet eine ganze Reihe anderer, die jeden Gebil-<lb/> deten, ſei er nun Staatsmann oder Hiſtoriker, Dichter oder<lb/> Cultur-Apoſtel, ja ſelbſt nur einfacher Touriſt, in ungewöhnlichem<lb/> Grade feſſeln müſſen. Am Hellespont wurde die Geſchichte von<lb/> vier Jahrtauſenden geknüpft. Ein Compendium derſelben liegt<lb/> vor den Blicken des denkenden Beobachters in ehernen Zeichen<lb/> aufgeſchlagen und die Phantaſie lieſt ja ſo wunderbar raſch; ſie<lb/> erſchöpft das ganze Material in wenigen Stunden herrlicher<lb/> Meerfahrt … Beim Herannähern durch die Marmara-See<lb/> treten die ſüdlichen Uferlandſchaften des räumlich unbedeutenden<lb/> Binnenmeeres mehr und mehr in den Geſichtskreis, ein letzter<lb/> Blick noch auf den bithyniſchen Olymp, der zwiſchen den<lb/> Marmara-Inſeln herüberlugt, dann taucht linker Hand eine<lb/> bunte Häuſermaſſe aus den Goldnebeln, das weitläufige<lb/> Gallipoli, der erſte Markſtein des Osmanenthums in Europa.<lb/> Das Städtchen liegt auf einer ſchmalen Landzunge, die mit dem<lb/> Feſtlande zwei kleine Buchten bildet, in der Regel der Sammel-<lb/> punkt der zahlreichen kleineren Segler, welche zu vielen Tauſenden<lb/> jahrein und jahraus die Meeresſtraße paſſiren. Ein uralter<lb/> Thurm, das Werk Bajazids <note place="foot" n="1">Dieſer Sultan hatte mit ſeltenem Scharfblicke in der Lage Galli-<lb/> polis eine höchſt wichtige militäriſche Etappe auf dem Wege von der<lb/> früheren Reſidenz nach Adrianopel erblickt. Um ſo blinder verhielt ſich<lb/> dem Verluſte dieſes Hafen- und Sperrpunktes gegenüber Joannes Paläo-<lb/> logos, welcher der Meinung war, „einen Schweineſtall“ verloren zu haben,<lb/> an deſſen Beſitz nichts gelegen ſei. Thatſächlich aber ſtand dem damaligen<lb/> Osman mit der Eroberung des von Seite der Byzantiner mit ſo großer<lb/> Geringſchätzung behandelten Platzes ganz Thrakien offen und wie die Ge-<lb/> ſchichte lehrt, fand Murad <hi rendition="#aq">I.</hi> auf ſeinem Zuge nach Adrianopel kein Hin-<lb/> derniß mehr, das ſeiner Eroberung hätte Schranken ſetzen können.</note>, und einige verfallene Erdſchanzen<lb/> aus der Zeit des Krimkrieges waren noch kurz vor Ausbruch<lb/> der letzten Orientwirren die einzigen fortificatoriſchen Objecte.<lb/> Die Stelle, wo Orchans Sohn, Suleiman, in dem neuen Welt-<lb/> theil zuerſt Fuß faßte, liegt übrigens nicht bei Gallipoli ſelbſt,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [160/0192]
Anhang. Anatoliſche Fragmente.
ſüchtige Blicke werfen, um den an Claſſicität Nichts zu wünſchen
übrig laſſenden Schlüſſel zur Weltſtadt Conſtantinopel ja nicht
in unberufene Hände gerathen zu laſſen.
Die Erinnerung braucht indeß nicht blos an dieſem Objecte
zu zehren; ſie findet eine ganze Reihe anderer, die jeden Gebil-
deten, ſei er nun Staatsmann oder Hiſtoriker, Dichter oder
Cultur-Apoſtel, ja ſelbſt nur einfacher Touriſt, in ungewöhnlichem
Grade feſſeln müſſen. Am Hellespont wurde die Geſchichte von
vier Jahrtauſenden geknüpft. Ein Compendium derſelben liegt
vor den Blicken des denkenden Beobachters in ehernen Zeichen
aufgeſchlagen und die Phantaſie lieſt ja ſo wunderbar raſch; ſie
erſchöpft das ganze Material in wenigen Stunden herrlicher
Meerfahrt … Beim Herannähern durch die Marmara-See
treten die ſüdlichen Uferlandſchaften des räumlich unbedeutenden
Binnenmeeres mehr und mehr in den Geſichtskreis, ein letzter
Blick noch auf den bithyniſchen Olymp, der zwiſchen den
Marmara-Inſeln herüberlugt, dann taucht linker Hand eine
bunte Häuſermaſſe aus den Goldnebeln, das weitläufige
Gallipoli, der erſte Markſtein des Osmanenthums in Europa.
Das Städtchen liegt auf einer ſchmalen Landzunge, die mit dem
Feſtlande zwei kleine Buchten bildet, in der Regel der Sammel-
punkt der zahlreichen kleineren Segler, welche zu vielen Tauſenden
jahrein und jahraus die Meeresſtraße paſſiren. Ein uralter
Thurm, das Werk Bajazids 1, und einige verfallene Erdſchanzen
aus der Zeit des Krimkrieges waren noch kurz vor Ausbruch
der letzten Orientwirren die einzigen fortificatoriſchen Objecte.
Die Stelle, wo Orchans Sohn, Suleiman, in dem neuen Welt-
theil zuerſt Fuß faßte, liegt übrigens nicht bei Gallipoli ſelbſt,
1 Dieſer Sultan hatte mit ſeltenem Scharfblicke in der Lage Galli-
polis eine höchſt wichtige militäriſche Etappe auf dem Wege von der
früheren Reſidenz nach Adrianopel erblickt. Um ſo blinder verhielt ſich
dem Verluſte dieſes Hafen- und Sperrpunktes gegenüber Joannes Paläo-
logos, welcher der Meinung war, „einen Schweineſtall“ verloren zu haben,
an deſſen Beſitz nichts gelegen ſei. Thatſächlich aber ſtand dem damaligen
Osman mit der Eroberung des von Seite der Byzantiner mit ſo großer
Geringſchätzung behandelten Platzes ganz Thrakien offen und wie die Ge-
ſchichte lehrt, fand Murad I. auf ſeinem Zuge nach Adrianopel kein Hin-
derniß mehr, das ſeiner Eroberung hätte Schranken ſetzen können.
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