Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.Anhang. Anatolische Fragmente. auf, und von hier nahm der Binnenverkehr jene Richtung, nachwelcher er durch zwei Jahrtausende durch Sinope vermittelt worden ist. Seitdem spielte der Hafenplatz nur mehr eine Rolle im Küstenhandel und weiters als Schiffswerfte, wozu es durch den bedeutenden Waldreichthum des Hinterlandes prädestinirt war. Anderseits hat freilich auch hier die türkische Admini- stration genug der Ungeheuerlichkeiten begangen1. Der Gewohnheit gemäß, daß nur türkische Bewohner inner- einem Kranz von Lorbeerhainen ringsum, liegt unweit der Ruinen der milesischen Coloniestadt Amisos. Noch stößt man im Nordwesten allent- halben auf Mauertrümmer und verbaute Terrassen, alles von urwald- artigem Dickicht, Dornen und Schlinggewächsen umrankt. Hier soll die Residenz Eupatoria des Königs Mithridates gestanden haben, doch ist die Lage keineswegs sicher gestellt. Der alte Hafen von Amisos liegt heute trocken und ist mit Feldfrüchten bewachsen (wie jener von Milet, vgl. Braun, "Historische Landschaften", 190); sichtbar aber ist noch der ins Meer gesunkene große Hafendamm, den man, wie jenen von Sinope, unter dem Wasserspiegel verfolgen kann. Amisos hat weder den Glanz, noch die Unglücksfälle von Sinope erlebt. 1 Als im Jahre 1873 die Regierung im ganzen Reiche die Tabak-
Regie einführte und ein aus mehr als hundert Paragraphen bestehendes Reglement über den Tabaksbau mit Bedrohung schwerer Strafen gegen Contravenienten erließ, fand der Steuerbeamte von Sinope es für ange- zeigt, dieses Reglement einfach zu verheimlichen, wodurch er nachher bei den Tabakbauern eine ganz erkleckliche Summe von Strafgeldern einzu- treiben vermochte, deren Ablieferung ihn zu einem Manne nach dem Herzen der Regierung machte. Aber die Folgen zeigten sich auch sogleich; der District, der bis dahin über 41/2 Mill. Kilo Tabak erzeugte, producirte im folgenden Jahre nur mehr 40,000 Kilo, veranlaßte also einen colossalen Ausfall in den Staatseinkünften des Districtes und so mußte der heim- tückische Steuerbeamte abgesetzt werden. Seine Nachfolger sollen die Lage wieder gebessert haben. ("Allg. Zeitg.", 1877.) Anhang. Anatoliſche Fragmente. auf, und von hier nahm der Binnenverkehr jene Richtung, nachwelcher er durch zwei Jahrtauſende durch Sinope vermittelt worden iſt. Seitdem ſpielte der Hafenplatz nur mehr eine Rolle im Küſtenhandel und weiters als Schiffswerfte, wozu es durch den bedeutenden Waldreichthum des Hinterlandes prädeſtinirt war. Anderſeits hat freilich auch hier die türkiſche Admini- ſtration genug der Ungeheuerlichkeiten begangen1. Der Gewohnheit gemäß, daß nur türkiſche Bewohner inner- einem Kranz von Lorbeerhainen ringsum, liegt unweit der Ruinen der mileſiſchen Colonieſtadt Amiſos. Noch ſtößt man im Nordweſten allent- halben auf Mauertrümmer und verbaute Terraſſen, alles von urwald- artigem Dickicht, Dornen und Schlinggewächſen umrankt. Hier ſoll die Reſidenz Eupatoria des Königs Mithridates geſtanden haben, doch iſt die Lage keineswegs ſicher geſtellt. Der alte Hafen von Amiſos liegt heute trocken und iſt mit Feldfrüchten bewachſen (wie jener von Milet, vgl. Braun, „Hiſtoriſche Landſchaften“, 190); ſichtbar aber iſt noch der ins Meer geſunkene große Hafendamm, den man, wie jenen von Sinope, unter dem Waſſerſpiegel verfolgen kann. Amiſos hat weder den Glanz, noch die Unglücksfälle von Sinope erlebt. 1 Als im Jahre 1873 die Regierung im ganzen Reiche die Tabak-
Regie einführte und ein aus mehr als hundert Paragraphen beſtehendes Reglement über den Tabaksbau mit Bedrohung ſchwerer Strafen gegen Contravenienten erließ, fand der Steuerbeamte von Sinope es für ange- zeigt, dieſes Reglement einfach zu verheimlichen, wodurch er nachher bei den Tabakbauern eine ganz erkleckliche Summe von Strafgeldern einzu- treiben vermochte, deren Ablieferung ihn zu einem Manne nach dem Herzen der Regierung machte. Aber die Folgen zeigten ſich auch ſogleich; der Diſtrict, der bis dahin über 4½ Mill. Kilo Tabak erzeugte, producirte im folgenden Jahre nur mehr 40,000 Kilo, veranlaßte alſo einen coloſſalen Ausfall in den Staatseinkünften des Diſtrictes und ſo mußte der heim- tückiſche Steuerbeamte abgeſetzt werden. Seine Nachfolger ſollen die Lage wieder gebeſſert haben. („Allg. Zeitg.“, 1877.) <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0234" n="202"/><fw place="top" type="header">Anhang. Anatoliſche Fragmente.</fw><lb/> auf, und von hier nahm der Binnenverkehr jene Richtung, nach<lb/> welcher er durch zwei Jahrtauſende durch Sinope vermittelt<lb/> worden iſt. Seitdem ſpielte der Hafenplatz nur mehr eine Rolle<lb/> im Küſtenhandel und weiters als Schiffswerfte, wozu es durch<lb/> den bedeutenden Waldreichthum des Hinterlandes prädeſtinirt<lb/> war. Anderſeits hat freilich auch hier die türkiſche Admini-<lb/> ſtration genug der Ungeheuerlichkeiten begangen<note place="foot" n="1">Als im Jahre 1873 die Regierung im ganzen Reiche die Tabak-<lb/> Regie einführte und ein aus mehr als hundert Paragraphen beſtehendes<lb/> Reglement über den Tabaksbau mit Bedrohung ſchwerer Strafen gegen<lb/> Contravenienten erließ, fand der Steuerbeamte von Sinope es für ange-<lb/> zeigt, dieſes Reglement einfach zu verheimlichen, wodurch er nachher bei<lb/> den Tabakbauern eine ganz erkleckliche Summe von Strafgeldern einzu-<lb/> treiben vermochte, deren Ablieferung ihn zu einem Manne nach dem<lb/> Herzen der Regierung machte. Aber die Folgen zeigten ſich auch ſogleich;<lb/> der Diſtrict, der bis dahin über 4½ Mill. Kilo Tabak erzeugte, producirte im<lb/> folgenden Jahre nur mehr 40,000 Kilo, veranlaßte alſo einen coloſſalen<lb/> Ausfall in den Staatseinkünften des Diſtrictes und ſo mußte der heim-<lb/> tückiſche Steuerbeamte abgeſetzt werden. Seine Nachfolger ſollen die Lage<lb/> wieder gebeſſert haben. („Allg. Zeitg.“, 1877.)</note>.</p><lb/> <p>Der Gewohnheit gemäß, daß nur türkiſche Bewohner inner-<lb/> halb von Stadtbefeſtigungen ſich anzuſiedeln berechtigt ſeien, hat<lb/> auch in Sinope Geltung gefunden, und ſo umſchließen die innerſten<lb/> Caſtellmauern nur türkiſche Wohnſtätten. Ein Vortheil mag dies<lb/> heute, wo eine Bedrohung durch äußere Feinde nahezu aus-<lb/> geſchloſſen iſt, freilich nicht mehr ſein, denn iſt ſchon an ſich die<lb/> Stadt eine der winkeligſten und ſchmutzigſten der ganzen Pontus-<lb/> küſte, ſo treten dieſe Uebelſtände in erhöhtem Maße bei einem<lb/> winzigen Stadtviertel hervor, das zwiſchen hohen Wallmauern<lb/><note xml:id="seg2pn_24_2" prev="#seg2pn_24_1" place="foot" n="2">einem Kranz von Lorbeerhainen ringsum, liegt unweit der Ruinen der<lb/> mileſiſchen Colonieſtadt Amiſos. Noch ſtößt man im Nordweſten allent-<lb/> halben auf Mauertrümmer und verbaute Terraſſen, alles von urwald-<lb/> artigem Dickicht, Dornen und Schlinggewächſen umrankt. Hier ſoll die<lb/> Reſidenz Eupatoria des Königs Mithridates geſtanden haben, doch iſt die<lb/> Lage keineswegs ſicher geſtellt. Der alte Hafen von Amiſos liegt heute<lb/> trocken und iſt mit Feldfrüchten bewachſen (wie jener von Milet, vgl.<lb/> Braun, „Hiſtoriſche Landſchaften“, 190); ſichtbar aber iſt noch der ins<lb/> Meer geſunkene große Hafendamm, den man, wie jenen von Sinope, unter<lb/> dem Waſſerſpiegel verfolgen kann. Amiſos hat weder den Glanz, noch<lb/> die Unglücksfälle von Sinope erlebt.</note><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [202/0234]
Anhang. Anatoliſche Fragmente.
auf, und von hier nahm der Binnenverkehr jene Richtung, nach
welcher er durch zwei Jahrtauſende durch Sinope vermittelt
worden iſt. Seitdem ſpielte der Hafenplatz nur mehr eine Rolle
im Küſtenhandel und weiters als Schiffswerfte, wozu es durch
den bedeutenden Waldreichthum des Hinterlandes prädeſtinirt
war. Anderſeits hat freilich auch hier die türkiſche Admini-
ſtration genug der Ungeheuerlichkeiten begangen 1.
Der Gewohnheit gemäß, daß nur türkiſche Bewohner inner-
halb von Stadtbefeſtigungen ſich anzuſiedeln berechtigt ſeien, hat
auch in Sinope Geltung gefunden, und ſo umſchließen die innerſten
Caſtellmauern nur türkiſche Wohnſtätten. Ein Vortheil mag dies
heute, wo eine Bedrohung durch äußere Feinde nahezu aus-
geſchloſſen iſt, freilich nicht mehr ſein, denn iſt ſchon an ſich die
Stadt eine der winkeligſten und ſchmutzigſten der ganzen Pontus-
küſte, ſo treten dieſe Uebelſtände in erhöhtem Maße bei einem
winzigen Stadtviertel hervor, das zwiſchen hohen Wallmauern
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1 Als im Jahre 1873 die Regierung im ganzen Reiche die Tabak-
Regie einführte und ein aus mehr als hundert Paragraphen beſtehendes
Reglement über den Tabaksbau mit Bedrohung ſchwerer Strafen gegen
Contravenienten erließ, fand der Steuerbeamte von Sinope es für ange-
zeigt, dieſes Reglement einfach zu verheimlichen, wodurch er nachher bei
den Tabakbauern eine ganz erkleckliche Summe von Strafgeldern einzu-
treiben vermochte, deren Ablieferung ihn zu einem Manne nach dem
Herzen der Regierung machte. Aber die Folgen zeigten ſich auch ſogleich;
der Diſtrict, der bis dahin über 4½ Mill. Kilo Tabak erzeugte, producirte im
folgenden Jahre nur mehr 40,000 Kilo, veranlaßte alſo einen coloſſalen
Ausfall in den Staatseinkünften des Diſtrictes und ſo mußte der heim-
tückiſche Steuerbeamte abgeſetzt werden. Seine Nachfolger ſollen die Lage
wieder gebeſſert haben. („Allg. Zeitg.“, 1877.)
2 einem Kranz von Lorbeerhainen ringsum, liegt unweit der Ruinen der
mileſiſchen Colonieſtadt Amiſos. Noch ſtößt man im Nordweſten allent-
halben auf Mauertrümmer und verbaute Terraſſen, alles von urwald-
artigem Dickicht, Dornen und Schlinggewächſen umrankt. Hier ſoll die
Reſidenz Eupatoria des Königs Mithridates geſtanden haben, doch iſt die
Lage keineswegs ſicher geſtellt. Der alte Hafen von Amiſos liegt heute
trocken und iſt mit Feldfrüchten bewachſen (wie jener von Milet, vgl.
Braun, „Hiſtoriſche Landſchaften“, 190); ſichtbar aber iſt noch der ins
Meer geſunkene große Hafendamm, den man, wie jenen von Sinope, unter
dem Waſſerſpiegel verfolgen kann. Amiſos hat weder den Glanz, noch
die Unglücksfälle von Sinope erlebt.
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