Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.Anhang. Anatolische Fragmente. auf die Entwickelung der organischen Welt und die Existenz-bedingungen der Bewohner. Im Ganzen erscheint eine Ein- theilung Anatoliens in vier klimatologische und pflanzengeo- graphische Zonen am passendsten und zwar: in das anatolische Binnen- oder Steppengebiet, in das pontische Waldgebiet, ägäische und taurische Küstengebiet. Während auf den Steppenflächen des inneren Hochlandes das Klima seine größten Extreme erreicht und auf lange, strenge Winter mit reichlichem Schneefalle drückend heiße Sommer ohne alle Niederschläge folgen, herrscht in den westlichen Gestadegebieten ein, durchschnittlich dem gegenüber- liegenden griechischen Festlande entsprechendes Verhältniß zwischen den einzelnen Jahreszeiten. Schnee fällt hier äußerst selten1, desto häufiger und ausgiebiger aber in den östlichen Gebirgen, auf denen er bis tief ins Frühjahr hinein liegen bleibt. In Folge der ausgiebigen Winterregen (December bis März) ent- wickelt sich an den Gestaden und in den großen Längenthälern eine äußerst mannigfache Pflanzenwelt, in der selbst die Palme nicht fehlt. Vorherrschend sind der Feigen- und Olivenbaum, dann Orangen, Citronen und Mandeln, in herrlichster Ent- wickelung in den zahlreichen Gärten, ferner ganze Haine von Quitten, Aprikosen und Pflaumen, und an den Berghängen Buchen- und Eichenbestände neben der ernsten Cypresse und den wildwachsenden Nuß- und Kastanien-Bäumen. Welch fühlbarer Unterschied liegt zwischen dem milden Klima Smyrnas und der demselben entsprechenden Vegetation, gegenüber dem räumlich nur wenig entfernteren anatolischen Binnenlande! Noch in den oberen Thälern des Hermus und Mäander die prächtigsten Gärten, Baumwollstauden und herrliche Gruppen von Platanen; darüber hinaus, längs der inneren Lehnen der Randketten, das mälige Schwinden der Bestände, üppig wuchernde Strauchvegetation, die sich alsbald auf den saftigen Weiden der ersten Plateaustufen nurmehr zu inselartigen Gebüschgruppen zusammendrängt, und noch weiter draußen, im ebenen Lande, kümmerliche Stauden und Steppenpflanzen. Diesseits der Gebirge die aromatischen Düfte der Mandel und Citrone, jenseits der trockene Steppenwind, im Winter die mächtige Schneedecke umwühlend, im Sommer ge- 1 v. Scherzer, a. a. O., 15.
Anhang. Anatoliſche Fragmente. auf die Entwickelung der organiſchen Welt und die Exiſtenz-bedingungen der Bewohner. Im Ganzen erſcheint eine Ein- theilung Anatoliens in vier klimatologiſche und pflanzengeo- graphiſche Zonen am paſſendſten und zwar: in das anatoliſche Binnen- oder Steppengebiet, in das pontiſche Waldgebiet, ägäiſche und tauriſche Küſtengebiet. Während auf den Steppenflächen des inneren Hochlandes das Klima ſeine größten Extreme erreicht und auf lange, ſtrenge Winter mit reichlichem Schneefalle drückend heiße Sommer ohne alle Niederſchläge folgen, herrſcht in den weſtlichen Geſtadegebieten ein, durchſchnittlich dem gegenüber- liegenden griechiſchen Feſtlande entſprechendes Verhältniß zwiſchen den einzelnen Jahreszeiten. Schnee fällt hier äußerſt ſelten1, deſto häufiger und ausgiebiger aber in den öſtlichen Gebirgen, auf denen er bis tief ins Frühjahr hinein liegen bleibt. In Folge der ausgiebigen Winterregen (December bis März) ent- wickelt ſich an den Geſtaden und in den großen Längenthälern eine äußerſt mannigfache Pflanzenwelt, in der ſelbſt die Palme nicht fehlt. Vorherrſchend ſind der Feigen- und Olivenbaum, dann Orangen, Citronen und Mandeln, in herrlichſter Ent- wickelung in den zahlreichen Gärten, ferner ganze Haine von Quitten, Aprikoſen und Pflaumen, und an den Berghängen Buchen- und Eichenbeſtände neben der ernſten Cypreſſe und den wildwachſenden Nuß- und Kaſtanien-Bäumen. Welch fühlbarer Unterſchied liegt zwiſchen dem milden Klima Smyrnas und der demſelben entſprechenden Vegetation, gegenüber dem räumlich nur wenig entfernteren anatoliſchen Binnenlande! Noch in den oberen Thälern des Hermus und Mäander die prächtigſten Gärten, Baumwollſtauden und herrliche Gruppen von Platanen; darüber hinaus, längs der inneren Lehnen der Randketten, das mälige Schwinden der Beſtände, üppig wuchernde Strauchvegetation, die ſich alsbald auf den ſaftigen Weiden der erſten Plateauſtufen nurmehr zu inſelartigen Gebüſchgruppen zuſammendrängt, und noch weiter draußen, im ebenen Lande, kümmerliche Stauden und Steppenpflanzen. Dieſſeits der Gebirge die aromatiſchen Düfte der Mandel und Citrone, jenſeits der trockene Steppenwind, im Winter die mächtige Schneedecke umwühlend, im Sommer ge- 1 v. Scherzer, a. a. O., 15.
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Anhang. Anatoliſche Fragmente.
auf die Entwickelung der organiſchen Welt und die Exiſtenz-
bedingungen der Bewohner. Im Ganzen erſcheint eine Ein-
theilung Anatoliens in vier klimatologiſche und pflanzengeo-
graphiſche Zonen am paſſendſten und zwar: in das anatoliſche
Binnen- oder Steppengebiet, in das pontiſche Waldgebiet, ägäiſche
und tauriſche Küſtengebiet. Während auf den Steppenflächen
des inneren Hochlandes das Klima ſeine größten Extreme erreicht
und auf lange, ſtrenge Winter mit reichlichem Schneefalle drückend
heiße Sommer ohne alle Niederſchläge folgen, herrſcht in den
weſtlichen Geſtadegebieten ein, durchſchnittlich dem gegenüber-
liegenden griechiſchen Feſtlande entſprechendes Verhältniß zwiſchen
den einzelnen Jahreszeiten. Schnee fällt hier äußerſt ſelten 1,
deſto häufiger und ausgiebiger aber in den öſtlichen Gebirgen,
auf denen er bis tief ins Frühjahr hinein liegen bleibt. In
Folge der ausgiebigen Winterregen (December bis März) ent-
wickelt ſich an den Geſtaden und in den großen Längenthälern
eine äußerſt mannigfache Pflanzenwelt, in der ſelbſt die Palme
nicht fehlt. Vorherrſchend ſind der Feigen- und Olivenbaum,
dann Orangen, Citronen und Mandeln, in herrlichſter Ent-
wickelung in den zahlreichen Gärten, ferner ganze Haine von
Quitten, Aprikoſen und Pflaumen, und an den Berghängen
Buchen- und Eichenbeſtände neben der ernſten Cypreſſe und den
wildwachſenden Nuß- und Kaſtanien-Bäumen. Welch fühlbarer
Unterſchied liegt zwiſchen dem milden Klima Smyrnas und der
demſelben entſprechenden Vegetation, gegenüber dem räumlich nur
wenig entfernteren anatoliſchen Binnenlande! Noch in den oberen
Thälern des Hermus und Mäander die prächtigſten Gärten,
Baumwollſtauden und herrliche Gruppen von Platanen; darüber
hinaus, längs der inneren Lehnen der Randketten, das mälige
Schwinden der Beſtände, üppig wuchernde Strauchvegetation,
die ſich alsbald auf den ſaftigen Weiden der erſten Plateauſtufen
nurmehr zu inſelartigen Gebüſchgruppen zuſammendrängt, und
noch weiter draußen, im ebenen Lande, kümmerliche Stauden und
Steppenpflanzen. Dieſſeits der Gebirge die aromatiſchen Düfte
der Mandel und Citrone, jenſeits der trockene Steppenwind, im
Winter die mächtige Schneedecke umwühlend, im Sommer ge-
1 v. Scherzer, a. a. O., 15.
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