Röhren sind 2 Meter lang und haben 1.5 Meter innere Lichte. Die Strohseil- umwickelung gestattet dem allmählich erstarrenden Eisen das Zusammenziehen (Schwinden), so daß keine gefährliche Spannung in dem erkalteten Rohre ver- bleibt; außerdem läßt man die Röhren behufs langsamer Abkühlung längere Zeit in den Formen, während die Spindeln bald nach dem Gusse herausgenommen werden. Die fertigen Röhren werden behufs Prüfung auf Dichtigkeit unter einem inneren Wasserdrucke von 20 Atmosphären bei gleichzeitigem Schlagen mit mehreren Hämmern auf entsprechende Pressen gebracht. In besonderen Fällen wird der Probe- druck gesteigert. Die weitere Behandlung der dicht befundenen Röhren besteht im genauen Abwiegen jedes einzelnen Stückes und der Asphaltirung.
Der Röhrenguß hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Während im Jahre 1878 die gesammte Röhrenerzeugung etwa 61.000 Tonnen betrug, hob sich dieselbe in allmählich fortschreitender Entwickelung auf 202.000 Tonnen im Jahre 1893. In erster Reihe steht disbezüglich die bereits genannte "Friedrich Wilhelmshütte", deren Leistungsfähigkeit auf dem Gebiete des Röhrengusses von keiner deutschen Gießerei und nur von wenigen fremden Werken übertroffen wird.
Hammer und Amboß.
Das Urbild des eisernen Handwerkes ist der Schmied. Die alten Götter- sagen personificirten die übermenschliche Kraft vorzugsweise in Gestalten, welche sich mit jenem Urbilde deckten. Bekannt ist, daß Hephästos dem Zeus die Blitze, dem Poseidon den erschütternden Dreizack, dem Pluto den unsichtbar machenden Helm geschmiedet hatte. Er wurde abgebildet als bärtiger Mann mit aufgeschürztem Unterkleide, in der rechten Hand einen Hammer, in der linken eine Feuerzange, am Amboß oder an der Feueresse stehend.
Unter allen nordischen Gottheiten hatte keine die Einbildungskraft nachhal- tiger erregt als Thor, der "Donnerer", in den finsteren Wolken, die über die schwarzbraune Heide jagen. Er war der gefürchtetste unter den Asen und überragte sie alle an Stärke. Die Verkörperung dieser Stärke waren der Kraftgürtel "Megug- jarden" und der Hammer "Mjölner", der Zermalmer. Mit dießem Hammer hatte Thor das Geschlecht der Riesen und deren König Thrym erschlagen. Der Mjölner war das Werk der schmiedekundigen Zwerge Brock und Jurdei. Einige seiner anderen kunstfertigen Zwerge waren Durin und Devalin, welche dem König Sara- furlani das Schwert "Tyrsing" geschmiedet hatten. Er führte nie einen falschen Hieb; so oft es auch gezückt wurde, mußte ein Menschenleben zu Grunde gehen. ..... Von den Thaten des Schmiedes Wieland, der zu Mimr, dem Schmiede, in die Lehre ging, erzählt das deutsche Heldenlied.
So besteht seit den Zeiten des Aufdämmerns menschlicher Erinnerungen ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Eisen und der Stärke einerseits und zwischen dem Eisen und den Kobolden in der Tiefe andererseits. Die Kunst der
Formgebungsarbeiten.
Röhren ſind 2 Meter lang und haben 1‧5 Meter innere Lichte. Die Strohſeil- umwickelung geſtattet dem allmählich erſtarrenden Eiſen das Zuſammenziehen (Schwinden), ſo daß keine gefährliche Spannung in dem erkalteten Rohre ver- bleibt; außerdem läßt man die Röhren behufs langſamer Abkühlung längere Zeit in den Formen, während die Spindeln bald nach dem Guſſe herausgenommen werden. Die fertigen Röhren werden behufs Prüfung auf Dichtigkeit unter einem inneren Waſſerdrucke von 20 Atmoſphären bei gleichzeitigem Schlagen mit mehreren Hämmern auf entſprechende Preſſen gebracht. In beſonderen Fällen wird der Probe- druck geſteigert. Die weitere Behandlung der dicht befundenen Röhren beſteht im genauen Abwiegen jedes einzelnen Stückes und der Asphaltirung.
Der Röhrenguß hat in den letzten Jahren große Fortſchritte gemacht. Während im Jahre 1878 die geſammte Röhrenerzeugung etwa 61.000 Tonnen betrug, hob ſich dieſelbe in allmählich fortſchreitender Entwickelung auf 202.000 Tonnen im Jahre 1893. In erſter Reihe ſteht disbezüglich die bereits genannte »Friedrich Wilhelmshütte«, deren Leiſtungsfähigkeit auf dem Gebiete des Röhrenguſſes von keiner deutſchen Gießerei und nur von wenigen fremden Werken übertroffen wird.
Hammer und Amboß.
Das Urbild des eiſernen Handwerkes iſt der Schmied. Die alten Götter- ſagen perſonificirten die übermenſchliche Kraft vorzugsweiſe in Geſtalten, welche ſich mit jenem Urbilde deckten. Bekannt iſt, daß Hephäſtos dem Zeus die Blitze, dem Poſeidon den erſchütternden Dreizack, dem Pluto den unſichtbar machenden Helm geſchmiedet hatte. Er wurde abgebildet als bärtiger Mann mit aufgeſchürztem Unterkleide, in der rechten Hand einen Hammer, in der linken eine Feuerzange, am Amboß oder an der Feuereſſe ſtehend.
Unter allen nordiſchen Gottheiten hatte keine die Einbildungskraft nachhal- tiger erregt als Thor, der »Donnerer«, in den finſteren Wolken, die über die ſchwarzbraune Heide jagen. Er war der gefürchtetſte unter den Aſen und überragte ſie alle an Stärke. Die Verkörperung dieſer Stärke waren der Kraftgürtel »Megug- jarden« und der Hammer »Mjölner«, der Zermalmer. Mit dießem Hammer hatte Thor das Geſchlecht der Rieſen und deren König Thrym erſchlagen. Der Mjölner war das Werk der ſchmiedekundigen Zwerge Brock und Jurdei. Einige ſeiner anderen kunſtfertigen Zwerge waren Durin und Devalin, welche dem König Sara- furlani das Schwert »Tyrſing« geſchmiedet hatten. Er führte nie einen falſchen Hieb; ſo oft es auch gezückt wurde, mußte ein Menſchenleben zu Grunde gehen. ..... Von den Thaten des Schmiedes Wieland, der zu Mimr, dem Schmiede, in die Lehre ging, erzählt das deutſche Heldenlied.
So beſteht ſeit den Zeiten des Aufdämmerns menſchlicher Erinnerungen ein urſächlicher Zuſammenhang zwiſchen dem Eiſen und der Stärke einerſeits und zwiſchen dem Eiſen und den Kobolden in der Tiefe andererſeits. Die Kunſt der
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Formgebungsarbeiten.
Röhren ſind 2 Meter lang und haben 1‧5 Meter innere Lichte. Die Strohſeil-
umwickelung geſtattet dem allmählich erſtarrenden Eiſen das Zuſammenziehen
(Schwinden), ſo daß keine gefährliche Spannung in dem erkalteten Rohre ver-
bleibt; außerdem läßt man die Röhren behufs langſamer Abkühlung längere Zeit
in den Formen, während die Spindeln bald nach dem Guſſe herausgenommen
werden. Die fertigen Röhren werden behufs Prüfung auf Dichtigkeit unter einem
inneren Waſſerdrucke von 20 Atmoſphären bei gleichzeitigem Schlagen mit mehreren
Hämmern auf entſprechende Preſſen gebracht. In beſonderen Fällen wird der Probe-
druck geſteigert. Die weitere Behandlung der dicht befundenen Röhren beſteht im
genauen Abwiegen jedes einzelnen Stückes und der Asphaltirung.
Der Röhrenguß hat in den letzten Jahren große Fortſchritte gemacht.
Während im Jahre 1878 die geſammte Röhrenerzeugung etwa 61.000 Tonnen
betrug, hob ſich dieſelbe in allmählich fortſchreitender Entwickelung auf 202.000 Tonnen
im Jahre 1893. In erſter Reihe ſteht disbezüglich die bereits genannte »Friedrich
Wilhelmshütte«, deren Leiſtungsfähigkeit auf dem Gebiete des Röhrenguſſes von
keiner deutſchen Gießerei und nur von wenigen fremden Werken übertroffen wird.
Hammer und Amboß.
Das Urbild des eiſernen Handwerkes iſt der Schmied. Die alten Götter-
ſagen perſonificirten die übermenſchliche Kraft vorzugsweiſe in Geſtalten, welche
ſich mit jenem Urbilde deckten. Bekannt iſt, daß Hephäſtos dem Zeus die Blitze,
dem Poſeidon den erſchütternden Dreizack, dem Pluto den unſichtbar machenden
Helm geſchmiedet hatte. Er wurde abgebildet als bärtiger Mann mit aufgeſchürztem
Unterkleide, in der rechten Hand einen Hammer, in der linken eine Feuerzange,
am Amboß oder an der Feuereſſe ſtehend.
Unter allen nordiſchen Gottheiten hatte keine die Einbildungskraft nachhal-
tiger erregt als Thor, der »Donnerer«, in den finſteren Wolken, die über die
ſchwarzbraune Heide jagen. Er war der gefürchtetſte unter den Aſen und überragte
ſie alle an Stärke. Die Verkörperung dieſer Stärke waren der Kraftgürtel »Megug-
jarden« und der Hammer »Mjölner«, der Zermalmer. Mit dießem Hammer hatte
Thor das Geſchlecht der Rieſen und deren König Thrym erſchlagen. Der Mjölner
war das Werk der ſchmiedekundigen Zwerge Brock und Jurdei. Einige ſeiner
anderen kunſtfertigen Zwerge waren Durin und Devalin, welche dem König Sara-
furlani das Schwert »Tyrſing« geſchmiedet hatten. Er führte nie einen falſchen
Hieb; ſo oft es auch gezückt wurde, mußte ein Menſchenleben zu Grunde gehen. .....
Von den Thaten des Schmiedes Wieland, der zu Mimr, dem Schmiede, in die
Lehre ging, erzählt das deutſche Heldenlied.
So beſteht ſeit den Zeiten des Aufdämmerns menſchlicher Erinnerungen ein
urſächlicher Zuſammenhang zwiſchen dem Eiſen und der Stärke einerſeits und
zwiſchen dem Eiſen und den Kobolden in der Tiefe andererſeits. Die Kunſt der
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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/117>, abgerufen am 24.11.2024.
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