die Benützung eines Schwungrades ausgeschlossen. Reversirwerke sind überall dort im Gebrauch, wo es sich um besonders schwere Walzstücke handelt, die bei einer anderen Anordnung der Walzen -- wie wir gleich sehen werden -- gehoben werden.
Diese Anordnung besteht in drei übereinanderstehenden Walzen, von welchen die untere nach auswärts, die mittlere nach einwärts, die obere wieder nach aus- wärts rotirt. Ist der erste Stich zwischen der unteren und mittleren Walze erfolgt, so wird das Walzstück, das auf ein Gitter mit Rollen aufläuft, durch hydraulische Kolben oder Dampfcylinder bis zur Höhe der Oberwalze gehoben. Sobald es einmal auf dieser aufruht, wird es durch die mittlere und obere Walze wieder auf die Vorderseite geführt, wo es ein analoges Gitter antrifft, das sich nur zu senken hat, um das Walzstück zu neuem Durchgange den Walzen darzubieten. Solche Werke werden Triolwalzwerke genannt und, da sie continuirlich laufen, ist die Anwendung eines Schwungrades von großem Vortheil.
Werke mit glatten Walzen dienen selbstverständlich nur zum Bearbeiten der Bleche und Platten (z. B. Panzerplatten); sie werden demgemäß als Blech- oder Plattenwalzwerke bezeichnet. Die Werke für Panzerplatten sind die größten Con- structionen dieser Art. Das große Plattenwalzwerk des Krupp'schen Etablissements beispielsweise ist eine zweicylindrige Reversirmaschine, welche nicht weniger als 3500 Pferdestärken leistet. Die Walzen bestehen aus geschmiedetem Tiegelgußstahl und wiegen, bei einer wirksamen Länge von 4 Metern, die Kleinigkeit von 90 Tonnen (1800 Centner). Rollbahnen führen auf jeder Seite die Platte selbst- thätig den Walzen zu. Bevor dieselbe die vorgeschriebene Dicke von 30 Centimetern erhält, muß sie mehr als hundertmal durch die Walzen hindurch.
Bei dem hier (Fig. 80) abgebildeten Walzwerke des Hüttenwerkes zu Etainges wiegt jede Walze bei einem Durchmesser von 1 Meter und einer Länge von 3.3 Meter 30 Tonnen. Sie können die größten Brammen bis zu einer Dicke von 1.2 Meter walzen. An der Seite trägt dieses Werk zwei verticale Cylinder von 1.3 Meter Höhe, welche nach Bedarf gestellt werden können, falls es nöthig sein sollte, die Platten auch an den Längsseiten einem entsprechenden Drucke zu unterziehen. Die beweglichen Zapfen der Walzen sind in senkrechte Schienen ein- gelassen und ruhen in besonderen Gehäusen. Die Abbildung zeigt verschiedene Kraftübertragungen, welche nach Bedarf die Auslösung der horizontalen und verti- calen Walzen vermitteln.
Um zu verhüten, daß in Folge der Erhitzung die Walzen Dimensions- änderung erfahren, werden sie mit einem Wasserregen bespült; damit wird gleich- zeitig erreicht, daß der Glühspan auf dem Walzenstücke nicht so fest haftet. Das Wasser berührt nach Analogie des "Leidenfrost'schen Phänomens" das glühende Walzstück nicht; wenn es jedoch durch den Walzdruck dazu gezwungen wird, treten Detonationen wie von Pistolenschüssen auf. Um das Einwalzen des Hammer- schlages zu verhüten, werden die glühenden Walzstücke vor dem Einlassen mit Besen abgekehrt. Auch werden zur Beseitigung des Glühspans große Reisigbündel
Formgebungsarbeiten.
die Benützung eines Schwungrades ausgeſchloſſen. Reverſirwerke ſind überall dort im Gebrauch, wo es ſich um beſonders ſchwere Walzſtücke handelt, die bei einer anderen Anordnung der Walzen — wie wir gleich ſehen werden — gehoben werden.
Dieſe Anordnung beſteht in drei übereinanderſtehenden Walzen, von welchen die untere nach auswärts, die mittlere nach einwärts, die obere wieder nach aus- wärts rotirt. Iſt der erſte Stich zwiſchen der unteren und mittleren Walze erfolgt, ſo wird das Walzſtück, das auf ein Gitter mit Rollen aufläuft, durch hydrauliſche Kolben oder Dampfcylinder bis zur Höhe der Oberwalze gehoben. Sobald es einmal auf dieſer aufruht, wird es durch die mittlere und obere Walze wieder auf die Vorderſeite geführt, wo es ein analoges Gitter antrifft, das ſich nur zu ſenken hat, um das Walzſtück zu neuem Durchgange den Walzen darzubieten. Solche Werke werden Triolwalzwerke genannt und, da ſie continuirlich laufen, iſt die Anwendung eines Schwungrades von großem Vortheil.
Werke mit glatten Walzen dienen ſelbſtverſtändlich nur zum Bearbeiten der Bleche und Platten (z. B. Panzerplatten); ſie werden demgemäß als Blech- oder Plattenwalzwerke bezeichnet. Die Werke für Panzerplatten ſind die größten Con- ſtructionen dieſer Art. Das große Plattenwalzwerk des Krupp'ſchen Etabliſſements beiſpielsweiſe iſt eine zweicylindrige Reverſirmaſchine, welche nicht weniger als 3500 Pferdeſtärken leiſtet. Die Walzen beſtehen aus geſchmiedetem Tiegelgußſtahl und wiegen, bei einer wirkſamen Länge von 4 Metern, die Kleinigkeit von 90 Tonnen (1800 Centner). Rollbahnen führen auf jeder Seite die Platte ſelbſt- thätig den Walzen zu. Bevor dieſelbe die vorgeſchriebene Dicke von 30 Centimetern erhält, muß ſie mehr als hundertmal durch die Walzen hindurch.
Bei dem hier (Fig. 80) abgebildeten Walzwerke des Hüttenwerkes zu Etainges wiegt jede Walze bei einem Durchmeſſer von 1 Meter und einer Länge von 3‧3 Meter 30 Tonnen. Sie können die größten Brammen bis zu einer Dicke von 1‧2 Meter walzen. An der Seite trägt dieſes Werk zwei verticale Cylinder von 1‧3 Meter Höhe, welche nach Bedarf geſtellt werden können, falls es nöthig ſein ſollte, die Platten auch an den Längsſeiten einem entſprechenden Drucke zu unterziehen. Die beweglichen Zapfen der Walzen ſind in ſenkrechte Schienen ein- gelaſſen und ruhen in beſonderen Gehäuſen. Die Abbildung zeigt verſchiedene Kraftübertragungen, welche nach Bedarf die Auslöſung der horizontalen und verti- calen Walzen vermitteln.
Um zu verhüten, daß in Folge der Erhitzung die Walzen Dimenſions- änderung erfahren, werden ſie mit einem Waſſerregen beſpült; damit wird gleich- zeitig erreicht, daß der Glühſpan auf dem Walzenſtücke nicht ſo feſt haftet. Das Waſſer berührt nach Analogie des »Leidenfroſt'ſchen Phänomens« das glühende Walzſtück nicht; wenn es jedoch durch den Walzdruck dazu gezwungen wird, treten Detonationen wie von Piſtolenſchüſſen auf. Um das Einwalzen des Hammer- ſchlages zu verhüten, werden die glühenden Walzſtücke vor dem Einlaſſen mit Beſen abgekehrt. Auch werden zur Beſeitigung des Glühſpans große Reiſigbündel
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Formgebungsarbeiten.
die Benützung eines Schwungrades ausgeſchloſſen. Reverſirwerke ſind überall dort
im Gebrauch, wo es ſich um beſonders ſchwere Walzſtücke handelt, die bei einer
anderen Anordnung der Walzen — wie wir gleich ſehen werden — gehoben werden.
Dieſe Anordnung beſteht in drei übereinanderſtehenden Walzen, von welchen
die untere nach auswärts, die mittlere nach einwärts, die obere wieder nach aus-
wärts rotirt. Iſt der erſte Stich zwiſchen der unteren und mittleren Walze erfolgt,
ſo wird das Walzſtück, das auf ein Gitter mit Rollen aufläuft, durch hydrauliſche
Kolben oder Dampfcylinder bis zur Höhe der Oberwalze gehoben. Sobald es
einmal auf dieſer aufruht, wird es durch die mittlere und obere Walze wieder
auf die Vorderſeite geführt, wo es ein analoges Gitter antrifft, das ſich nur zu
ſenken hat, um das Walzſtück zu neuem Durchgange den Walzen darzubieten.
Solche Werke werden Triolwalzwerke genannt und, da ſie continuirlich laufen,
iſt die Anwendung eines Schwungrades von großem Vortheil.
Werke mit glatten Walzen dienen ſelbſtverſtändlich nur zum Bearbeiten der
Bleche und Platten (z. B. Panzerplatten); ſie werden demgemäß als Blech- oder
Plattenwalzwerke bezeichnet. Die Werke für Panzerplatten ſind die größten Con-
ſtructionen dieſer Art. Das große Plattenwalzwerk des Krupp'ſchen Etabliſſements
beiſpielsweiſe iſt eine zweicylindrige Reverſirmaſchine, welche nicht weniger als
3500 Pferdeſtärken leiſtet. Die Walzen beſtehen aus geſchmiedetem Tiegelgußſtahl
und wiegen, bei einer wirkſamen Länge von 4 Metern, die Kleinigkeit von
90 Tonnen (1800 Centner). Rollbahnen führen auf jeder Seite die Platte ſelbſt-
thätig den Walzen zu. Bevor dieſelbe die vorgeſchriebene Dicke von 30 Centimetern
erhält, muß ſie mehr als hundertmal durch die Walzen hindurch.
Bei dem hier (Fig. 80) abgebildeten Walzwerke des Hüttenwerkes zu
Etainges wiegt jede Walze bei einem Durchmeſſer von 1 Meter und einer Länge
von 3‧3 Meter 30 Tonnen. Sie können die größten Brammen bis zu einer Dicke
von 1‧2 Meter walzen. An der Seite trägt dieſes Werk zwei verticale Cylinder
von 1‧3 Meter Höhe, welche nach Bedarf geſtellt werden können, falls es nöthig
ſein ſollte, die Platten auch an den Längsſeiten einem entſprechenden Drucke zu
unterziehen. Die beweglichen Zapfen der Walzen ſind in ſenkrechte Schienen ein-
gelaſſen und ruhen in beſonderen Gehäuſen. Die Abbildung zeigt verſchiedene
Kraftübertragungen, welche nach Bedarf die Auslöſung der horizontalen und verti-
calen Walzen vermitteln.
Um zu verhüten, daß in Folge der Erhitzung die Walzen Dimenſions-
änderung erfahren, werden ſie mit einem Waſſerregen beſpült; damit wird gleich-
zeitig erreicht, daß der Glühſpan auf dem Walzenſtücke nicht ſo feſt haftet. Das
Waſſer berührt nach Analogie des »Leidenfroſt'ſchen Phänomens« das glühende
Walzſtück nicht; wenn es jedoch durch den Walzdruck dazu gezwungen wird, treten
Detonationen wie von Piſtolenſchüſſen auf. Um das Einwalzen des Hammer-
ſchlages zu verhüten, werden die glühenden Walzſtücke vor dem Einlaſſen mit
Beſen abgekehrt. Auch werden zur Beſeitigung des Glühſpans große Reiſigbündel
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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/129>, abgerufen am 21.11.2024.
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